Werbung

Begünstigt Bio-Heizöl den Hunger in der Welt?

Der weltweite Energiebedarf kommt nicht zum Stillstand. Er wird nach einhelligen Prognosen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter steigen. 2035 könnte er um ein Drittel höher liegen als heute. Während die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl, Erdgas und Kernkraft auf lange Sicht an Bedeutung verlieren, werden die unerschöpflichen Energiequellen ihre Stellung weiter ausbauen. Dazu zählen Wasser- und Windkraftwerke, Solarenergie, Biomasse u. a.

Betrachtet man die fossilen Energieträger detaillierter, kommt Erdöl insgesamt gesehen schlecht weg: Es hat kein gutes Image und die Reichweite ist sehr begrenzt. Aber gerade Erdöl war und ist eine wichtige Säule in der globalen und deutschen Ener­gieversorgung.

So fahren knapp 30 % aller in Deutschland installierten Anlagen mit Heizöl. Das sind rund 5,9 Mio. Kessel inkl. Brennwertgeräte.

Aufgrund des sich abzeichnenden Versiegens der Erdölquellen erscheint es sinnvoll, das Heizöl mit Biobestandteilen zu verlängern. Dieses sogenannte Bioheizöl setzt sich aus normalem Heizöl und einem kleinen Teil aus Brennstoffen zusammen, der aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Meist wird die Biokomponente FAME eingesetzt. FAME wird aus Pflanzenölen wie Raps-, Sonnenblumen- und Sojaöl hergestellt. Dafür werden Anbaufelder benötigt, auf denen Getreide für die Lebensmittelversorgung in den unterversorgten Regionen der Welt angebaut werden könnte. Angesichts der Millionen hungernden Menschen stellt sich die Frage, ob die Ackerflächen statt für FAME-Vorprodukte nicht besser für den Lebensmittelanbau genutzt werden sollten.

Alexander Knebel, Sprecher der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)

 

Pro

Unter dem Stichwort „Teller oder Tank“ wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert, ob und inwieweit der Anbau von Ener­giepflanzen mit dem Anbau von Pflanzen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion konkurriert. Und nicht zuletzt, ob dadurch der weltweite Hunger steigt. Für die Ernährung der Weltbevölkerung spielt die Ressource Land eine zentrale Rolle. Während weltweit die verfügbare landwirtschaftliche Fläche pro Kopf kontinuierlich sinkt, steigt gleichzeitig die Nachfrage nach Nutzfläche und löst eine Konkurrenz zwischen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Bioenergie aus. Besondere Brisanz gewinnt die Diskussion um Biokraftstoffe dadurch, dass die landwirtschaftliche Produktion durch den Klimawandel, das weltweite Bevölkerungswachstum und veränderte Ernährungsgewohnheiten unter Druck gerät. Als Folge dieser Entwicklungen hat sich das Agrarpreisniveau global erhöht. Das ist insbesondere für arme Bevölkerungsgruppen existenzbedrohend.
Die Nutzung von Biokraftstoffen hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als verdreifacht. Die OECD und die FAO prognostizieren, dass bis 2020 rund 15 % der weltweiten Getreide- und Pflanzenölproduktion und mehr als 30 % des Zuckerrohrs zu Biokraftstoffen verarbeitet werden könnten. Dadurch entwickelt sich Bio­energie für große Agrarexportnationen zu einem Instrument, mit dem weltweit Agrarpreise beeinflusst und geostrategische Interessen verfolgt werden können. Steigen die Preise für Rohöl, steigen sie auch für Bioenergie, wodurch der Preis für Öl zunehmend die Preise von Nahrungsmitteln fremdbestimmt.
Einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung und lokaler Ernährungssicherheit leistet die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Zur Bedienung der internationalen Märkte orientieren sich staatliche und internationale Biokraftstoffprogramme jedoch gerne an Massenproduktionen. Die Biokraftstoffproduktion spielt bei Kauf und Pacht von großen Anbauflächen in Entwicklungs- und Schwellenländern eine bedeutende Rolle. Dies hat zur Folge, dass viele Kleinbauern ihre Lebensgrundlage an Großproduzenten mit expandierenden Monokulturen verlieren und nur ein kleiner Teil von ihnen als Lohn- oder Saisonarbeiter auf den Energieplantagen eine Beschäftigung findet.
Biokraftstoffe galten lange als regenerativ und klimafreundlich, da die Pflanzen den CO2-Anteil, der bei der Verbrennung frei gesetzt wird, vorher aus der Atmosphäre entnommen haben. In den letzten Jahren sind jedoch Zweifel an dieser Klimabilanz gewachsen. So muss die gesamte Prozesskette der Herstellung berücksichtigt werden. Je nach Pflanzenart und Anbaustandort kann diese daher auch negativ ausfallen. Kritisch ist ebenfalls zu betrachten, dass die großflächigen Monokulturen die Artenvielfalt gefährden. Länder wie Indonesien und Malaysia sind Beispiele für die zunehmende Verdrängung des Regenwaldes zugunsten von Ölpalmenplantagen.
Hunger hat viele Ursachen, wobei die Produktion von Energiepflanzen nur einen Bestandteil der komplexen Problematik darstellt. Zweifellos ist es notwendig, angesichts der Knappheit fossiler Brennstoffe und zum Schutz der Umwelt, weltweit Energie einzusparen und den Anteil Erneuerbarer Energien auszubauen. Jedoch müssen bei der Energiewende die Folgen für die Welternährung mitbedacht werden. Die Produktion von Biokraftstoffen darf weder die Ernährungssicherheit von Menschen gefährden, noch natürliche Lebensräume zerstören.

