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Fernwärmenetz mit unterirdischem Pufferspeicher

Gemeinde in Südbaden stellt im Grundlastbetrieb von Gas auf Holzbrennstoffe um und bezieht Anlieger ein

Heizzentrale des Fernwärmenetzes Murg-Niederhof mit Grundlastkessel für Hackschnitzel 390 kW. Automatische Brennstoffzufuhr (hinten links), automatischer Ascheaustragung (rechts). Spitzenlastkessel für Gas 500 kW (hinten rechts). Bild: König

Die Heizzentrale befindet sich auf dem Schulgelände unter der Sporthalle (rechts). Links zu sehen: geöffneter unterirdischer Hackschnitzelspeicher. Bild: König

Doppelpumpe der Fernwärmeleitung mit Regelgruppe/Umschaltventil für den Spitzenlastkessel. Bild: König

Anschlussleitungen des unterirdischen Pufferspeichers. Bild: Mall

Verlegen der flexiblen Doppel-Kunststoffrohre zu 34 Übergabestationen. Bild: Steenhoff

Beispiel einer Übergabestation. Bild: Steenhoff

 

Das kommunale Fernwärmenetz der Gemeinde Murg in Südbaden heizt seit September 2014 mit Hackschnitzeln zur Versorgung von Schule und Einfamilienhäusern. Es nutzt einen großen unterirdischen Pufferspeicher, um die Lastspitzen im Netz auszugleichen und dem Heizkessel einen gleichmäßigen Grundlastbetrieb mit langen Laufzeiten zu ermöglichen. Mittels Contracting bietet die Gemeinde Anwohnern die Möglichkeit zum Anschluss an das mit regenerativen Energien beheizte Netz an.

Das Fernwärmenetz in Murg-Niederhof ist schon das zweite dieser Art in der 7000 Einwohner zählenden Gemeinde an der Schweizer Grenze, zwischen Hochrhein und Südschwarzwald. Wer meint, Contracting und Fernwärme sei vor allem Sache großer Städte mit eigenen Stadtwerken, täuscht sich. Auf der Website der Kommune erklärt Bürgermeister Adrian Schmidle, was Murg auszeichnet: „Wir sind eine lebendige Wohngemeinde mit hoher Lebenskultur und ökologischer Verantwortung. Wir sind offen, familienfreundlich und innovativ.“
In diesem Sinne hat Ortsbaumeister Wolfgang Vögtle die Konzepte realisieren lassen. Seine Idee: Immer wenn die Heizzentrale eines großen gemeindeeigenen Gebäudes modernisierungsbedürftig ist – wie zuletzt bei den Schulen in Murg und im Ortsteil Niederhof – werden benachbarte Hausbesitzer aufgefordert, sich zu beteiligen. Deren Vorteil ist, dass sie fortan nur noch die Wärme bezahlen, nicht mehr die Erneuerung ihrer Heiztechnik finanzieren müssen – ein Konzept, dass sich somit für Haubesitzer je nach Situation lohnen kann.
Auch für die Gemeinde dieses kommunalen Contracting-Modells entsteht ein finanzieller Vorteil, denn große Heizzentralen lassen sich im Verhältnis oft preiswerter bauen und betreiben, als die sonst alleine für die Schulen notwendigen kleineren. Das zweite kommunale Fernwärmenetz in Murg-Niederhof hat 34 Übergabestationen. Verbraucher sind neben Schule und Sporthalle in einigen hundert Metern Umkreis 30 private Wohnhäuser, ein Kirchengemeindehaus und ein Kindergarten. Insgesamt wurden 2090 m flexible Doppel-Kunststoffrohre verlegt. Darin zirkuliert Wasser mit einem Leitungsdruck von 2 bar und einer Temperatur zwischen 80 °C im Vorlauf und 50 °C im Rücklauf.
Der vorhandene Gasanschluss bleibt bestehen und wird bei Bedarf kurzzeitig für den neuen Spitzenlastkessel genutzt. Der kann mit 500 kW das Wärmenetz notfalls alleine versorgen – wenn der Grundlastkessel ausfällt, gewartet wird oder nicht genug Leistung bringt. Für die Abdeckung der Grundlast läuft nun ein Hackschnitzelkessel mit 390 kW. Dieser holt sich automatisch das Brennmaterial aus dem in den Außenanlagen neu eingebauten Hackschnitzelbunker. Dazu wurde ein Fördersystem installiert, das die Hackschnitzel vom Boden des Lagers durch die Außenwand der Heizzentrale bis zum Brenner transportiert. Das im Vergleich zu Holzpellets dreimal größere Speichervolumen ist hier kein Problem, denn die Kosten waren, in Verbindung mit den ohnehin erforderlichen Tiefbauarbeiten für 2 km Fernwärmenetz, relativ günstig.

