Werbung

Digitalisierung im Handwerk

Teil 8: Warum Digitalisierung und Stressprävention zusammengehören

Welche Belastungen Handwerksbetriebe im Zusammenhang mit der Digitalisierung wahrnehmen – das untersucht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt DigiWerk. (AdobeStock – Catalin Pop)

 

Immer mehr und komplexere digitale Technologien verändern die Arbeit im Handwerk, einschließlich der Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten oder anderen Gewerken. Die Nutzung von Technologien oder Softwaresystemen kann zu Stress führen und sich z. B. in einem Gefühl der Überforderung äußern. Davon handelt der letzte Teil unserer Serie.

Typische Auslöser für Stress sind mangelhafte Schnittstellen, fehleranfällige Soft- und Hardware oder – gerade auch bei funktionierender Technologie – die größere Menge ein- und ausgehender Informationen. Stressempfinden, das im Zusammenhang mit digitalen Technologen entsteht, wird auch als „Technostress“ bezeichnet. Werden die psychischen Belastungen chronisch, erhöht sich das Risiko für psychische und physische Erkrankungen. Stressbedingte Folgen für die Gesundheit sind z. B. Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, Angst und Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schmerzzustände.

Artikelserie zum DigiWerk-Projekt

  • IKZ 13/21 Welche konkreten Wettbewerbsvorteile lassen sich durch digitale Lösungen erzielen?
  • IKZ 14/21 Wie lassen sich Wettbewerbsvorteile durch digitale Lösungen erzielen?
  • IKZ 15/21 Wie unterstützt Digitalisierung die zeitgemäße und effiziente Kundenkommunikation?
  • IKZ 16/21 Wie kann Branchensoftware eingesetzt und optimiert werden, um die Arbeit zu erleichtern? Wie ist die Nutzerfreundlichkeit der Software gewährleistet?
  • IKZ 17/21 Wie unterstützen digitale Lösungen Betriebe, z. B. bei Beschaffung, Entnahme und Kostenbelastung der Baustellen?
  • IKZ 18/21 Wie kann Software die betriebsinterne Kommunikation im Handwerk erleichtern?
  • IKZ 1/2/22 Die Einführung digitaler Lösungen ist ein Change-Prozess. Wie lässt sich die Akzeptanz der Beschäftigten erreichen und der Change-Prozess möglichst effektiv gestalten?
  • IKZ 3/22 Digitalisierung hat auch unerwünschte Nebenwirkungen wie Stress aufgrund von Zusatzbelastungen. Was können Handwerksbetriebe tun, um Stress zu reduzieren und seinen gesundheitlichen Konsequenzen vorzubeugen?

 Was sind Auslöser für Technostress im Handwerk?

Welche Belastungen Handwerksbetriebe im Zusammenhang mit der Digitalisierung wahrnehmen – das untersucht das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt DigiWerk. Unter anderem befragten die Wissenschaftler 26 Mitarbeitende aus 18 verschiedenen Sanitär-Heizung-Klima-Betrieben. Der Inhalt dieser Gespräche wird hier beispielhaft zusammengefasst und typische Standpunkte zitiert:

Überlastung durch Technologie

Auftragsanfragen, Bestellungen, Rechnungen, Steuerunterlagen, Lieferscheine, Kundenrückfragen, Störungen und vieles mehr wird digital kommuniziert (z. B. über E-Mails, Kurznachrichten oder soziale Medien). Das Informationsaufkommen steigt. Parallel steigt jedoch auch der Druck, diese Menge an Informationen in immer kürzerer Zeit zu be arbeiten. Das kann zu Überlastung führen.

„Der Stress, der interessiert keinen, wenn eine E-Mail geschickt wird. Es sammelt sich im Postfach und es wird erwartet, dass spätestens morgen oder übermorgen eine Antwort kommt, und ansonsten wird eine E-Mail hinterhergeschrieben. Ist ja leicht: Einfach tippen – zack, zack, zack – und [ich] setze denjenigen einfach unter Druck.“

Entgrenzung durch Technologie

Wenn digitale Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, erwarten Kunden und Führungskräfte zunehmend ständige Erreichbarkeit. Das lässt die Arbeit allgegenwärtig erscheinen, setzt unter Druck und kann dazu führen, nicht mehr abschalten zu können.

„[…] man ist immer erreichbar, deswegen steht man ständig unter Strom. Zwangsläufig haben manche Kunden meine Nummer und rufen dann teilweise auch noch nach Feierabend an. Das ist belastend. Wenn die Digitalisierung mehr wird, nimmt auch die Belastung durch die Erreichbarkeit zu […]“

Komplexität der Technologie

Eine geringe Benutzerfreundlichkeit, eine hohe Anzahl an Updates, Systemfehler oder eine eingeschränkte Kompatibilität der digitalen Technologien und Softwareprogramme verkomplizieren die Arbeit in der Administration, im Kundendienst und auch beim Heizungsbau. Wenn technologisches Know-how oder Zeit zur Einarbeitung fehlen, kann die Arbeit mit den digitalen Technologien in Überforderung münden und ein Gefühl von Inkompetenz entstehen lassen.