Contra

Die Bioenergie wird gern für angebliche Missstände in Gesellschaft, Land- und Forstwirtschaft oder im Welthandel verantwortlich gemacht. Einer der gängigsten Vorwürfe zielt auf einen angeblichen Konflikt zwischen Tank und Teller, also die Verwendung von Ölpflanzen oder Getreide für die energetische Nutzung einer- und für die Ernährung andererseits. Unsere Ackerflächen sind zwar begrenzt. Sie können aber einen wertvollen Beitrag zur Energiewende in Deutschland ebenso wie in Entwicklungsländern leisten, ohne die Ernährungssicherung zu gefährden. Denn im globalen Maßstab wäre genug Nahrung für alle da. Weltweit wurden in den vergangenen Jahren Rekordernten eingefahren. Die Vorratshäuser sind voll. Die Vorräte reichen für Teller und Tank.
Schon vor dem Wachstum des Bioenergiemarktes in Deutschland und anderen Industriestaaten war die Zahl der Hungernden erschreckend hoch. Und während die Biokraftstoffproduktion weltweit kontinuierlich zugenommen hat, ist die Zahl der Hungernden laut Zahlen der UN-Ernährungsorganisation FAO 2012-14 erfreulicherweise gesunken, auf ein (immer noch erschreckend hohes) Niveau von 800 Mio. Menschen. Anfang der 90er-Jahre zählte die FAO hingegen mehr als 1 Mrd. Hungernde auf der Welt. Das zeigt: Die Bioenergie hat mit dem Hunger auf der Welt nichts zu tun. Vielmehr gibt es auch in Entwicklungsländern viele gute Projekte, in denen die Menschen die Bioenergie für ein besseres Leben nutzen.
Im Kampf gegen den Hunger ist die Energiewende ein ganz wichtiges Mittel. Denn nur mit Erneuerbaren Energien können wir den Klimawandel wirksam stoppen. Nur stagniert der Beitrag der Erneuerbaren an der Wärmeversorgung in Deutschland bei 9 %. Es ist höchste Zeit zum Umsteuern!
Ideal ist die komplette Umstellung der Heizung auf Erneuerbare Energien. Es gibt aber Hausbesitzer, die sich scheuen, ihre fossile Gas- oder Ölheizung schnell loszuwerden. Für ältere Menschen oder bei Immobilien mit geringem Wert mag die Inves­tition schrecken. Hier ist die Beimischung von Biomethan oder Biodiesel – letzterer ist auch als Bioheizöl bekannt – eine interessante Alternative.
Für die Verwendung von Bioheizöl gelten genauso wie für Biokraftstoffe strenge Nachhaltigkeitsvorschriften. In Deutschland können alle Ölheizungen ohne Anpassungen mit einem Bioanteil bis zu 5,9 % betrieben werden. Bei einem Anteil von 10,9 % sind selten kleine technische Anpassungen notwendig. Bisher spielt Bioheizöl aber am Markt kaum eine Rolle. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Umweltvorteile praktisch nicht am Markt belohnt werden. Dabei muss die Treibhausgasbilanz von Bioheizöl um mindestens 35 % besser sein als bei fossilem Heizöl. In der Praxis liegt die Einsparung in der Regel deutlich darüber.
Für den auch als Bioheizöl einsetzbaren Biodiesel ist Raps der wichtigste Rohstoff. Neben der Gewinnung des Rapsöls, das 40 % der Rohstoffausbeute ausmacht, fällt bei der Verarbeitung 60 % Rapsschrot an. Rapsschrot ist ein wertvolles Futtermittel in der Landwirtschaft. Auf diesem Weg füllt Biodiesel auch die Tröge.
Mit einer stärkeren Marktdurchdringung Erneuerbarer Energien auf dem Wärmemarkt wird die Zahl der Ölheizungen immer weiter sinken. In der Zwischenzeit kann Bioheizöl von Fall zu Fall eine sinnvolle Option sein. Auf dem Weg zu 100 % Erneuerbaren Energien wird die Beimischung eine Nische bleiben. Durch Biomethan oder Bioheizöl kann sie sinnvoll besetzt werden.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: