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Generation App

Es gibt keine Pelletkesselnutzer mehr, es gibt Kessel-User. Schreckt das? Die neuen digitalen Möglichkeiten sind für den Verbraucher nutzvoll und gewünscht. Und sie dienen der Pelletheiztechnik, sich im Markt weiter zu etablieren. Man muss also als Installateur auch darüber argumentieren können.

Die Pelletanlagen der Hersteller wie hier der PU (Leistungsbereich 7 bis 15 kW) von ETA bestechen durch ein modernes Design. Heutzutage sind bei Pelletfeuerungen Touch-Regelungen Standard. Die Hersteller wetteifern miteinander über immer neue Ideen und Verfeinerungen der Handhabung. Bild: Eta

Auch ein wichtiges Zukunftsthema: Heizkos­ten sparen. Die Apps helfen dabei, wie der automatische Energiesparmodus der neuen Ökofen-App. Sobald sich der Nutzer über den von ihm selbst definierten Abstand zu seinem Haus entfernt, erinnert ihn die App an die Aktivierung des Energiesparmodus. Dieser senkt die Raumtemperatur ab und hilft so Heizkosten zu sparen. Ermöglicht wird diese Funktion durch eine Vernetzung der Heizungsregelung mit dem Smartphone. Das neue Pelletronic Betriebssystem ist ab Sommer 2014 erhältlich. Es enthält beispielsweise auch eine Wetterfunktion, die die Kesselleistung aufgrund prognostizierter Wetterdaten vorab moduliert. Bild: Ökofen

Die Touch-Regelung im octoplus von Solarfocus. Die neue Wetterfrosch-Applikation soll insbesondere in der Kombination mit einer Solarthermieanlage den Pelletkessel führen: Aufgrund von Wetterprognosen, zum Beispiel, wenn Sonnenschein angekündigt ist, wird der Kessel zurückgefahren. Bild: Solarfocus

Datenabruf extern möglich und von überall: Die Steuerung des Kessels (Hintergrund) wird mit dem Internet verbunden, zum Beispiel über ein Netzwerkkabel oder WLAN. Damit gelten aber auch die üblichen Sicherheitsvorrichtungen des World-Wide-Web: Man muss sich mit seinen persönlichen Zugangsdaten in seinen eigenen Kessel einloggen. Experten halten das in der gesamten Entwicklung und für ihre Akzeptanz einen wichtigen Punkt: Dass die neuen Applikationen nicht nur tatsächlich sicher, sondern auch gefühlt sicher sind. Bild: ETA

Windhager hat eine sogenannte „native App“ mit einer völlig eigenständigen Bedienoberfläche geschaffen. Damit will sich der Kesselhersteller von seinen Mitbewerbern unterscheiden. Alle gewünschten Informationen werden in einer sehr einfachen, reduzierten Form dargestellt. So zeigt der Startscreen nur die wichtigsten Funktionen wie zum Beispiel den Comfort- und Eco-Mode sowie Einstellungen an. Zu den Funktionen zählen neben der Anzeige aktueller Heizzustände auch Zusatzinformationen wie der Zeitraum bis zur nächsten Reinigung oder Hinweise zur Brennstoffeinlagerung. Die kostenlose Anwendung steht ab Herbst 2014 in den App-Stores für Apple- und Android-Systeme zur Verfügung. Bild: Windhager

 

Updaten, Downloaden: Das Internet ist längst in Pelletkessel eingezogen. Heute kann man E-Mails checken, die einem die eigene Pelletanlage über WLAN sendet. Im Heizraum läuft die Bedienung des Kessels über ein Touchfeld, mit Wischen per Finger über die Oberfläche, um weiterzukommen im Menü wie beim Smartphone. „Damals wurden wir noch belächelt“, berichtet Ferdinand Tischler. Tischler ist Geschäftsführer des österreichischen Pelletanlagenherstellers ETA. „Wir waren einer der ersten, die ihre Pelletanlagen mit Touch-Regelungen ausrüsteten.“ Das war vor vier Jahren. Im Grunde genommen haben ETA und andere Hersteller eine Entwicklung aufgegriffen, die alle technischen Bereiche des Lebens längst durchdringt. Das Mobiltelefon entwickelte sich weiter zum Smartphone und die Automobilindustrie macht heute Werbung auffallend weniger mit dem Auto an sich, sondern mehr mit Multimedia im Pkw.
„Was mit der digitalen Umstellung geschieht ist im Grunde genommen eine andere technische Philosophie“, sagt Tischler: „Bei einer Voll-Touch-Regelung kann ich über die Software machen was ich will.“ Das eröffnet ganz andere technische Möglichkeiten. Man kann auch neuere Bestandskessel weiter entwickeln, in dem man sie updatet. Das analoge Zeitalter lebt noch in alten Bestandsanlagen, in Neuanlagen ist es passé. Vielmehr wird darüber gesprochen, was es noch weiter zu entwickeln gilt: „Die Touch-Bedienung muss noch intuitiver werden. Das Ziel ist, dass ein Handbuch überflüssig wird“, so Tischler. Der Benutzer soll bei einem Problem vom Kessel selbst ohne externe Anleitung geführt werden. Usability-Experten arbeiten daran, die Touch-Regelungen der Kessel weiter zu optimieren. Macht das den Installateur am Ende überflüssig?

