Sicherheitsaspekte richtig bewerten: Notwendige Gasabsperr- und Sicherheitseinrichtungen in Laboren, Projektbeispiel
Gastechnische Einrichtungen in Labor- und Unterrichtsräumen müssen abhängig von der Nutzung gesichert werden. Je nach Verwendungszweck des Installationsraumes sind zusätzliche Absperr- und Sicherungseinrichtungen notwendig. Vor diesem Hintergrund steht der Planer vor der Aufgabe, im Rahmen seiner Budgetvorgaben die Bedürfnisse der Nutzer und der Sicherheitsanforderungen in Einklang zu bringen. Ohne Unterstützung beratender Experten lässt sich dies oft nur schwer realisieren. Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in die Problematik und zeigt anhand eines Beispiels eine praxisnahe Lösung.
Wie Gasinstallationen in Labor- und Unterrichtsräumen zu planen und zu betreiben sind, regelt das DVGW-Arbeitsblatt G621. Es gilt für Installationen, die mit Gasen nach DVGW-Arbeitsblatt G 260 betrieben werden und für Betriebsdrücke bis 100 mbar ausgelegt sind. Grundsätzlich ist, neben der nach DVGW-Arbeitsblatt G600 oder Technische Regeln Flüssiggas (TRF) vorgeschriebenen Absperrung, für jeden Labor- oder Unterrichtsraum zusätzlich eine zentrale Absperreinrichtung erforderlich. Diese muss den Anforderungen der DIN EN 161 entsprechen und zwei hintereinandergeschaltete Sicherheitsventile enthalten. Abhängig von der Art der Raumnutzung können weitere Absperrarmaturen und spezielle Sicherungseinrichtungen notwendig sein. Der Planer muss demzufolge im ersten Schritt eine vollumfängliche Nutzungsanalyse vornehmen. Dabei ist nach Labor- oder Unterrichtsräumen abzugrenzen, für die unterschiedliche Sicherheitsanforderungen gelten.
Anforderungen bei Unterrichtsräumen
Bei der Nutzung von naturwissenschaftlich oder technisch genutzten Unterrichtsräumen in Schulen wird unterstellt, dass dort nicht sachkundige Personen unterrichtet werden. Der schulische Unterricht folgt im Allgemeinen dem Grundsatz: zeigen, nachmachen lassen, üben und kontrollieren. Daraus folgt, dass hier die Positionierung der Bedieneinheit für die zusätzliche Absperrung innerhalb des Unterrichtsraumes (z.B. Lehrertisch) erforderlich ist. Die Bedieneinheit muss gegen unbefugtes Öffnen gesichert sein (Schlüsselschalter). Die Schülerübungstische werden immer separat zugeschaltet, wofür eine vom Lehrertisch aus bedienbare, manipulationssichere Zwischenabsperreinrichtung einzubauen ist. Diese besteht wie die zentrale Absperrarmatur aus zwei hintereinander geschalteten Sicherheitsventilen und ist um eine Sicherheitseinrichtung zur Geschlossenstellungskontrolle – beispielsweise mittels Drucksensor – ergänzt. Hierbei ist auch eine kombinierte Kompaktarmatur von Absperr- und Sicherheitseinrichtung zulässig. Die Sicherheitseinrichtung ist ebenso vor unsachgemäßem Gebrauch zu schützen.
Sonderstellung von Laborräumen
In ihrer Funktion als Arbeits- und Forschungsstätte sind die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Gasinstallationen in Laborräumen weniger restriktiv. Hier wird angenommen, dass die Benutzer in der Regel sachkundig sind und ein Verantwortlicher benannt ist. Auch in diesem Fall ist eine zentrale Absperrarmatur in Verbindung mit einer Sicherungseinrichtung als Geschlossenstellungskontrolle vorgeschrieben. Die Bedieneinheit befindet sich jedoch jederzeit zugänglich außerhalb des Laboratoriums. Angrenzende, das heißt untereinander zugängliche Labore können über eine gemeinsame zentrale Absperrung versorgt werden. Dies macht aber nur dann Sinn, wenn die Räume ständig verbunden sind oder sichergestellt ist, dass Zwischentüren dauerhaft geöffnet sind. Bei Gasanschlüssen von Laborräumen mit maximal zwei Entnahmestellen kann optional die Sicherheitseinrichtung entfallen. Hier wird davon ausgegangen, dass der Raum übersichtlich ist und eine gleichzeitige Inaugenscheinnahme der Anschlüsse erfolgen kann.
Für die Analyse des Planers sind mögliche Nutzungsänderungen im Labor von Bedeutung. Aufgrund von anderen Forschungsvorhaben oder -aufträgen, die geänderte Versuchsaufbauten bzw. -abläufen benötigen, können sich neue Anforderungen an die gastechnische Ausstattung ergeben, sodass auch hier z.B. der Einbau einer Zwischenabsperreinrichtung nötig sein kann. In Apparateräumen mit festen Geräteanschlüssen oder in den auf zwei Entnahmestellen begrenzt nutzbaren Laboren ist der Einbau einer Sicherungseinrichtung freigestellt. Aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Nutzer kann auch der Wechsel des Bedienpersonals beziehungsweise der Verantwortlichkeit eine kritische Größe sein.
Hilfe externer Spezialisten
Ein Praxisbeispiel ist der Neubau für die pharmazeutischen Institute der Universität Münster. Als Forschungs- und Lehrgebäude ist der Neubau Bestandteil der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Auf einer Gesamtfläche von 11.000 m² sind hier die drei Institute „Pharmazeutische Biologie und Phytochemie“, „Pharmazeutische und Medizinische Chemie“ sowie „Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie“ zusammengefasst. Insgesamt mussten 630 mit Erdgas versorgte Laborentnahmestellen eingerichtet werden. Aufgrund der Gebäudestruktur und der Verteilung der Fachbereiche mussten hierzu mehr als 8700 m Kupferrohr verlegt werden. Dies verdeutlicht die Komplexität der vom Planer zu bewältigenden Aufgabe.
Die Nutzungsanalyse und Auswahl der technisch notwendigen Ausstattung lässt sich insbesondere bei größeren Projekten am besten in Teamarbeit bewerkstelligen. Allgemein empfiehlt es sich, externe Experten für die Analyse hinzuzuziehen. Ohne deren Spezialkenntnisse in puncto Gassicherheitstechnik und hinsichtlich der normgerechten Ausstattung lässt sich eine zukunftsorientierte Nutzungsanalyse oft nur schwer erstellen. Bei der Universität Münster wurde vor diesem Hintergrund ein Mitarbeiter der Gastechnik Kirchner angefordert. Der in Ingersheim ansässige Hersteller lieferte die erforderlichen Armaturen und bietet ergänzend beratende Serviceleistungen an. Neben dem Planer und dem Experten gehörten auch Vertreter der Universität und des Bauherren sowie des ausführenden Anlagenbauers zum Team.
Die Analyse erfolgte auf Basis der Anforderungen aus den einzelnen Fachbereichen. Hierbei war die Anzahl der Gasentnahmestellen von sekundärer Bedeutung. Primär war die Art der heutigen und künftigen Nutzung sowie die Fluktuation der Nutzer relevant. Dementsprechend wurden unterschiedliche Szenarien in allen Details diskutiert und anschließend die technische Ausstattung bestimmt. Als Hilfsmittel dienten in den Besprechungsrunden Werkpläne, in denen die Festlegungen vermerkt wurden. In mehreren Abstimmungsrunden durch die Fachgremien wurde dann ein Kompromiss gesucht, der die Anforderungen erfüllte. Wie bei dem Bauvorhaben geschehen, sollten diese Festlegungen dann schriftlich fixiert werden.
Im Ergebnis lassen sich die Labore nun in drei Kategorien einteilen: ohne Anforderung an die Sicherheitseinrichtung (kleine Labore, Apparateräume), zusammenhängende Labore mit gemeinsamer zentraler Absperrung sowie einzeln absperrbare Bereiche, die variabler genutzt werden sollten. Insgesamt wurden für die 630 Entnahmestellen 17 zentrale Absperreinrichtungen „VCC125V01“ mit 17 Ventilsteuerungen „SCU 100ADW“ sowie 68 Laborsicherheitsventile „VCL 125V01“ mit 68 Laborsteuerungen „LCU 100ADW“ eingebaut. Die zentralen Absperreinrichtungen wurden sowohl in den kleinen Laboren als auch in Apparateräumen eingesetzt und dabei ein Ermessensspielraum genutzt. Die in den Apparateräumen installierten Geräte sind fest und dauerhaft angeschlossen, z.B. Gaschromatografen. Aufgrund der Bedienung oder Funktion konnten diese zum Teil als nicht überwachungspflichtig im Sinne der Geschlossenheitskontrolle definiert werden. Eine Sicherheitseinrichtung wurde daher nicht benötigt. Ein Merkmal der Laborsicherheitsventile ist die automatische Überprüfung der Sicherheitseinrichtung. Laut DVGW-Arbeitsblatt G 621 ist die Eigenüberprüfung der Sicherheitseinrichtung in Anlehnung an die DIN EN 298 notwendig, um ausreichend Schutz vor Funktionsstörungen der Geschlossenstellungskontrolle und somit vor unsachgemäßem Gebrauch zu gewährleisten.
Fazit
Die gassicherheitstechnische Ausstattung in Laboren ist von unterschiedlichen Interessen bestimmt. Ein für alle Beteiligten akzeptabler Kompromiss muss spätere Korrekturen weitestgehend ausschließen. Als Grundlage ist hierbei eine zukunftsorientierte Nutzungsanalyse unerlässlich.
Dazu sind externe Berater mit speziellen Kenntnissen zu empfehlen, ohne deren Hilfe eine adäquate Bewertung sowie die normgerechte Umsetzung oft schwierig ist.
Autor: Claus Weisshardt, technischer Berater bei der Gastechnik Kirchner GmbH & Co. KG
Bilder: Gastechnik Kirchner GmbH & Co. KG, Ingersheim
www.gastechnik-kirchner.de