Brennstoffwahl
Die Gemeinde Murg entschied sich aus ökologischen und ökonomischen Gründen, im Grundlastbetrieb vom fossilen Gas auf regenerative Holzhackschnitzel umzustellen. Holzbrennstoffe aus der Region punkten bei Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und Betriebskosten, denn sie sind nachwachsend, CO2-neutral, tragen zu einer 100-prozentigen Wertschöpfung im Inland bei und sind für die Kunden preiswerter zu beziehen als die fossilen Brennstoffe aus fernen Ländern. Darüber hinaus besteht nicht das politische Risiko eines Lieferboykotts, und Unfälle beim Transport sind weit weniger gefährlich als bei Öl oder Gas.
Der Brennstoff Hackschnitzel stammt von einem einheimischen Landwirt, der in ca. 500 m Entfernung von der Heizzentrale seinen Betrieb hat. Er ist auch zuständig für das Abholen der Asche, die er auf seinen Äckern als Dünger ausbringen kann. Bezahlt wird von der Gemeinde Murg die von den Hackschnitzeln erzeugte Wärme, nicht die Menge oder das Gewicht seiner Ware. Damit lohnt sich die Lieferung trockenen, hochwertigen Brennstoffs. Und je besser dessen Qualität, desto weniger Wartung ist bei Kessel und Lager erforderlich.
Hackschnitzel werden als Schüttgut mit etwa 200 kg/m³ vom Lieferanten bei geöffneter Abdeckung direkt in den Speicher gekippt, in dem über die gesamte Länge und Breite des Behälters ein Rüttelsieb im oberen Teil eingebaut ist. Dieses wird während des Befüllens elektrisch in Bewegung versetzt. So lassen sich Hohlräume und Schüttkegel weitgehend verhindern, wodurch die Entnahme am Speicherboden störungsfrei funktioniert und das Volumen des Behälters optimal ausgenutzt wird. Der Inhalt von 150 m3 entspricht 30 t Füllgewicht bzw. 12 000 l Heizöläquivalent. Die üblichen, oben offenen Transportcontainer fassen 40 m³ bzw. 8 t. Der Lieferant kann hier also bereits nachfüllen, wenn ein Drittel oder die Hälfte des Vorrats aufgebraucht ist.

Wirtschaftlich durch Pufferspeicher
Wie der unterirdische Hackschnitzelbehälter ist auch der Pufferspeicher in unmittelbarer Nähe zur Heizzentrale des Fernwärmenetzes eingebaut. Darin wird die vom Hackschnitzelkessel stammende Wärme gespeichert, bis sie für Heizung und Warmwasserbereitung in den 34 Übergabestationen gebraucht wird. Der Pufferspeicher hat einen Betriebsdruck bis zu 3 bar und ist Teil eines Lade- bzw. Entnahmekreislaufs. Große Rohrdimensionen erlauben ein schnelles Be- und Entladen der Wärme. Ein weiterer Vorteil ist die einfache Montage, denn die Schnittstellen liegen außerhalb des Speichers. Sein inneres Gefüge ist vom Hersteller druckgeprüft. Erwähnenswert sind auch die Abdeckung mit zwei übereinander liegenden Verschlüssen und die Entwässerung des Zwischenraums der beiden Dichtungsebenen bei eventuell entstehendem Kondenswasser.
Ein unterirdischer Pufferspeicher sollte mit möglichst kurzen, wärmegedämmten Rohrleitungen in das Heizungssystem eingebunden werden, damit keine nennenswerten Wärmeverluste entstehen – eine der Voraussetzungen für den effizienten Betrieb von großen Heizanlagen. Puffervolumen in der in Murg nötigen Dimension mit 13 400 l würde im Innenraum konventionell nur über eine Kaskade hintereinander geschalteter, aufgestellter Behälter erreicht. Schon ab 3000 l Fassungsvermögen würde es selbst bei einem Neubau schwierig, sie innerhalb des Gebäudes unterzubringen. Die Maße von Türöffnung und Raumhöhe sind der Grund. Wird die Wärme aber unterirdisch gelagert, können Fertigteilbehälter aus Beton bis zu den im Straßenverkehr für Tieflader zulässigen Abmessungen gefertigt werden. Das spart gegenüber Lösungen aus Ortbeton Baukos­ten und Bauzeit, denn das Versetzen eines solchen Pufferspeichers in die Erde dauert in der Regel weniger als eine Stunde.
Zur doppelwandigen Bauweise: „Das Wasser, in Murg 13 400 l, befindet sich in einem Stahlbehälter. Zwischen diesem und der äußeren robusten Hülle aus fugenlosem Stahlbeton sorgt Glas-Granulat-Dämmstoff für eine lange Nutzungsdauer“, erklärt Clemens Hüttinger vom Hersteller Mall in Donaueschingen. Als UA-Wert für den Wärmeverlust gibt er 6,4 W/K an. Dies ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung am Institut für Solarenergieforschung Hameln, einer Einrichtung der Universität Hannover. Das güns­tige Verhältnis von Inhalt und Oberfläche des zylindrischen Pufferspeichers „ThermoSol“ ist die wichtigste Voraussetzung zur Minimierung der Wärmeverluste. „Außerdem verhindert die 25 cm starke Recyclingglas-Wärmedämmung das schnelle Auskühlen“, so Hüttinger.