Internet statt Installateur?

Die Überwachung zentraler Daten und die Steuerung des eigenen Pelletkessels übers Internet oder per App mit einem Smartphone sind mittlerweile bei allen renommierten Anlagenherstellern der Pelletbranche Standard und ohne Aufpreis erhältlich. Die kostenlose Kommunikations-Plattform via Internet von ETA („mein­ETA“) erinnert beispielsweise per E-Mail an die Entleerung des Aschebehälters oder über den aktuellen Stand des Pelletvorrats im Lager. Der Kessel wird über die Touch-Regelung mit dem Internet verbunden, beispielsweise mit einem Netzwerkkabel oder über WLAN. Plötzlich gibt es für Heizanlagen Passwörter. Vor zehn Jahren noch wäre man vermutlich für nicht ganz dicht erklärt worden, wenn man erzählt hätte, dass man sich mit einem Passwort in seinen Pelletkessel einloggen muss.
Die Daten können über die Internetverkabelung vom Heizungsbesitzer an jedem Ort eingesehen werden. Der Kessel kommuniziert mit seinem Besitzer, und – das ist ja ein erklärtes Ziel – soll ihn bei auftretenden Problemen hin zur Problemlösung navigieren. Doch den Installateur ersetzen wird die Kesselintelligenz nicht, selbst wenn sie weiter wächst. Stattdessen macht sie die Arbeit nur effizienter und zielgerichteter, indem sie wichtige Informationen über das Innenleben im Kessel liefert.
Tischler sagt, was wahrscheinlich auch für alle Mitbewerber gilt: „Bei uns gibt es zwei Oberflächen: Nutzer und Experten. Der Experte sieht auf seiner Ebene dann Kesseldaten, die den Benutzer nicht interessieren.“ Die Aufzeichnungen des Kessels helfen dem Installateur, eine treffende Diagnose im Störfall zu ermitteln, weil er auf die aufgezeichneten Kesseldaten zugreifen kann, wie auf einen Flugschreiber, und er dementsprechend analysieren und wirken kann.

Smarter Wettbewerb

Sicher dient das smarte Aufrüsten der Pelletanlagen auf eine neue Weise der steten Aufgabe der Hersteller, die Biomassefeuerungen als technisch vollwertige Systemalternative zu Feuerungen auf Basis von Heizöl oder Erdgas immer wieder zu beschreiben und zu erhärten. „Nur wenn sich Biomasseheizungen auch hier im Spitzenfeld der möglichen Technologien bewegen, kann der Vorteil der Erneuerbaren Energie­nutzung dauerhaft attraktiv gehalten werden“, sagt Günther Huemer, Geschäftsleiter bei Guntamatic. Guntamatic stellte bereits vor rund 5 Jahren alle Geräte auf die Touch-Oberflächenbedienung um. Zum zweiten dient es sicher auch dem Ziel, das eigene Produkt beim Kunden zu bewerben.
Und die Anlagenhersteller liefern sich einen regelrechten Wettbewerb über immer ausgeklügeltere sowie neue Optionen. Auf der Energiesparmesse im österreichischen Wels stellte der Pelletanlagenhersteller Solarfocus Ende Februar seine neue Touch-Regelung vor, die auf Wetterdaten eines Wetterservers zugreift. „Die neue Wetterfrosch-Funktion kommuniziert dem Kessel, wann er heizen muss oder wann er es bleiben lassen kann“, sagt Solarfocus-Entwicklungsleiter Joachim Kalkgruber. Eine nicht so einfache Aufgabe: „Bei der Wetterfrosch-Funktion geht es vor allem darum, die Wetterdaten für die kommenden Stunden beziehungsweise für den nächsten Tag zu kennen, um so einen unwirtschaftlichen Start des Pelletkessels zu vermeiden. Um jedoch ein Speichermanagement für mehrere Tage realisieren zu können, muss man vor allem die Speicher-Charakteristik des jeweiligen Heizsystems sehr genau kennen“, sagt Kalkgruber. Der Wetterfrosch soll vor allen Dingen erkennen, wann der Pelletkessel bei Kombination mit einer Solaranlage ruhen soll, weil aufgrund der Wetterdaten Ertrag aus der Solaranlage zu erwarten ist. Den Wetter-Weg geht auch Ökofen. Das neue Pelletronic Betriebssystem des österreichischen Anlagenherstellers soll mit einer Wetterdaten-Zusatzfunktion ab Sommer erhältlich sein. Solarfocus will seine Software auch ab Sommer den Kunden zur Verfügung stellen.
Anlagenhersteller Windhager hat eine erst auf den zweiten Blick neuartige Regelungs-App entwickelt. Sie ermöglicht dem Hausbesitzer laut Windhager den Zugriff auf den Kessel von überall per Smartphone oder PC. „Neuartig deswegen, da es sich dabei nicht um eine webbasierte Lösung handelt, sondern erstmals um eine sogenannte ‚native App’. Diese wird direkt am Endgerät, also am Tablet oder Handy, installiert und kann daher losgelöst von der Kessel-Bedieneinheit eigenständig gestaltet und programmiert werden“, sagt Johann Standl, Leiter Produktmanagement bei Windhager.
Windhager wie andere Hersteller auch orientieren sich bei der Entwicklung der Touch-Panels an der Bedienung von Smartphones: „Der Handy-User kann intuitiv mittels vertrauter Touch- und Wischbewegungen durch das System-Menü navigieren“, erläutert Standl.

