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Lüftung 3.0

Studienergebnisse mechanische Lüftung versus Fensterlüftung, Auswirkungen auf Bewohnergesundheit und Raumluftqualität

Tabelle 1: Einschätzung der Luftqualität (positive und negative Wahrnehmungen) 3 und 15 Monate nach Einzug.

Bild 1: 62 Gebäude (Niedrigstenergie- bzw. Passivhausstandard) mit kontrollierten Wohnraumlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung wurden in der Untersuchung 61 Wohnhäusern gegen­übergestellt, welche üblichen Baustandards entsprechen (ohne Lüftungssystem).

Bild 2: Studie „Lüftung 3.0“. Ziel dieser Studie ist, Einflüsse der Raumluftqualität auf Wohlbefinden sowie (Wohn-)Zufriedenheit von Bewohnerinnen und Bewohnern von Ein- und Mehrfamilienhäusern mit und ohne Wohnraumlüftungsanlage zu untersuchen sowie Bereiche zu identifizieren, in denen es Handlungsbedarf in Hinblick auf eine Verbesserung der Anlagen gibt. Der Endbericht der Studie steht unter www.raumluft.org zum Download bereit.

Bild 3: Anzahl der Gesamt VOC-Messwerte in Konzentrationsklassen zu je 250 g/m³, Wohn- und Schlafräume von Objekten mit Wohnraumlüftungsanlage (Anzahl: 122) und Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung (Anzahl: 122) zum ersten Messzeitpunkt.

Bild 4: Die VOC-Konzentrationen in den mechanisch belüfteten Objekten lagen beim Folgetermin in nur einem Fall über dem Grenzwert, in natürlich belüfteten Objekten bei 11 % der Messwerte.

Bild 5: Anzahl der CO2-Messwerte (maximaler gleitender Stundenmittelwert) in Konzentrationsklassen laut Akademie der Wissenschaften/BMLFUW (2011) bzw. ÖNORM EN 13779, Schlafräume von Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen (Anzahl: 62) und Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung (Anzahl 60) zum ersten Messzeitpunkt.

 

Allgemein angenommen führt eine bessere Belüftung von Räumen subjektiv meist zu einer besseren Einschätzung der Luftqualität sowie zur Reduktion von Beschwerden und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Doch trifft diese Aussage tatsächlich zu? Im Rahmen einer Studie wurde u. a. dieser Aussage nachgegangen und die Bewohnergesundheit sowie die Raumluftqualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern untersucht. Dazu wurde festgestellt, ob sich innenraumklimatische Faktoren und Schadstoffkonzentrationen sowie subjektive Einschätzungen von Wohlbefinden und Wohnzufriedenheit in zwei Gebäudetypen (mechanische Lüftung versus Fensterlüftung) unterscheiden.

Befragungen zeigen, dass knapp 80 % der Nutzer von Wohnraumlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ihre Anlagen als „gut“ bis „sehr gut“ einstuften [1]. Sie werden von Bewohnern vor allem mit Komfort, Ökologie und Gesundheit assoziiert. Dennoch existieren auch Unsicherheiten, Skepsis und ablehnendes Verhalten in Bezug auf derartige Anlagen.
Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der vom österreichischen Klima- und Energiefonds finanzierten Studie „Lüftung 3.0 – Bewohnergesundheit und Raumluftqualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern“ in den Jahren 2010 bis 2013 untersucht, ob sich innenraumklimatische Faktoren und Schadstoffkonzentrationen sowie subjektive Einschätzungen von Wohlbefinden und Wohnzufriedenheit in einem Gebäude mit mechanischer Lüftung gegenüber einem gleichartigen Gebäude mit Fensterlüftung unterscheiden.
Zusätzlich wurde im Zuge der Begehungen mittels Befragung die Zufriedenheit mit der installierten Lüftungsanlage erhoben. Abschließend wurde festgestellt, ob Zusammenhänge zwischen Luftschadstoffen und subjektiven Einschätzungen des Wohlbefindens bestehen und ob sich signifikante Einflüsse des Haustyps auf Veränderungen des Gesundheitsstatus nach einem Jahr zeigen.

