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Aufstockung und Verstetigung unabdingbar

Ein Interview mit Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft

RA Jens J. Wischmann, Geschäftsführer, Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS). (Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS))

Empfehlungen für die Gestaltung barrierefreier bzw. barrierearmer Bäder. (Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS))

 

Auch in diesem Jahr reichte der Fördertopf des KfW-Zuschussprogramms 455-B „Altersgerecht Umbauen“ nicht aus, um die gestiegene Nachfrage zu bedienen. Eine nachträgliche Aufstockung scheint nicht in Sicht, es gibt derzeit andere Baustellen in der Politik. „Die staatliche Förderpolitik muss der wachsenden Bedeutung des altersgerechten Wohnens weiter angepasst werden. Dazu gehört eine dauerhafte Aufstockung des Fördertopfes für altersgerechtes Umbauen auf mindestens 150 Mio. jährlich und vor allem eine Verstetigung der Förderung“, fordert vor diesem Hintergrund Jens Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärindustrie (VDS), im Gespräch mit IKZ-Chefredakteur Markus Sironi.

IKZ-HAUSTECHNIK: Seit vielen Jahren erfreut sich der Investitionszuschuss der KfW-Bankengruppe für Maßnahmen zur Barrierereduzierung zum Beispiel im Bad großer Beliebtheit. In diesem Jahr war aber bereits im Juni Schluss mit Lustig – das zur Verfügung stehende Fördervolumen war ausgeschöpft. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir eine ähnliche Situation, damals aber hatte die Bundesregierung nachgebessert und den Fördertopf nachträglich mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet. Wie stellt sich das in diesem Jahr dar?

Jens Wischmann: Es stimmt leider. So früh ging im Programm 455-B „Altersgerecht Umbauen“ noch nie das Geld aus. Das ist doppelt überraschend, weil dieser Mitteltopf in 2021 von 75 auf 130 Mio. Euro aufgestockt wurde. Ich gehe aufgrund der ungewissen Dauer der neuen Regierungsbildung nicht davon aus, dass dieses Jahr noch Mittel für barrierereduzierende Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist ungewiss, ob, wann und wie viel Fördermittel im nächsten Jahr bereitgestellt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Es hat den Anschein, als bremst die aktuelle Klimadebatte das Thema Barrierefreies Bauen ein stückweit aus. Und das, obwohl der demografische Wandel ein rasches Reagieren erfordert. Viel zu wenige Wohnungen sind heute barrierefrei oder zumindest -arm konzipiert. Doch offenbar gibt es derzeit andere, wichtigere Baustellen. In den politischen Debatten werden allenfalls bezahlbare Mieten in Großstädten thematisiert. Wie ist Ihre Wahrnehmung?

Jens Wischmann: Das habe ich gerade im zurückliegenden Wahlkampf ähnlich empfunden. Dabei sind die gesellschaftspolitischen Herausforderungen, die mit dem demografischen Wandel einhergehen, riesig. So sind z. B. nur 1,5 % der Wohnungen in Deutschland altersgerecht. Bis 2035 werden einer von der KfW in Auftrag gegebenen Studie des Instituts für Wohnen und Umwelt (IWU) zufolge sogar rund zwei Mio. altersgerechte Wohnungen fehlen. Gleichzeitig möchten die Menschen aber so lange wie möglich selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Hier klafft eine enorme Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und der Ausweg aus dem Dilemma? Ihr Appell an die Politik?

Jens Wischmann: Dass die KfW-Mittel des Programms „Altersgerecht Umbauen“ in den letzten Jahren so rege beantragt wurden, zeigt, dass die Menschen ein stärkeres Bewusstsein für die Reduzierung von Barrieren entwickelt haben und daher ihre Wohnungen altersgerecht umbauen wollen. Diese Aktivitäten kommen nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gesellschaft insgesamt zugute. So belegte die eben erwähnte Erhebung auch die positiven volkswirtschaftlichen Effekte: Durch den barrierereduzierten Umbau und die Möglichkeit des Verbleibs in der eigenen Wohnung würden stationäre Pflegekosten von jährlich ca. 100 Millionen Euro gespart.

Von daher ist das KfW-Zuschussprogramm 455-B „Altersgerecht Umbauen“ grundsätzlich ein gutes Instrument. Die staatliche Förderpolitik muss aber der wachsenden Bedeutung des altersgerechten Wohnens weiter angepasst werden. Dazu gehört eine dauerhafte Aufstockung des Fördertopfes für altersgerechtes Umbauen auf mindestens 150 Mio. jährlich und vor allem eine Verstetigung der Förderung. Das jährliche Bangen um die Fördertöpfe würde dann endlich durch eine verlässliche und planungssichere Hilfe abgelöst werden. Dies haben der ZVSHK und die VDS gemeinsam mit ihrer Aufklärungskampagne Aktion Barrierefreies Bad in einem Appell an die Politik kurz vor der Bundestagswahl auch nochmals eindringlich gefordert.

IKZ-HAUSTECHNIK: Blicken wir auf die Baupraxis. Inwieweit ist das SHK-Handwerk fit in Sachen barrierefreie Bäder? Oder sind die Verbraucher die maßgeblichen Treiber in diesem Bereich?

Jens Wischmann: Schon vor vielen Jahren hat die Sanitärbranche erkannt, dass sich Bäder den Nutzern anpassen müssen und nicht umgekehrt. Um eine breite Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren, hat sie 2013 die Aufklärungskampagne Aktion Barrierefreies Bad gegründet. Umfangreiche Informationen über barrierefreie Bäder bieten neben der Webseite www.aktion-barrierefreies-bad.de auch verschiedene Printmaterialien. Dazu zählt beispielsweise der 40-seitige Ratgeber „DAS MODERNE BAD: Komfortabel. Sicher. Barrierefrei“. Er liefert einen detaillierten Überblick darüber, was bei der Planung zu beachten ist. Die Broschüre ist für Endverbraucher gedacht, sie unterstützt aber auch Sanitärhandwerker, Großhandelsmitarbeiter sowie Planer und Architekten bei der individuellen Kundenberatung.

Meines Erachtens ist es unserer hersteller- und produktneutralen Initiative wesentlich zu verdanken, dass das Thema barrierefreie Bäder und auch die Förderung der KfW von der Öffentlichkeit inzwischen so intensiv wahrgenommen wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie lässt sich das Thema barrierefreie Bäder stärker in der Wahrnehmung bei Verbrauchern und beim Handwerk steigern?

Jens Wischmann: Wie bereits gesagt, stellt das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ einen guten Anreiz dar, um den barrierereduzierten Badumbau voranzutreiben. Wenn diese Fördermittel aber jedes Mal frühzeitig ausgeschöpft sind, werden alle positiven Aktivitäten für altersgerechtes Umbauen wieder ausgebremst. Die Forderungen an die künftigen Regierungsparteien können daher nur lauten, das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ zu verstetigen und künftig mit deutlich mehr Mitteln auszustatten.

Neben der Politik ist aber auch die Sanitärbranche gefragt. Jede Vertriebsstufe leistet große Anstrengungen, um dem Verbraucher das Thema nahezubringen und zu zeigen, dass barrierefreie Bäder heute richtig chic aussehen können: Von den Herstellern, die für jeden Bedarf und jeden Geschmack die entsprechenden Produkte anbieten, über die richtige Präsentation, die fachkundige Beratung und Planung durch Mitarbeiter des Großhandels und des Handwerks bis hin zum normgerechten Einbau.

Natürlich gibt es grundsätzlich immer Verbesserungspotenzial und wir setzen alles daran, unseren Beitrag zu leisten, um alle mitzunehmen. Daher wird es beispielsweise unter der ZVSHK-Marke „Badkomfort für Generationen“ künftig nicht nur den Produkt-Wettbewerb geben, sondern auch weitere Zukunftsprojekte, wie zur Pflege oder zum smarten Bad.

Weiterhin soll der Ideenaustausch dazu zwischen Handwerk, Industrie und Forschung intensiviert werden.

Und schließlich denke ich doch, dass wir spätestens zur ISH 2023 wieder neue Produktinnovationen sehen werden, die wir dann auch kräftig in unserer Fach- und Endverbraucher-PR kommunizieren wollen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Möglichkeiten haben Fachbetriebe, sich in Sachen barrierefreie Bäder nachhaltig und neutral zu qualifizieren?

Jens Wischmann: Auch wenn leider corona- und etatbedingt unser eigenes Modul „Barrierefreies Bad“ i. R. der Bad Akademie momentan nicht angeboten werden kann, gibt es doch auch andere Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Die sicher anerkannteste ist die Qualifizierung zum Fachbetrieb „Barrierefreies Bad – Wohnkomfort für Generationen“ des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Diese Maßnahme berechtigt den Fachbetrieb zur Abrechnung von Hilfsmitteln gegenüber den Krankenkassen und öffnet damit den Gesundheitsmarkt für die SHK-Innungsbetriebe. Daneben bieten die anerkannten Trainer und Coaches unserer Branche, individuelle Kurse, Blogs und Diskussionen zum Thema vor allem auch in den sozialen Medien an.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und welche Unterstützung bzw. Schulungen hält die Industrie vor?

Jens Wischmann: Die einschlägigen Markenhersteller bieten natürlich auch selbst umfassende (Online-) Schulungen und Print-Informationen zur Planung, zu den Produkten, zu Fördermöglichkeiten und zum Marketing in diesem sensiblen Bereich an. Diese richten sich, zielgruppengerecht aufbereitet, sowohl an das Fachhandwerk, als auch an Architekten und Planer – häufig inklusive Qualifizierungsnachweisen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Erlauben Sie zum Abschluss einen Seitenblick: Der Tag des Bades fand in diesem Jahr am 18. September statt. Wie war die Resonanz und welchen Stellenwert hat das Thema barrierefreies Bad in den Ausstellungen des Großhandels und der verkaufsaktiven Handwerker gespielt?

Jens Wischmann: Da wir keine individuelle Anmeldung mehr machen, wissen wir leider nicht, wie viele Ausstellungen von Handel und Handwerk teilgenommen haben. Angesichts der Nutzung unserer Downloadmöglichkeit von Aktionsmaterialien auf den Seiten von ZVSHK und DG Haustechnik, gehen wir aber wieder von vielen aktiven Ausstellungen und Studios aus. Sehr gut war wieder die bundesweite PR. Zahlreiche Beispiele von Presseberichten, Artikeln und Sonderseiten zum Tag des Bades haben uns erreicht.

Dieses Jahr stand das Thema barrierefreies Bad nicht als solches im Schwerpunkt, unser Motto „Willkommen Wohlgefühl“ und die begleitenden Texte und Motive deckten aber auch dieses Einzelthema mit ab.

www.aktion-barrierefreies-bad.de

 


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