Kunden wollen Smart

ETA-Geschäftsführer Ferdinand Tischler schätzt die Akzeptanz der neuen Möglichkeiten derzeit so ein: „Der Großteil der Endverbraucher will es vorrangig mal machen.“ Aber es gebe auch bereits Anwendungen, wo die Betriebsoptimierung des Kessels via IT voll genutzt werde, zum Beispiel im Contracting, sagt Tischler. Johann Standl glaubt, dass sich die Digitalisierung der Kessel beim Kunden durchsetzen wird, weil diese deren Vorzüge mehr und mehr erkennen: „Klassische Heizungsregelungen sind in ihrer Funktionalität und Bedienung oft komplex. Vor allem weniger technik-affine Heizungsbetreiber kommen damit schwer zurecht.“
Die Digitalisierung könnte also möglicherweise gerade die Kunden abholen, die sich Veränderungen eher verschließen: ältere Menschen. Die Vereinfachung der Bedienung des Kessels könnte gerade für sie eine Hilfe sein. Eine parallele Entwicklung: Auch die Älteren werden mehr und mehr web-affin. Von den jungen Kunden wird sie nahezu fast schon gefordert: „Der Trend geht hier eindeutig in Richtung intelligente Steuer-Zentralen für die gesamte Gebäudetechnik im Sinne eines ‚Smart Home’“, sagt Johann Standl.
Huemer glaubt, dass es kaum Kunden geben wird, die diese Applikationen ablehnen werden und Feuerungen ohne Touch-Screen, Internet, Wlan oder Apps verlangen würden. „Unsere Steuerungen sind für jeden Kunden Voll-Lösungen. Durch die extrem einfache Bedienung spürt er aber wenig von Technologieüberfrachtung.“

Chancen, Aussichten und Grenzen

Dem müssen sich auch die Installateure stellen. Sie haben im Kundengespräch entweder selbst die neuen Vorzüge zu schildern oder den Vorinformierten, die ihre Infos aus dem Netz zogen, Rede und Antwort stehen. Hier sieht Tischler auch unter den Installateuren einen Generationenkonflikt: Die alten sind skeptisch, die jungen offen. Sich mit der neuen Technologie auseinanderzusetzen bedeutet aber auch für sie und ihre tägliche Arbeit ein Plus. Zum Beispiel bei der Fehleranalyse. Die modernen Kesselcomputer zeichnen jeden Zustand auf. Günther Huemer von Guntamatic ist überzeugt, dass sich die schon länger verfügbaren Möglichkeiten der Fernwartung in der Praxis durchsetzen und von den Kunden mehr und mehr angenommen werden. „Früher oder später werden Kunden die Vorteile wie Überwachung, Fernwartung, automatische Störungsbehebung und Anlagenoptimierung über Netzwerklösungen stärker schätzen.“ Das Nadelöhr, durch das die Branche gehen muss ist, den Kunden das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln – nun auf einem neuen Weg: „Es braucht allgemein noch mehr Vertrauen, dass über das Internet auch lebensnotwendige Grundsicherheiten geschützt eingehalten werden können“, resümiert Huemer.
Doch was ist an sich sinnvoll an Apps, IT-Funktionen und Smart-Intelligenz und was nicht mehr? Generell davon abzuraten ist jedenfalls post. Nicht nur, weil Entwicklungen nicht aufzuhalten sind durch Verweigerung sondern auch, weil die neue Intelligenz viele Stärken und Möglichkeiten bietet, die es bis dato noch nicht gab. Die Kunden-Generation App verlangt außerdem zunehmend nach ihr wie eine Selbstverständlichkeit. Selbst beim Heizungskessel. Dennoch gibt es auch Grenzen. Doch die Pelletanlagen-Branche hat dieselbe Lernkurve zu durchlaufen wie jedes andere Unternehmen, das auf die grenzenlose Welt der Digitalisierung setzt. 200.000 neue Apps kann kein Mensch in einem Leben bewältigen.

Autor: Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energie, Schwerpunkt Biomasse

 


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