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Auf dem Weg zur nachhaltigen Gartenstadt

Sozialverträgliche energetische Sanierung einer Wohnanlage im Süden Berlins

Seit den 30er-Jahren unterhält die Genossenschaft im Süden Berlins die als Gartenstadt konzipierte Wohnanlage Lichterfelde Süd.

In den 60er-Jahren wurde die Anlage noch einmal um mehrere Häuser ergänzt und besteht heute aus 841 Wohneinheiten.

Schematische Darstellung: eTank für die Wohnanlage in Lichterfelde.

Das Erdreich wird lagerweise bearbeitet und verdichtet.

Systemjahresarbeitszahlen im Vergleich.

Das energetische Gesamtsystem der Märkischen Scholle Lichterfelde.

 

 

Wie viel Energiesparpotenzial der Wohnungsbestand birgt, zeigen zahlreiche Sanierungsprojekte, die Energieverschwender in nachhaltige Wohnobjekte verwandeln. Dass dies sogar sozialverträglich und mit vollständig erneuerbarer Energieerzeugung realisierbar ist, belegt das Sanierungsprojekt der Märkische Scholle Wohnungsunternehmen eG in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro eZeit Ingenieure GmbH.

Seit den 30er-Jahren unterhält die Genossenschaft im Süden Berlins die als Gartenstadt konzipierte Wohnanlage Lichterfelde Süd, die in den kommenden Jahren umfassend saniert wird. Durch die Sanierungsmaßnahmen werden nicht nur die Energiekosten, sondern mittels Umstellung auf Versorgung aus Erneuerbaren Energien zudem der CO2-Ausstoß deutlich sinken.

Ausgangslage: Dringender Handlungsbedarf

Zum Zeitpunkt seiner Errichtung bot das Quartier in Lichterfelde Süd jungen Familien die Möglichkeit, in Stadtnähe und dennoch im Grünen zu wohnen. In den 60er-Jahren wurde die Anlage noch einmal um mehrere Häuser ergänzt und besteht heute aus 841 Wohneinheiten. Da die Gebäude seither nicht umfassend saniert wurden, verbrauchen die älteren Gebäude für Heizwärme ohne Warmwasseraufbereitung bis zu 174 kWh/(m² a), die neueren Wohnungen 111 kWh/(m² a). Dies entspricht Kosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 1,50 Euro/m², die jedoch für eine behagliche Raumtemperatur nicht immer ausreichen. Mit 4,49 Euro/m² liegen auch die Instandhaltungskosten deutlich über dem Durchschnitt der Objekte der Wohnungsgenossenschaft. Zudem sprechen soziale Faktoren für eine umfassende Sanierung. Zum einen entsprechen die Wohnungsgrößen von bis zu 55 m² nicht mehr dem heutigen Anspruch junger Familien. Zum anderen hat sich mittlerweile die Altersstruktur im Quartier Lichterfelde Süd gewandelt. Die Hälfte der Bewohner ist 65 Jahre oder älter, kann dort aber nicht überall barrierearm wohnen, da teils beispielsweise Aufzüge fehlen. Eine Generalsanierung ist daher angebracht.
Die Sanierung der 30er-Jahre-Gebäude ist mit besonderem Aufwand verbunden. Bei neun der insgesamt 24 Gebäude aus den 30er-Jahren lägen die Sanierungskosten bei über 1800 Euro pro m² Fläche. Da sie damit zu wirtschaftlich tragbaren Konditionen nicht sanierungsfähig sind, werden sie rückgebaut und durch Neubauten ersetzt. Bei der Mehrzahl der Gebäude werden neben einer vollständigen Strangsanierung auch Dach, Fassaden und Kellerdecken gedämmt sowie neue Fenster und Haustüren eingebaut. In einzelnen Dachgeschossen, in denen die Deckenhöhe um 1,5 m angehoben wird, sowie durch zwei zusätzliche barrierearme Verdichtungsneubauten, werden derzeit 60 neue Wohnungen geschaffen.

Sozialverträgliche Sanierung als Leitbild

Im Vordergrund steht bei der Sanierung in Berlin-Lichterfelde die Anpassung des Wohnraums an die Mieterstruktur und erhöhter Wohnkomfort. Dabei soll die Bausubstanz möglichst erhalten bleiben und die Energieversorgung über regenerative Energien erreicht werden. Da in den 30er-Jahre-Gebäuden der Sanierungsumfang auch innerhalb der Wohnungen sehr hoch ist, müssen dort die Bewohner für die Dauer der Arbeiten zwischenzeitlich umgesetzt werden. Dabei baut die Märkische Scholle auf ein mieterfreundliches Umzugsmanagement und organisiert den kompletten Umzug aller Bewohner, um die Belastung der Mitglieder möglichst gering zu halten.
Als Genossenschaft bekennt sich die Märkische Scholle zu dem Ziel, den Mitgliedern attraktiven Wohnraum zur Verfügung zu stellen und hierbei zugleich die Nutzungsgebühren so gering wie möglich zu halten. Daher wird darauf verzichtet, die volle Modernisierungsumlage zu erheben. Familien- und altersgerechtes Wohnen und Zusammenleben will die Genossenschaft trotz engem Budgetrahmen auch nicht auf Kosten der Umwelt erreichen. Daher wurde das Berliner Ingenieurbüro eZeit Ingenieure hinzugezogen. Gemeinsam mit der Märkischen Scholle erarbeitete das Team aus Architekten und Ingenieuren ein ganzheitliches Energie- und Umsetzungskonzept für die Sanierung der Wohnanlage.

Erneuerbar und CO2-neutral dank energetischem Gesamtsystem

Ein stückweit Unabhängigkeit von steigenden Energiepreisen erhält die Wohnanlage durch die Umstellung auf ein Energiekonzept, dessen Grundlage die Versorgung durch Erneuerbare Energien ist. Realisierbar ist dies über ein Gesamtsystem, das gebäudeübergreifend jeweils Gebäudehülle und -technik integriert betrachtet.
Die Energiequellen für die Wohnanlage in Lichterfelde sind dabei Solarenergie und Geothermie sowie Wärmerückgewinnung aus der Abluft. Nach der Sanierung werden zwischen 25 und 30 % der Gesamtenergie aus der Abluft gewonnen. PV und solarthermische Anlagen in Verbindung mit dem Erdspeicher erzeugen die restlichen 70 %. Dank der Umstellung in der Energieversorgung auf Erneuerbare wird das Wohnquartier in Zukunft zudem bilanziell CO2-neutral sein.

Speichertechnik für hohen Solar-Nutzungsgrad

Das Energiesystem baut auf dem von den eZeit Ingenieuren entwickelten offenen Erdwärmespeicher eTank auf, der gleichzeitig als geothermische Quelle dient. Diese Energiespeicher entstehen direkt neben den sanierten bzw. unter den neugebauten Gebäuden etwa 80 cm unter der Erdoberfläche. Mit dem eTank auf Basis der ooPS-Technik (offene oszillierende Pufferspeichertechnik) werden die fluktuierenden erneuerbaren Energieerträge so gespeichert, dass sie jederzeit abgerufen und über eine Wärmepumpe dem Heizsystem zugeführt werden können. Die Solarkollektorfläche muss dabei nicht größer ausgelegt sein als bei einer konventionellen solaren Heizungsunterstützung. Die Solaranlagen der vier Wohnhäuser, die gerade saniert werden, befinden sich auf den nach Südwesten ausgerichteten Dächern und sind auf jeweils zwei der Gebäude 40 bzw. 50 m² groß. Das heißt, pro Wohneinheit werden momentan ca. 2,2 m² Flachkollektoren benötigt. Die Größe der PV-Anlage beträgt für zwei der Häuser jeweils 85 bzw. 101 m². Ihre Nennleistung unter Standard-Test-Bedingungen erreicht 15 bzw. 23 kWpeak. Jährlich lassen sich mit ihnen in etwa 13 000 bzw. 17 000 kWh Strom produzieren.
Pro Gebäude umfasst der eTank ungefähr 400 m³ Erdreich. Aber seine Kapazität ist im Gegensatz zu anderen Energiespeichern nicht durch das Volumen bestimmt. Er ist nach unten zum angrenzenden Erdreich offen und wird nach oben und zu den Seiten hin so gedämmt, dass Wärmeverluste verhindert werden. Erreicht der eTank ein bestimmtes Temperaturniveau, wärmt sich auch das darunter liegende Erdreich auf. Die Speicherkapazität inklusive des unterhalb liegenden Erdreichs, beträgt darum zwischen 750 und 1450 m³. Sinkt die Temperatur im eTank, strömt die Wärme von dort wieder zurück. Dabei schwankt sein Temperaturniveau im Jahresverlauf zwischen 5 °C an den kältesten Tagen und maximal 23 °C. Bei entsprechender Auslegung des Systems wird kein höheres Temperaturniveau benötigt.
Die Temperatur des Erdreichs unterhalb des eTanks liegt grundsätzlich zwischen 5 °C und 12 °C und sorgt damit für dessen stabiles Temperaturniveau. Eine Sicherheitseinrichtung verhindert, dass die Temperatur unter 3 °C fällt. Das offene System verhindert ein Überlaufen und Überhitzen sowie eine Entleerung bzw. Auskühlung des eTanks. Zusätzlich wird ein eigener kurzfristig nutzbarer Warmwasserspeicher zur Deckung des Warmwasserbedarfs parallel zum trägen Erdspeicher eingesetzt.
Jährlich kann die Wohnanlage so bis zu 80 % des solarthermischen Ertrags nutzen, das entspricht 700 kWh/m². Diese hohen Erträge entstehen, da auch über diffuses Licht, bei Regen oder Bewölkung, Sonnenenergie gewonnen wird. Durch die stetige Abnahme der Wärme, die eine Überhitzung der Module verhindert, verlängert sich auch die Lebensdauer der Solaranlage. Dank der hohen Nutzungsgrade der Solaranlage amortisieren sich ihre Investitionskosten bereits nach wenigen Jahren.

Kombinierte Erdwärme- und Speicherlösung

Auch die in der Wohnanlage eingesetzte Wärmepumpe trägt zur Effizienz des Energiesystems bei. Wärmepumpen erreichen im Durchschnitt Systemjahresarbeitszahlen (SJAZ) zwischen drei und vier, benötigen also eine Kilowattstunde Strom, um drei bis vier Kilowattstunden Wärme zu produzieren. Langfristig kann es jedoch zu einer Abnahme der Entzugsleistung kommen, wenn die Erdtemperatur nicht mehr auf ihr Ausgangsniveau steigt. Werden jedoch, um den Wärmeentzug auszugleichen, zusätzlich solare Überschüsse in die Erde geleitet, durch eine sogenannte solare Soleanhebung, steigt die SJAZ auf vier bis fünf. Da in der Wohnanlage vorrangig solare Überschüsse im eTank zwischengespeichert werden, ist eine Abnahme der Entzugsleistung ausgeschlossen. Das Gesamtsystem ohne Berücksichtigung der PV-Anlage erreicht durch diese Art der Einbindung der Wärmepumpe Systemjahresarbeitszahlen zwischen sechs bis acht. Als Maß für die energetische Qualität der Anlagentechnik auf Basis der eingesetzten Primärenergie gilt die ep-Zahl, also die Anlagen-Aufwandszahl ep, als Kennzahl für die zusammenfassende Bewertung der gesamten Anlagentechnik. Sie liegt beim eTank durch die Einbindung in dieses Gesamtkonzept bei weniger als 0,3 und übertrifft damit viele vergleichbare Anlagensysteme, die ebenfalls über eine Wärmepumpe mit Tiefenbohrung, Solaranlage und ein kontrolliertes Lüftungssystem verfügen mit einer durchschnittlichen ep-Zahl von ca. 0,7.
Bei den ersten vier Gebäuden, die derzeit saniert werden, verfügt jedes Haus über einen eigenen eTank mit Wärmepumpe. Der Zusammenschluss zu einer zentralen Anlage wurde von den eZeit Ingenieuren zwar vorgeschlagen, ist aber bisher NICHT Bestandteil der Planung.

Automatisierte Steuerung von Angebot und Verbrauch

Ein dynamischer Energie-Manager (DEM) regelt alle zur Verfügung stehenden regenerativen Energien und steuert Befüll- und Entnahmeprozesse des Energiespeichers in Abhängigkeit von Wetterverhältnissen, Tages- und Nacht- sowie Jahresrhythmen. Bei ihm handelt es sich um ein vorinstalliertes hydraulisch abgestimmtes Leitungssystem mit einer Steuerungseinheit sowie Speichersystemen (z. B. Schichtenspeicher etc.), über die diverse thermische Energiequellen angeschlossen und aufeinander abgestimmt werden können. Der DEM ist modular aufgebaut und aufgrund seines Fittingsystems einfach installierbar. Er übernimmt das Wärmeenergiemanagement der Gebäude und stellt gemeinsam mit dem Speicher den Mittelpunkt des Energiesystems dar. Der DEM stimmt die Bereitstellung von Strom und Wärme auf den Verbrauch ab, nutzt vorrangig aber immer Abluft bzw. die Solarenergie. Dafür werden an zahlreichen Stellen Wärmeströme in Echtzeit gemessen und aufeinander abgestimmt. Die angeschlossenen Geräte, wie die Solaranlage, werden dann direkt vom DEM angesteuert. Zudem nimmt er alle zur Verfügung stehenden Messdaten auf und leitet sie an eine Wartungsstation weiter. Von dort aus werden die Prozesse überwacht, gesteuert und die Daten statistisch ausgewertet. Auftretende Probleme mit der Heizungsanlage können dank einer Fehlererkennung von über 96 % oft umgehend behoben werden. Dadurch vereinfacht sich die Handhabung des komplexen Systems vor Ort.

Mieter profitieren von Energieeinsparungen

Sowohl die Märkische Scholle als auch die Mieter gewinnen mit der Umstellung auf energetische Selbstversorgung an Unabhängigkeit von Energielieferungen. Durch die Reduktion von Strom- und Heizkosten sind die Investitionen zudem energetisch sinnvoll. Von den sinkenden Energiekosten profitieren die Bewohner in besonderer Weise. Da das unternehmerische Ziel die Kostendeckung und nicht vorrangig die Gewinnmaximierung ist, wird die Märkische Scholle statt der zulässigen 11 % nur minimale Umlagen erheben. Dank der Einsparungen bei den Energiekosten wohnen daher die Mieter in Zukunft mit erhöhtem Komfort nahezu warmmietneutral.
Nach Abschluss des Projektes werden den Mitgliedern der Genossenschaft im Süden Berlins über 900 Wohnungen mit zwischen 40 und 120 m² Wohnfläche zur Verfügung stehen. Ende März diesen Jahres wurde mit der Sanierung der 30er-Jahre-Bauten begonnen, die ersten Häuser sollen im Herbst fertiggestellt sein. Mit dem Rückbau der Gebäude, die durch Neubauten ersetzt werden, wird jedoch frühestens im Jahr 2017 begonnen.

Autoren: Taco Holthuizen, Geschäftsführer eZeit Ingenieure GmbH; Jochen Icken, Vorstand Märkische Scholle Wohnungsunternehmen eG

Bilder: eZeit Ingenieure

 


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