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Möglichkeiten der energetischen Sanierung

Berichte aus der Praxis

Das Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Heinsberg war bislang einzigartig, weil es das erste nach „EnerPHit“ energetisch sanierte Bestandsgebäude mit einer Innendämmung war.

Das Lüftungsgerät steht in einem unbeheizten Bereich, dennoch schafft die Gegenstrom-Wärmeübertragereinheit einen Wärmebereitstellungsgrad von 75,3 %.

Lediglich punktuell wurde die Dämmfähigkeit des Gebäudes verbessert.

Mit dem Aufbau des neuen Bodens wurde ebenfalls eine Fußbodenheizung installiert. Diese sorgt im Zusammenspiel mit der höheren Luftdichtigkeit für einen erhöhten Komfort.

Der Dachbereich des Baus aus dem 16. Jahrhundert wurde mit einer zweiten Dämmebene unterhalb der Sparren versehen und die Luftdichtigkeit des Objekts im Ganzen erhöht.

 

Das Verbrauchsgut Energie entwickelt sich allmählich zu einem Luxusartikel. Tendenziell steigende Öl- und Gaspreise zwingen den Blick auf Alternativen. Die Erschließung neuer Energiequellen können allerdings die gegenwärtigen Energie- und Klimaprobleme auf Dauer (noch) nicht lösen. Längst ist also die Zeit zum Umdenken gekommen, Umdenken im Alltag, Umdenken im Verbrauchen, Umdenken im Bauen.

Klima- und umweltgerechtes Bauen heißt in erster Linie, den CO2-Ausstoß dras­tisch zu reduzieren. Ein weiterer wahlloser Energieverbrauch wird zunehmend zur weltweiten Verschlechterung der Lebensbedingungen beitragen. Daher muss das Ziel heißen „Energie sparen“ – und zwar wo es nur geht.
Die energetischen Anforderungen an Neubauten sind im Vergleich zu anderen Staaten in Deutschland schon sehr hoch. Wenn man allerdings bedenkt, dass 85 % des Gebäudebestandes in Deutschland vor 1982 erbaut worden sind und diese Gebäude ca. 92 % der gesamten in Gebäude eingebrachten Energie verbrauchen, dann bedarf es keiner Überlegung, wo im Gebäudebereich das größte Einsparpotenzial steckt. Nämlich in der energetischen Sanierung unseres Altbaubestandes.
Der Passivhausstandard ist längst der weltweit anerkannt höchste Standard im energiesparenden Bauen. Ein Heizwärmebedarf von 15 kWh/m² · a, wie er für den (Neubau-) Passivhausstandard gilt, ist im Rahmen einer Altbausanierung aber kaum realisierbar. Daher wurde speziell für diesen Zweck der „EnerPHit“-Standard eingeführt, der in den Bewertungskriterien unter Verwendung von Passivhauskomponenten den „Passivhausstandard für Altbauten“ festschreibt.

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt was möglich ist
Die evangelische Kirchengemeinde Heinsberg hatte sich diesen Standard zum Ziel gesetzt: Das Kirchengebäude und das Pfarrhaus sollte energetisch optimiert und gleichzeitig der Energieverbrauch weitestgehend durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. Das Projekt war bislang einzigartig, weil es das erste nach „EnerPHit“ energetisch sanierte Bestandsgebäude mit einer Innendämmung war.
Der Energieverbrauchswert für die Chris­tuskirche lag in den Jahren 2006 bis 2009 im Mittel bei 183 kWh/m² · a Nettogeschossfläche. Unter Berücksichtigung der speziellen, bislang nur stundenweisen Nutzung der Kirche liegt der Energiebedarf weit über dem üblicher sanierter Bestandsgebäude. Beheizt wurde sie mit zwischenzeitlich schon auf Erdgasbetrieb umgestellten Einzelöfen, platziert jeweils in den Fensternischen der Südwand der Kirche. Durch die Dämmung der Bauteile nach Passivhausstandard (es wurden U-Werte bis 0,089 W/m² · K für den Anbau und bis zu 0,35-0,158 W/m² · K für den Bestand erreicht) und die Ertüchtigung der Luftdichtigkeit auf einen maximalen Grenzwert von n50 ≤ 1,0 h-1 konnte der Heizwärmebedarf um mehr als 80 % verringert werden. Wenn man bedenkt, dass die Kirche mit Mehrzweckraum und Pfarrhaus auch die Funktionen der ehemaligen „Arche“ (Gemeindehaus der evangelischen Gemeinde) mit übernommen hat und darüber hinaus zusätzlich die evangelische Kirche in Heinsberg-Oberbruch ersetzen wird, wird deutlich, was die Reduzierung des Heizenergiebedarfs an absoluter Energieeinsparung gegenüber dem unsanierten Zustand bedeutet.

Für Luftaustausch sorgen
Durch die Sanierung der Gebäudehülle war zwingend eine mechanische Belüftung erforderlich. Diese ist bei Eingriffen in die Gebäudesubstanz in den allermeisten Fällen notwendig und wird leider viel zu häufig vernachlässigt. Die Belüftung des Gebäudekomplexes erfolgt über ein zentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung, dessen Leistung bei 4300 m³/h liegt. Bei Vollbelegung mit bis zu 200 Personen steht somit eine Luftmenge von 21,5 m³/h pro Person zur Verfügung.
Das Lüftungsgerät steht in einem unbeheizten Bereich. Der effektive Wärmebereitstellungsgrad der Gegenstrom-Wärmeübertragereinheit liegt dennoch bei 75,3 %. Die Restwärme wird über eine Fußbodenheizung bereitgestellt, deren Wärme von einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit einer Leistung von 17,2 kW erzeugt wird. Ihr Stromverbrauch wird von einer 14-kWp-Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Kirche gedeckt. Da das Dach ohnehin neu gedeckt werden musste, war es ökonomisch sinnvoll, eine dachflächenintegrierte PV-Anlage gleich mit zu installieren.
Die PV-Anlage ist in der Lage, ca. 14 000 kWh „grünen Strom“ im Jahr zu liefern. Der Gesamtenergiebedarf des Gebäudes, einschließlich der elektrischen Verbraucher (Licht etc.) liegt gemäß PHPP (Passivhausprojektierungspaket, Software zur Energiebilanzierung) bei 10 000 kWh/Jahr, sodass ein echtes ‚Plusenergiehaus‘ auf der Basis eines „Passivhauses im Bestand“ (EnerPHit) entstand.

Nicht jedes Objekt kann optimal saniert werden
Die Sanierung von Hausfassade und Anlagenkomponenten kann im Regelfall gut umgesetzt werden – gesetzt den Fall, Planung und Installation greifen Hand in Hand. Doch es gibt auch Ausnahmen, die zur Blockade eines Vorhabens führen können. Speziell, wenn es sich um die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes handelt. Praktisches Beispiel dafür ist ein Bau aus dem 16. Jahrhundert. In ihm zeigten sich vor allem in einem größeren, selten genutzten und häufig unbeheizten Raum tauwasserbedingte Feuchtigkeitsschäden. Außerdem machten sich Baumängel wie zum Teil schimmelnde Fensterleibungen, Fußkälte, Zuglufterscheinungen in Fenster- und Türnähe bemerkbar. Bei einer anstehenden Sanierung, ausgelöst durch sich verändernde Wohngewohnheiten, sollte auch der energetische Standard des Denkmals verbessert werden. Ausgehend von einem bestehenden Endenergiebedarf von 138 kWh/(m² · a) wurde getestet, wie nah man dem Ziel „EnerPHit“ – dem „Passivhausstandard für Altbauten“ – kommen konnte. Neben Wärmedämmmaßnahmen und einer Verbesserung der Luftdichtigkeit sollte ein neues Haustechnikkonzept für Lüftung und auch Kühlung sorgen.
Um den erforderlichen U-Wert für die Außenwände zu schaffen, hätte die ökologische Dämmkonstruktion einer früheren Sanierung in Verbindung mit den Lehmziegeln wieder rückgebaut werden müssen. Eine wirtschaftlich und ökologisch höchst unbefriedigende Lösung. Außerdem sollte nicht auf die bauphysikalischen Vorteile (Feuchteregulierung, angenehmes, gesundes Raumklima) der Lehmkonstruktion verzichtet werden. Als bauphysikalisch vertretbarer Lösungsansatz blieb unter vielen eine 10 cm starke Zellulosedämmung, die aber nicht den geforderten U-Wert brachte. Es wurde also im Allgemeinen auf eine Ertüchtigung der Dämmfähigkeit der Außenwand verzichtet, lediglich in Teilbereichen – zum Keller und im Bereich der Treppenhausaußenwand – wurde eine neue Hochleistungsdämmung (auch zu Forschungszwecken) angebracht. Ebenfalls wurde der Dachbereich mit einer zweiten Dämmebene unterhalb der Sparren versehen und die Luftdichtigkeit des Objekts im Ganzen erhöht.

Senkung des Primärenergiebedarfs
Neben der Bauteilverbesserung hatte die Senkung des Primärenergiebedarfs oberste Priorität. Das Konzept basierte zunächst auf der Eisspeichertechnologie. Es sah vor, die vorhandene Gasbrennwerttherme durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit einem Eisspeicher und unterstützenden Solarabsorbern zu ersetzen. Eine Photovoltaikanlage sollte den notwendigen Rest-Strom zur Verfügung stellen. Damit hätte sich der Primärenergiebedarf des Hauses auf 45 kWh/(m² · a) und der Jahresendenergiebedarf auf
17 kWh/(m² · a) senken lassen und zwar ohne zusätzliche Außenwanddämmung und mit bestehenden Fenstern.
Auch wenn der Einbau des ursprünglich vorgesehenen unterirdischen Eisspeichers aufgrund der beengten Grundstücks- und Anfahrsituation nicht ganz einfach gewesen wäre, hätte eine Installation realisiert werden können. Doch die örtliche Denkmalbehörde machte einen Strich durch die Rechnung. Für sie galt nämlich die restriktive Haltung, grundsätzlich keine PV- und Solaranlagen im Altstadtbereich zuzulassen.
Was damit vom Konzept blieb, ist der Einsatz einer Lüftungsanlage mit kontrollierter Wärmerückgewinnung. Der alte Brennwertkessel stellt weiterhin die Heizenergie zur Verfügung, mit der jetzt mit Aufbau des neuen Bodens eine Fußbodenheizung versorgt und die Warmwasserbereitung sichergestellt wird. Dies sorgt im Zusammenspiel mit der höheren Luftdichtigkeit und den damit beseitigten Zug­erscheinungen schon für einen erhöhten Komfort.
Die restriktive Haltung der Denkmalpflege hat jedoch dazu geführt, dass leider die Chance vertan wurde, aufzuzeigen, wie ein Denkmal energetisch optimiert werden kann, ohne sein äußeres Erscheinungsbild oder den konstruktiven Gebäudeaufbau auch nur im Geringsten zu verändern. Auch die Denkmalpfleger sind aufgefordert, sich zukunftsfähigen Lösungen für die wirtschaftlich sinnvolle und energetisch wirksame Sanierung des Gebäudebestandes zu öffnen.

Autor: Prof. Dipl.-Ing. Ludwig Rongen, Architekt und Stadtplaner BDA; Zertifizierter Passivhausplaner; Passivhaus-Zertifizierer

Bilder: RoA  Rongen Architekten GmbH

 


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