„Es sind Programme dabei, die machst du auf und dann denkst du: ‚Nee, geht gar nicht.‘ Denn wir sind keine Informatiker oder sowas, sondern wir sind Handwerker!“

„Ich ärgere mich am meisten, wenn irgendwas nicht funktioniert oder ich das nicht kann, da werde ich krank drüber.“

Arbeitsüberwachung durch Technologie

GPS-Trackingsysteme in Firmenfahrzeugen, digitale Fahrtenbücher, Auftragsbearbeitung und Arbeitszeiterfassung geben Führungskräften die Möglichkeit, Arbeit zu überwachen. Dadurch steigt der Leistungsdruck für die Beschäftigten. Parallel kann Misstrauen dem Betrieb gegenüber wachsen. Doch auch Kunden üben Druck aus, da sie durch die digitalen Informationsmöglichkeiten (z. B. YouTube) Fachwissen hinterfragen und mehr Leistung fordern.

  • „Wieso brauchen Sie so lange? Im Internet, der war schneller als Sie. Oder die Kunden wissen es besser: Die rufen an und sagen: ‚Das und das ist an meiner Heizung kaputt‘. Das ist die Kehrseite [der Digitalisierung]: Kunden informieren sich auf Internetseiten oder schauen sich irgendwelche YouTube-Videos an.“

Wie lässt sich Technostress im Handwerk reduzieren?

Es gibt im Handwerk viele Auslöser für Technostress. Sie können zu Widerständen führen, sich überhaupt noch mit den digitalen Technologien sowie der damit verbundenen Arbeit auseinanderzusetzen.

Ein häufiger Fehler: Oft werden neue digitale Technologien oder Softwaresysteme durch die Führungsebene ausgewählt und eingeführt, ohne die Beschäftigten einzubeziehen oder ausreichend vorzubereiten. Gleichzeitig bleibt die Arbeitsbelastung während der Einführungsphase hoch. Wichtig ist aber für die Beschäftigten, den persönlichen Nutzen bzw. die Arbeitserleichterung nachvollziehen zu können. Denn sonst sinken Arbeitszufriedenheit und Produktivität – und darunter kann auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebes leiden.

Für eine erfolgreiche Digitalisierung im Betrieb ist es wichtig, die Beschäftigten bereits bei der Entscheidungsfindung und Einführung der neuen Technologien und Softwaresysteme zu integrieren. Dies stärkt die Bereitschaft, eine Veränderung mitzutragen. Der Betrieb sollte ausreichend Zeit einplanen, um die Komplexität der Technologien zu berücksichtigen. Darüber hinaus erweitern umfangreiche Anwendungsschulungen das technologische Know-how. Reaktionsfähige und zuverlässige Hilfe-Hotlines sowie konkrete Ansprechpartner im Betrieb beugen einem Gefühl der Überlastung vor. Klare Kommunikationsstrategien vermeiden eine Informationsüberflutung und begrenzen die Erreichbarkeit, wodurch das Stressempfinden reduziert werden kann. Über die institutionelle oder organisatorische Unterstützung hinaus benötigen Beschäftigte vor allem soziale Unterstützung – auch durch Führungskräfte. So entsteht eine offene Kommunikation über Schwierigkeiten im Umgang mit den neuen Technologien.

Warum lohnt sich die Auseinandersetzung mit Technostress?

Auf den ersten Blick binden Maßnahmen zur Vermeidung von Technostress wertvolle Ressourcen des Betriebes. Doch letztlich überwiegen die Vorteile: Wer den Herausforderungen der Digitalisierung offen begegnet, hat eher zufriedene und leistungsbereite Beschäftigte. Sie identifizieren sich stärker mit dem Betrieb und weisen ein geringeres Risiko für stressbedingte Langzeiterkrankungen auf. Deswegen sollten Betriebe Technostress berücksichtigen. Unerlässlich ist es dabei, den Beschäftigten ein Mitspracherecht zu geben sowie ausreichend Zeit und Weiterbildungsmöglichkeiten bereitzustellen. Darüber hinaus sollten klare Kommunikationsregeln geben und konkrete Ansprechpartner bei Problemen zur Verfügung stehen.

Autoren: Prof. Dr. med. Angerer, Prof. Dr. phil. Dragano, Louisa Scheepers M. Sc. & Ruth Steeg

 

Tipp der Redaktion

Zusätzliche Informationen und Hilfen im Umgang mit dem Digitalisierungsprozess finden Betriebe auf www.HandwerkWirdDigital.de.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: