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Smarter Industriestandort

Der neue „Wilo-Campus 2020“ in Dortmund – ein Zukunftsprojekt, das eine Blaupause sein könnte

Das Dortmunder Technologieunternehmen Wilo möchte ein Beispiel dafür liefern, wie neben den Entwicklungen des Produktionsstandards auch die Energieversorgung und -verteilung smarter umgesetzt werden kann. An dem fast 150 Jahre alten Standort in Dortmund wird der Stammsitz auf über 190000 m² komplett neu strukturiert und aufgebaut.

Die Wärme- und Kälteversorgung des „Wilo-Campus 2020“ ist eng vernetzt. Dabei nimmt ein Energiemanagement, das eng mit Gebäudeleittechnik der unterschiedlichen Gebäude verzahnt ist, eine der Hauptaufgaben wahr und definiert in digitaler Zusammenarbeit mit der zentralen Energieversorgung die Anforderungen an die Wärme- und Kältebereitstellung auf dem Campus.

Stephan Fussbach, Wilo SE Group Director Building Services & Energy Management.

 

Smart Factory, Industrie 4.0. – das sind die Themen, mit denen sich das produzierende Gewerbe in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen wird bzw. muss, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Leistungsfähige und digitale Prozesse, intelligente Produktionsabläufe, vernetzte Warenströme und eine in Gänze nahezu selbststeuernde Produktion, die gezielt auf die Anforderungen des Managements bis hin zum Kunden eingeht, werden den Produktionsstandard von gestern ablösen.

Um diesem zukunftsweisenden Industrialisierungsstandard bereits heute umfänglich gerecht zu werden, ist es erforderlich, neben dem eigentlichen Produktionsablauf und den digital organisierten Warenströmen auch die Energieströme auf Produktions- und Standortebene smarter zu machen. Konkret bedeutet das: Energiemanagementsysteme, die Energieströme und Abwärmepotenziale aus der Produktion verwalten, aufbereiten und vernetzen, werden unverzichtbar.
Ansätze, Gewerbegebiete zu schaffen, die durch gemeinsame Energiekonzepte Energieverbräuche der einzelnen Unternehmen zum Beispiel durch Nutzung von Abwärme senken, gibt es bereits. Durch eine unternehmensübergreifende Vernetzung und Kooperation innerhalb eines Gewerbe- oder Industriegebiets können Synergien erreicht und die Ressourceneffizienz gesteigert werden.

Vernetzung und Synergien als Prinzip
Das Dortmunder Technologieunternehmen Wilo möchte ein Beispiel dafür liefern, wie neben den Entwicklungen des Produktionsstandards auch die Energieversorgung und -verteilung smarter umgesetzt werden kann. An dem fast 150 Jahre alten Standort in Dortmund wird der Stammsitz auf über 190 000 m² komplett neu strukturiert und aufgebaut. Ziel ist unter anderem die effiziente Zusammenführung sämtlicher Verwaltungs- und Produktionsbereiche, die bislang an unterschiedlichen Standorten verstreut waren. Am Standort Nortkirchenstraße in Dortmund-Hörde wird dabei auf einer Fläche von rund 50 000 m² eine komplett neue „Smart Factory“ entstehen, die wiederum in den „Wilo-Campus 2020“, mit Gebäuden für die Verwaltung sowie Bereichen für Forschung und Entwicklung, eingebettet ist.
Auf der Basis digitalisierter Prozesse wird die „Smart Factory“ den Rahmen für effizientere Abläufe in der Lieferkette, Produktion und Logistik liefern. Ziel ist jedoch nicht nur, den Fertigungsbereich zu optimieren und zukunftsfähig aufzustellen. Die „Factory“ ist Teil einer ganzheitlichen Planung, die sämtliche Liegenschaften des neuen Standorts in ein übergeordnetes, gemeinsames Energiemanagement einbezieht, um einen effizienteren Energie- und Ressourcenverbrauch auf dem gesamten Areal zu erreichen.

Von der Smart Factory zum Smart Campus
Dem „Campus 2020“ liegt eine Planung zugrunde, die penibel die Energieflüsse und -verbräuche der einzelnen Liegenschaften sowie Nutzungs- und Produktionsbereiche identifiziert und die daraus resultierenden Synergieeffekte in ein ganzheitliches Energiekonzept übertragen hat. Neben der Hauptaufgabe, die Produktionsabläufe und Logistik von morgen in ein flexibles und richtungsweisendes Gebäude zu integrieren, bestand die Aufgabe darin, dem Industrialisierungsgrad 4.0 aus Sicht der technischen Versorgung gerecht zu werden. Dabei standen bei der Planung des Wilo-Campus eine Vielzahl von Fragen im Raum:

  • Wie lässt sich eine ausfallsichere und gleichfalls flexible Energieversorgung für die Factory herstellen?    
  • Welche Innovationen sind am Standort und unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Produktion umsetzbar?
  • Inwieweit lassen sich die einzelnen Gebäude auf dem zukünftigen Wilo-Campus 2020 miteinander vernetzten?
  • Welche Synergien zwischen Produktion und Verwaltungsbereichen sind vorhanden und können sinnvoll genutzt werden?


Um die Umsetzbarkeit einer energetischen Optimierung zu prüfen, wurde die Erstellung eines Energiekonzeptes notwendig. Dieses Konzept ist im Rahmen der Vorplanung an die sich verschiebenden Parameter aus der Produktions- und Gebäudeplanung immer wieder angepasst worden. Dies war notwendig, um eine klare Vorstellung der nutzbaren Wärmeströme zu bekommen. Daher wurden folgende Schritte in den frühen Leistungsphasen durchlaufen:

  1. In einem ersten Schritt wurden die Ener­gieverbräuche der bestehenden Liegenschaften ermittelt – wann wird wo welche Energie benötigt?
  2. Diese Erkenntnisse wurden dann in Phase zwei in Form einer gebäude­übergreifenden Gebäude- und Anlagensimulation auf den geplanten Campus übertragen, um so neben dem tatsächlichen Bedarf die möglichen Synergieeffekte zu eruieren.
  3. Auf dieser Basis entstanden in einem dritten Schritt unterschiedliche Ener­giekonzepte für den „Wilo-Campus 2020“, die entsprechend ihrer Umsetzungsfähigkeiten bewertet werden konnten.
  4. Schlussendlich wurde anhand ökologischer und ökonomischer Betrachtungen das optimale Energiekonzept verabschiedet.


Das Energiekonzept greift die Ansprüche des Unternehmens auf und vernetzt diese konzeptionell anhand standortbezogener Versorgungsstrukturen. Dabei konnten mögliche Innovationen am Standort mit der gleichzeitigen Nutzung ohnehin erforderlicher Anlagentechniken verknüpft werden, sodass sich Synergien bereits in der Planungsphase berücksichtigen ließen. Unter anderem konnten nachstehende innovative Ansätze in die Planung sinnvoll integriert werden:

  • Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung,
  • Photovoltaikanlagen (u.a. zur Nutzung der E-Mobility),
  • Vernetzte Wärme- und Kälteversorgung auf dem gesamten Campus,
  • Freie Kühlung über Hybridkühler,
  • Adiabate Abluftbefeuchtung zur Reduzierung klassischer Kälteerzeugung,
  • Nutzung eines Sprinklertanks (1200 m³) als Kältepuffer,
  • Wärmerückgewinnung Produktions- und technischer Anlagen (zum Beispiel Druckluftanlagen),
  • Regenwassernutzung zur WC-Spülung und Gartenbewässerung,
  • Gründach als Rückstaumöglichkeit von Regenwasser zur Entlastung der öffentlichen Kanalisation.

Maximaler Effekt durch generalplanerischen Ansatz
Der Grundgedanke der generalplanerischen Projektabwicklung sorgte dafür, dass alle Bedürfnisse und Anforderungen in puncto Energie- und Ressourcenverbrauch berücksichtig werden konnten. Energieflüsse über einzelne Gebäude hinaus wurden analysiert und in die Konzeptfindung und für einen wirtschaftlichen Betrieb herangezogen. Durch diese ganzheitliche Betrachtung konnte das maximale Ener­giesparpotenzial herausgearbeitet werden. Wichtig wird sein, diese Vorarbeit nach Inbetriebnahme der Liegenschaften durch ein Monitoring zu überprüfen und – wo notwendig – zu optimieren, um die prognostizierten Werte zu erreichen, oder gar zu unterschreiten.

Autoren: Andreas Heuer, technischer Projektleiter AGN,
Stephan Fussbach; Wilo SE Group
Director Building Services & Energy Management


www.wilo.de

 

 

Nachgefragt
IKZ-FACHPLANER: Die effiziente Zusammenführung sämtlicher Verwaltungs- und Produktionsbereiche an einen Standort ist schon ein gewaltiges Unterfangen. Dass nun auch Energieströme und Produktionsoptimierungen mit in das Konzept einfließen, erscheint geradezu als Mammutaufgabe. Wie groß ist der Planerstab für das Projekt? Und wie die Vorgehensweise?
Stephan Fussbach: Mit agn beschäftigt Wilo einen Generalplaner, der im eigenen Hause über die notwendigen Ressourcen verfügt. Die Kompetenzen sind dort vorhanden und werden dem Planungsaufwand angepasst eingesetzt. Auf diese Weise ist es möglich, im Planungsprozess flexibel und gewerkübergreifend zu planen und zu abgeschlossenen Lösungen zu gelangen. Die Konzipierung der Energieverteilung auf dem Campus hat ca. ein Jahr in Anspruch genommen und ist zwischen den Beteilig­ten in mehreren Abstimmungsrunden und jeweils separaten Simulationen präzisiert worden. Zwischenzeitlich waren bis zu 25 Personen an der Bearbeitung der verschiedenen Konzeptionsphasen beschäftigt.

IKZ-FACHPLANER: Welchen Stellenwert spielt BIM bei komplexen Projekten dieser Art?
Stephan Fussbach: Wir setzen BIM für die Planung des neuen Office-Gebäudes ein. Für die Factory verzichten wir auf den Einsatz von BIM, da sich hier eine geringere Komplexität der Planung des Gebäudes in Verbindung mit der Produktion darstellt. Auf der planerischen Ebene bietet die BIM-Methode Vorteile bei der Schnittstellenkoordinierung der einzelnen Fachplaner. Kollisionsprüfungen können anhand von überlagerten 3D-Modellen – Architektur, TGA, Tragwerk – automatisch und schneller durchgeführt werden. Gleichzeitig werden durch das Arbeiten in einem gemeinsamen Modell Datenkonvertierungsprozesse reduziert und die Kommunikation dadurch auf die wesentlichen Abstimmungsinhalte fokussiert.
Darüber hinaus können durch die dreidimensionale Darstellungsform Missverständnisse zwischen Bauherren und Planer frühzeitig vermieden werden, weil über die räumliche Darstellungsform anschaulicher ein gemeinsames Verständnis über die definierten Planungsziele erzielt werden kann. Der Nutzer kann anhand einer digitalen Simulation des Gebäudes sehen, was ihm später tatsächlich übergeben wird.

IKZ-FACHPLANER:
Sind damit langfristig nicht auch Erleichterungen und Effizienzsteigerungen beim Betrieb des späteren Gebäudes zu realisieren?
Stephan Fussbach: Durchaus. Durch Berechnungssimulationen können Anlagen optimiert und unterschiedliche Nutzungsszenarien überprüft und verifiziert werden. Zusätzlich können durch BIM im Zuge des generellen, fortschreitenden Digitalisierungsprozesses in der Gesellschaft zahlreiche Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten in Aussicht gestellt werden. Zu nennen sind hier Verknüpfung mit Smart-Home-Anwendungen, 3D-Brillen etc.

IKZ-FACHPLANER: Die Ausfallsicherheit von Anlagen und Anlagenteilen spielt gerade im Produktionsbereich eine große Rolle. Die Vernetzung und Verschiebung von Energieströmen birgt zwar Effizienzpotenziale, aber immer auch Abhängigkeiten und somit Risiken. Wie minimieren Sie diese? Oder werden die Gebäude an sich auch weiterhin autark zu betreiben sein?
Stephan Fussbach: Die Autarkie einzelner Gebäude ist der Effizienz und der Vernetzung geopfert worden. Das Gebäude der Fabrik verfügt über mehrere Kesselanlagen und ein BHKW zur Deckung der erforderlichen Heizlasten. Weiterhin sind in den Lüftungsanlagen und der Druckluftversorgung Wärmerückgewinnungseinrichtungen vorgesehen, sodass eine ausreichende Redundanz der Wärmeversorgung gegeben ist. Ähnlich stellt sich die Kälteversorgung dar. Hier korrespondieren die direkt verdampfenden Kältemaschinen mit dem über das BHKW beheizten Absorber. Die übergeordnete GLT und das, bereits in der Konzeption geplante, Instandhaltungsmanagement stellen darüber hinaus einen störungsunanfälligen Betrieb sicher.

IKZ-FACHPLANER: Es ist keine neue Erkenntnis, dass zwischen Planung und Fertigstellung bei derartigen Projekten einige Jahre ins Land gehen. Angesichts der rasanten Entwicklung in der Digitalisierung dürften die daraus resultierenden Veränderungen großen Einfluss auf die Effizienz im späteren Produktionsprozess haben. Wie gehen Sie diese Herausforderung heute an – auch ein stückweit mit Unterstützung von BIM? Oder gibt es andere Instrumente dafür? Früher gab es dazu den Begriff „baubegleitende Planung“.
Stephan Fussbach: Die Planung basierte auf einem abgestimmten Nutzerbedarfsprogramm, welches mit den verschiedenen Produktionsabteilungen erstellt wurde. Parallel zu den Planungen der neuen Produktionsstätte wurden im Jahr 2015 Leichtbauhallen in Betrieb genommen, um neue Fertigungsprozesse zu testen und die gewonnenen Erkenntnisse in die Planung der neuen Fabrik einfließen zu lassen. Die neuen Hallenbauten werden seitens der Haustechnik derart ausgestattet, dass eine Umnutzung der Flächen möglich ist. Die von Wilo genutzten Produktionsmittel sind nicht mit dem Gebäude verbunden. Damit ergibt sich die Möglichkeit, sich unter einem definierten Installationshorizont frei zu bewegen. Dieses Vorgehen machte den Einsatz von BIM für eine kombinierte Produktions- und Gebäudeplanung nicht notwendig.

 


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