Auswertung der ersten Heizperiode
„Der Holzkessel läuft nur auf den Speicher und wird über eine Pufferreglung angesteuert. Das Netz zieht sich die Wärme aus dem Puffer“, erklärt der für die haustechnische Planung und Dimensionierung zuständige Fachingenieur Torben Steenhoff. „Sobald die Vorlauftemperatur im Netz unter den Sollwert sinkt, fährt die Verbrennung der Hackschnitzel hoch. Reicht dies aufgrund hohen Wärmebedarfs nach einer einstellbaren Zeitverzögerung nicht aus, heizt der zusätzlich installierte Gasheizkessel über die hydraulische Weiche direkt in das Fernwärmenetz nach“. Darüber hinaus versorgt der Gasheizkessel bei Ausfall des Holzkessels oder Wartungsarbeiten das Netz über ein Umschaltventil direkt, unter Umgehung des Pufferspeichers.
Nach der ersten Heizperiode 2014/2015 stellt Steenhoff aufgrund seiner Aufzeichnungen fest: „Erst durch die ausgleichende Wirkung des Pufferspeichers konnte der Hackschnitzelkessel preiswert, materialschonend und gleichmäßig mit langen Laufzeiten im Grundlastbetrieb heizen. Der Pufferspeicher hat in dieser Saison alle Leis­tungsspitzen, vor allem des Winterbetriebs, abgefangen“. Bauherrschaft und Planer wussten, dass der kontinuierliche Wärmebedarf der überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Verbrauchsstellen in diesem Sinne von Vorteil ist. Doch einen so deutlichen Erfolg hatte man nicht erwartet.

Autor: Klaus W. König, Überlingen

www.mall.info

Projektdaten Fernwärmenetz Murg-Niederhof

Adresse des Objekts: Schulstr. 4, 79730 Murg-Niederhof
Bauherrschaft: Gemeinde Murg
Fachplanung Haustechnik: Ingenieurbüro Steenhoff, Todtnau
Ausführung: Tröndle Haustechnik, Waldshut-Tiengen
Inbetriebnahme: September 2014
Investitionsvolumen Heizzentrale: ca. 480 000 Euro
Investitionsvolumen Fernwärmenetz
und Übergabestationen: ca. 560 000 Euro
Fernwärmenetz: 2090 m, 2 bar, 80/50 °C
Anzahl Übergabestationen: 34
Jahreswärmebedarf geschätzt: 1 200 000 kWh/a
Kesseltyp Hackschnitzel: KÖB/Viessmann Pyrotec, 390 kW
Kesseltyp Gas: Viessmann Vitocrossal 200, 500 kW
Hackschnitzelspeicher: Ortbetonbehälter und Rüttelsieb für 150 m³/30 t/Heizöläquivalent 12 000  l mit Entnahmesystem Förderschnecke
Pufferspeicher: Mall-Betonfertigteilbehälter ThermoSol 13 400
Nutzvolumen: 13 400 l
Maximaler Betriebsdruck: 3 bar
Minimale/Maximale Betriebstemperatur: 10 °C/95 °C
Anzahl Beladekreise/Entladekreise: 1/1
Einbauten: 4 Tauchrohre

 


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