Methodik und Studienablauf
In einer experimentellen Feldstudie wurden Bewohner in neu errichteten Wohnobjekten (60 Einheiten, etwa 70 % Einfamilienhäuser und 30% Wohnungen) mit mechanischer Lüftungsanlage als sogenannte Testgruppe der Studie unterzogen. Dem gegenüber wurden Bewohner von Wohnobjekten (60 Einheiten), die üblichen Baustandards entsprechen (ohne mechanisches Lüftungssystem), als Kontrollgruppe definiert.
Etwa die Hälfte der mechanisch belüfteten Wohnhäuser wurde im Passivhausstandard errichtet, alle anderen waren Niedrigstenergiehäuser. Die Frischluftzufuhr bei den natürlich belüfteten Wohnobjekten erfolgte ausnahmslos durch Fens­terlüftung. Die Objekte lagen in allen Bundesländern Österreichs mit Schwerpunkt Wien und Niederösterreich.
Der erste Ortstermin fand etwa drei Monate (+/- ein Monat) nach Bezug statt, der Folgetermin etwa ein Jahr nach dem Ersttermin. Bei beiden Terminen fanden Messungen von Innenraumluftverunreinigungen (VOC – flüchtige organische Verbindungen, Aldehyde, Schimmelpilzsporen, Hausstaubmilbenallergene, Radon) und innenraumklimatologischen Faktoren (CO2 als Lüftungsparameter, Luftfeuchte, Lufttemperatur) statt. Des Weiteren erfolgte eine umfassende Fragebogenerhebung mit Fragen zu medizinischen, wohnhygienischen und technischen Aspekten sowie zur Wohnzufriedenheit. In den mechanisch belüfteten Objekten wurden zusätzlich der tatsächliche Luftwechsel im Schlafraum und der durch die Lüftungsanlage erzeugte Schallpegel ermittelt.

Medizinische Fragestellungen und Wohnzufriedenheit
Während Bewohner von Gebäuden mit einer mechanischen Lüftung ihren eigenen Gesundheitszustand sowie den ihrer Kinder signifikant besser einschätzten, als die Kontrollgruppe in Gebäuden mit natürlicher Lüftung, litten die Erwachsenen der Testgruppe signifikant häufiger unter trockenen Augen als Erwachsene der Kontrollgruppe. Allerdings hat sich die Gesundheit der befragten Erwachsenen nach eigenen Angaben ein Jahr nach dem Einzug in ein Gebäude mit mechanischer Lüftung signifikant stärker verbessert als nach Einzug in ein Gebäude mit natürlicher Lüftung.
Bezüglich der Wohnzufriedenheit fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Test- und Kontrollgruppe; es kam allerdings im Laufe eines Jahres zwischen den beiden Messterminen zu einer Abnahme der Zufriedenheit mit der Lüftungsanlage. Die Luftfeuchtigkeit wurde von Befragten der Kontrollgruppe signifikant besser bewertet. In der Testgruppe verringerte sich die Zufriedenheit vor allem dann zwischen den beiden Messzeitpunkten, wenn die Luft als trockener empfunden wurde. Hinsichtlich der Geruchs- und Lärmsituation bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Die Detailauswertung der Fragebögen zur Wohnzufriedenheit ergab, dass das größte Problem bezüglich der Lüftungsanlage in der zu niedrig empfundenen Luftfeuchtigkeit in der kalten Jahreszeit gesehen wurde. Rund 33 % der Befragten in der Testgruppe gaben beim Ersttermin an, dahingehend Probleme zu haben, später beim Folgetermin (nach einem Winter) waren es 52 %.
Ein klares und eindeutiges Ergebnis wurde bei der subjektiv empfundenen Luftqualität erzielt. Die Raumluft wurde in Hinblick auf die positiven Wahrnehmungen „angenehm“, „sauber“ und „frisch“ bzw. in Hinblick auf die negativ konnotierten Wahrnehmungen „schal“, „muffig“ und „abgestanden“ in den mechanisch belüfteten Wohnobjekten signifikant (p < 0,05) besser beurteilt als in der Kontrollgruppe (Tabelle 1).

