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Marokko – ein Land auf dem Weg in die energetische Zukunft - Impressionen einer Rundreise

Beim Nennen des Namens „Marokko“ wird bei vielen wohl die Erinnerung an süße Datteln, saftige Orangen, duftende Gewürze, hochaufragende Moscheen, Berber und Wüstenkarawanen u.a. wachgerufen. Dies alles gehört sicherlich zu Marokko, aber vieles andere ist noch zu ergänzen.

Bild 1: Marokko ist mit einem dichten Netz aus Hochspannungs-, Mittelspannungstrassen und Nennstromleitungen überzogen.

Bild 2: Die Energie des ausströmenden Stauseewassers wird zur Stromerzeugung verwendet.

Bild 3: Es gibt eine flächendeckende Kommunikationsinfrastruktur, welche auf Basis von Richtfunknetzen realisiert ist.

Bild 4: Antennen sind auch schon mal in den Wipfeln von Palmen versteckt.

Bild 5: Eine weithin sichtbare großflächige Hinweistafel kündigt das derzeit weltgrößte Solarkraftwerk mit einer Leistung von 500 MW für 2015 an.

Bild 6: Windkraftanlagen prägen die Silhouette des Rif-Gebirges auf neuartige Weise.

 

Da ist zum einen die Besonderheit der geo­grafischen Lage und geologischen Struktur. Das Land ist am nordwestlichen Zipfel Afrikas gelegen, verfügt über eine 2500 km lange Küste am Atlantik und 470 km Mittelmehrküste. Im äußersten Norden liegt das Land in Sichtweite zu Europa (Entfernung 13 km). Es ist geprägt von hochaufragenden Gebirgen mit z.T. schneebedeckten Gipfeln bis zu 4165 m Höhe, tiefen Schluchten, weiten Hochebenen und Steinwüsten sowie den Ausläufern der Sahara im Süden.
Diese Struktur führte zu einer besonderen Entwicklung des Landes. Der nördliche und küstennahe Bereich des Landes unterlag in seiner langen Geschichte abwechselnd den Besetzungen und Einflüssen der Phönizier, Römer, Portugiesen und Spanier sowie in jüngerer Zeit vor allem der Franzosen (Kolonialland von 1906 – 1956). Der Süden hingegen wurde von der Lebensweise und den Traditionen der Wüstenbewohner und Karawanenhändler geprägt. Hier bestehen die bis heute noch wirksamen Stammes-, Unterstammes- und Großfamilienverbände mit besonderen Lebens-, Wohn- und Kulturformen. Alles in allem verkörpert dieses Land also ein buntes, aber hochinteressantes Gemisch, welches das besondere Interesse des aufmerksamen Besuchers findet.
Dieses vielseitige Land drängt mit Macht in die Moderne. Zu den sichtbaren Zeichen dieses Bemühens gehört neben einer regen Bautätigkeit das Vorhandensein eines gut ausgebauten Straßennetzes mit teilweise autobahnähnlichem Charakter. Eindrucksvoll ist ebenfalls der erreichte Stand der Versorgung mit Elektroenergie. Wo immer der Blick frei ist, sieht man das Land mit einem dichten Netz aus Hochspannungs-, Mittelspannungstrassen und Nennstromleitungen überzogen. Selbst entlegene Hütten verfügen über einen Strom­anschluss. Ebenso gibt es eine flächendeckende Kommunikationsinfrastruktur, welche auf Basis von Richtfunknetzen realisiert ist. Das Erstaunlichste ist jedoch der landesweit verfügbare Mobilfunkanschluss. Die entsprechenden Antennen der Roamingstationen befinden sich oft zusammen mit den Richtfunkstrahlern auf hochgelegenen Antennenmasten. In den Städten trifft man auch auf Lösungen in Gestalt künstlicher Palmen, deren Antennen geschickt in den Wipfeln versteckt sind.

Marokko setzt auf EE

Mit der Bereitstellung des für all diese Dienste nötigen Stroms hat das Land seine besonderen Probleme, welche vor allem aus dem ungenügenden eigenen Aufkommen an fossilen Energieträgern resultieren. Hinzu kommt das besonders im Süden des Landes gravierende Problem der Gewährleistung einer ganzjährigen Wasserversorgung. Für Beides versucht man, nachhaltige Lösungen unter Ausnutzung der eigenen Ressourcen zu finden. Hierbei setzt man besonders auf die Nutzung Regenerativer Energien. Dieses Thema steht aber auch auf der heimischen Agenda. So verwundert es nicht, dass auf dieser Reise den hierzu in Marokko angetroffenen Lösungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Einen ersten Lösungsansatz liefert die unter dem Vorgänger des jetzigen Königs, Hassan II., massiv vorangetriebene Errichtung großvolumiger Stauseen, deren derzeitige Anzahl mit 45 angegeben wird. Das dafür benötigte Wasser wird den Stauseen aus den Gebirgen über Flüsse oder auch künstlich angelegten Leitungen über oftmals große Entfernungen zugeführt. Die Stauseen haben eine dreifache Aufgabe zu erfüllen. Zum einen haben sie für die ganzjährige Trinkwasserversorgung der Bevölkerung zu sorgen. Weiterhin soll das Wasser in der oft lang dauernden Trockenperiode zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen eingesetzt werden. Und schließlich soll auch die Energie des ausströmenden Wassers zur Stromerzeugung verwertet werden. Darüber hinaus wird nahezu jeder Wassertropfen aus der Umgebung aufgefangen, über in das Gelände integrierte offene Betonrinnen weitergeleitet und in der einen oder anderen Form verwertet.

Wüstenstromprojekt Desertec

Der größte Beitrag zur einheimischen Stromerzeugung lässt sich indessen entsprechend der Wüstennähe des Landes aus der Nutzung der reichhaltig verfügbaren Solarenergie erzielen. Hier gliedert sich Marokko in das Konzept Desertec ein und wird dort eine Vorreiterrolle übernehmen.
Das Wüstenstromprojekt Desertec sieht die Errichtung von Ökostromkraftwerken an den energiereichsten Standorten der Welt vor. Hierbei handelt es sich um das bislang weltweit größte Infrastrukturvorhaben mit einem geschätzten Finanzbedarf von 900 Mrd. Euro. Der nachhaltig erzeugte Wüstenstrom soll zum einen zur Deckung des regionalen Bedarfs verwendet werden, während andererseits ein Großteil mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zu europäischen Verbraucherregionen transportiert werden und um das Jahr 2050 etwa 15% des dortigen Bedarfs decken soll [2].
Das entsprechende Konzept wurde von einem Netzwerk aus Politikern, Wissenschaftlern und Ökonomen entwickelt. Das internationale Konsortium hat in der Vergangenheit zwar den Rückzug einiger europäischer Gründungsmitglieder zu verzeichnen, während sich im Gegenzug vor allem der saudisch-arabische Konzern Acwa Power sowie auch ein chinesischer Energieversorger mit der Bereitstellung erheblicher Mittel engagieren.
Das Konzept Desertec nimmt nun im Süden Marokkos erstmalig konkrete Gestalt an. Auf einem mit über 300 Sonnentagen pro Jahr besonders ergiebigen Standort unweit der (Wüsten-)Filmstadt Ouarzazate wird gegenwärtig das derzeit weltgrößte Solarkraftwerk mit einer Leis­tung von 500 MW erstellt, das bereits 2015 in Betrieb gehen soll. Dies verkündet eine weithin sichtbare großflächige Hinweistafel, während der etwas abseits gelegene Realisierungsstandort des Projekts leider nicht besichtigt werden konnte. In der Planungsgesellschaft haben sich mehr als 50 Unternehmen und Organisationen zusammengeschlossen. Die Bausumme wird derzeit mit 600 Mio. Euro angegeben [3]. Aus mündlichen Informationen stammt noch der Hinweis auf die Existenz einer weiteren, allerdings kleineren Solaranlage in der Nähe von Oujada unweit der algerischen Grenze.
Die Verwertung von Solarstrom mittels allerdings wesentlich kleinerer Anlagen konnte auch in nördlicher gelegenen marokkanischen Städten beobachtet werden. Zumeist handelt es sich hier um auf Hausdächern installierte PV-Anlagen, wie sie auch bei uns bekannt sind. Besonderes Interesse fand zudem auch eine Versuchsanlage, bei der die Straßenlaternen einer Allee einzeln mit Solarpaneelen ausgestattet waren und somit keinen eigenen Stromanschluss mehr erforderten.
Mit Überraschung wurde schließlich zur Kenntnis genommen, dass in das Erneuerbare-Energien-Konzept Marokkos auch die Nutzung der Windkraft als natürliche Energiequelle mit einbezogen ist. Bei einer Fahrt im Nordosten des Landes konnte entlang des Kamms des Rif-Gebirges eine Vielzahl nebeneinander angeordneter Windkraftanlagen gesichtet werden, welche die dort herrschende Höhenströmung energetisch nutzen (s. Bild 6). Diese Installation prägt die Gebirgssilhouette auf neuartige Weise, woran anscheinend niemand Anstoß nimmt. Vielleicht erfreut man sich sogar dieses Anblicks als eines Zeichens des Fortschritts. Hingegen stelle man sich eine vergleichbare Situation in Deutschland, etwa die Errichtung einer Kette von Windkraftanlagen auf der Schwäbischen Alb, vor. Ein solches Vorhaben träfe gewiss auf den erbitterten Widerstand von Bürgerinitiativen.
Abschließend lässt sich feststellen, dass im Verlauf der Rundfahrt durch Marokko ein unerwartet reichhaltiges Bild des Bemühens entstanden ist, das recht vielgestaltige Land gezielt in die Zukunft zu führen. Daran hat das derzeit herrschende Königshaus unter Mohammed VI. einen wesentlichen Anteil. Beeindruckend sind insbesondere die Orientierung auf die Entwicklung nachhaltiger Lösungen in Bezug auf die landesweite Energie- und Wasserversorgung unter Ausschöpfung vorhandener natürlicher Ressourcen.
Die in Marokko angetroffenen Problemlösungen zur Nutzung natürlicher Energiequellen gründen sich weitgehend auf die im eigenen Land vorliegenden spezifischen Gegebenheiten. Sie sind daher nur bedingt auf unsere heimischen Verhältnisse übertragbar. Dennoch: von jeder Reise nimmt man wertvolle Anregungen mit.

Literatur:
[1] Weller, H. u. W.: Reisetagebuch Marokko. 03. 2014 (unveröffentlicht)
[2] http//de.wikipedia.org/wiki/Desertec
[3] http//www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/abkommen-ueber-erstes-…

Autor:

Der Berufsweg des Autors Wolfgang Weller führte über Tätigkeiten in der automatisierungstechnischen Industrie, in der Forschung, als Dozent am Higher Institute for Electronics (Ägypten), Honorarlehrkraft an der Universität Rostock zu langjährigem Wirken an der Humboldt-Universität zu Berlin als Professor für Technische Kybernetik. Zu den Arbeitsschwerpunkten der letzen Jahre zählte neben der Erarbeitung intelligenter Verkehrslösungen vor allem die Entwicklung von Konzepten auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energien. Kontakt:  BITWeller@t-online.de, Tel.: 030 4858640

Bilder: Autor

 


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