Messmethodik und ausgewählte Messergebnisse
Messplanung und Probennahmestrategie der Raumluftmessungen folgten in der Untersuchung den Vorgaben der EN ISO 16 000-1, den entsprechenden schadstoffspezifischen Regelwerken der ISO 16 000, VDI und ÖNORMen bzw. der österreichischen Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft. Nachstehend werden die Ergebnisse einiger ausgewählter Raumluftparameter dargestellt.

Flüchtige organische Verbindungen (VOC)
Die VOC-Konzentrationen in den mechanisch belüfteten Objekten waren im Mittel zu beiden Messterminen signifikant (p < 0,001) niedriger als in Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung. Bei beiden Haustypen wurden zum Ersttermin im Mittel hochsignifikant höhere Schadstoffkonzentrationen detektiert als bei der Folgemessung.
Der Median für den Summenparameter „Summe VOC“ bei den Erstmessungen lag in mechanisch belüfteten Objekten bei 300 µg/m³, in natürlich belüfteten bei 560 µg/m³. Der Anteil der Objekte mit erhöhten VOC-Werten (Summe VOC > 1000 µg/m³) in den Wohnräumen mechanisch belüfteter Häuser lag bei 19 %, in den Wohnräumen natürlich belüfteter Häuser bei 28 % (Bild 3).
Erwartungsgemäß gingen die Konzentrationen an VOC in beiden Haustypen im Zeitraum zwischen Erst- und Folgetermin deutlich zurück. Die prozentuelle Veränderung (Zu-/Abnahme der Konzentration) im Verlauf eines Jahres war dabei in beiden Gruppen ähnlich. Beim Folgetermin lag in den mechanisch belüfteten Objekten (Median 120 µg/m³) nur ein Messwert über 1000 µg/m³, in natürlich belüfteten Objekten (Median 230 µg/m³) 11 % der Messwerte.

Kohlenstoffdioxid (CO2)
Die CO2-Konzentration als Marker für anthropogene Verunreinigungen wurde in den Schlafräumen über einen Zeitraum von einer Woche bei geschlossener Schlafzimmertüre kontinuierlich gemessen.
Der Stundenmittelwert der CO2-Konzentration lag bei 80 % der natürlich belüfteten bzw. bei 45 % der mechanisch belüfteten Schlafzimmer zumindest zeitweise über dem hygienischen Mindeststandard von 1400 ppm („Niedrige Raumluftqualität“ laut EN 13 779). Die Mindestvorgaben der Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft [2] wurden in einem Großteil der Objekte nicht eingehalten. Der Median der CO2-Konzentration bei mechanisch belüfteten Objekten lag beim Ersttermin bei 1360 ppm, bei Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung bei 1830 ppm. Beim Folgetermin betrugen die Werte 1280 ppm bzw. 1740 ppm (Bild 5). Die Ursache für die erhöhten Werte gründen in den zu geringen Luftvolumina, die den Schlafräumen zugeführt wurden, dies betrifft auch die mechanisch belüfteten Objekte.

Weitere Parameter
Die Ergebnisse der Formaldehydmessungen zeigten deutliche Unterschiede zwischen den beiden Haustypen. Die Konzentrationen lagen jedoch mit wenigen Ausnahmen unter dem Richtwert von 0,10 mg/m³ der Weltgesundheitsorganisation bzw. der Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft [2]. Der Median der Formaldehydwerte in mechanisch belüfteten Wohnhäusern betrug beim Ersttermin 27 µg/m³, bei den Häusern mit ausschließlicher Fens­terlüftung 40 µg/m³. Die Formaldehyd-Werte in beiden Haustypen waren beim zweiten Messtermin signifikant niedriger als beim Ersttermin.
Der Median der Radon-Jahresmittelwerte der mechanisch belüfteten Objekte lag mit 17 Bq/m³ um etwa ein Drittel niedriger als in den natürlich belüfteten Vergleichsobjekten.

Diskussion der Ergebnisse und Folgerungen
Die Untersuchungsergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild. Einerseits zeigte sich, dass die Luftqualität in den mechanisch belüfteten Wohnobjekten im Schnitt sowohl messtechnisch als auch hinsichtlich der subjektiven Einschätzung der Bewohner deutlich besser war als in den Objekten ohne Lüftungsanlage. Dies kann auf die kontinuierliche Luftzuführung in den mechanisch belüfteten Objekten zurückgeführt werden. Die niedrigeren Radonwerte in den mechanisch belüfteten Wohnobjekten können vermutlich auch auf die dichte Gebäudehülle zurückgeführt werden.
Andererseits wurden bekannte Kritikpunkte, die mit dem Betrieb von Lüftungsanlagen assoziiert werden, wie zu geringe Luftfeuchte und „trockene Augen“ in der kalten Jahreszeit sowie – in Einzelfällen – Lärmbelästigungen, bestätigt. Aufgrund von falscher Planungen bzw. mangelnder Kontrollen bei den Inbetriebsetzungen der Lüftungsanlagen lagen zudem nur wenige Schlafräume in Hinblick auf die personenbezogenen Zuluftvolumina im optimalen Bereich.
Die Luftqualität in mechanisch belüfteten Wohnobjekten wurde subjektiv positiver wahrgenommen und war auch objektiv als signifikant besser zu bewerten. Dies und der (nicht signifikante) Trend zu weniger berichteten Beschwerden in der Testgruppe sprechen tendenziell für den breiteren Einsatz von Lüftungsanlagen. Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass als Voraussetzung für hohe Luftqualität moderne Anlagenkonzepte und hochwertige Komponenten anzusehen sind. Besonderes Augenmerk ist auf die im Zuge der Studie ermittelten Schwachpunkte in den Lüftungsanlagen zu legen.
Aus wohnmedizinischer Sicht wird dem Raumklimafaktor Luftfeuchtigkeit große Bedeutung beigemessen [3]. Es sollten daher weitere Anstrengungen unternommen und der Einsatz von Maßnahmen wie z. B. Kaskadensysteme, Feuchterückgewinnung, bedarfsorientierte Leistungsregelung sowie im Einzelfall auch aktive Befeuchtungsanlagen überlegt werden. In Bezug auf Schallemissionen ist anzustreben, dass der Schallpegel der Anlage praktisch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt und Körperschallübertragungen ausgeschlossen werden. Die in die jeweiligen Räume zugeführten Luftvolumina sind im Rahmen der Inbetriebsetzung zu kontrollieren und zu dokumentieren. Den Schlafräumen sind (am besten bedarfsgeregelt) Luftvolumina zuzuführen, die bewirken, dass der CO2-Pegel im Laufe der Nacht den Wert von 1000 ppm nicht maßgeblich überschreitet (etwa 20 bis 25 m³ pro Person und Stunde).
Der Endbericht der Studie steht unter www.raumluft.org zum Download bereit.

Literatur:
[1]    Greml, A., Blümel, E., Kapferer, R., Leitzinger, W.: Technischer Status von Wohnraumbelüftungsanlagen. Hrsg: BMVIT, Eigenverlag (2004)
[2]    Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW): Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft. Hrsg: BMLFUW, Akademie der Wissenschaften – Kommission Reinhaltung der Luft. Eigenverlag des BMLFUW (2011)
[3]    Pfluger, R., Feist, W., Tietjen, A., Neher, A.: Physiological impairment at low indoor air humidity. Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft (2013) 73, Nr. 3, S. 107-108

Autor: Peter Tappler, geschäftsführender Gesellschafter der IBO Innenraumanalytik OG, Leiter des „Arbeitskreises Innenraumluft“ am Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) sowie Mitglied der deutschen Innenraumluft-Hygienekommission


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IBO Innenraumanalytik

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