Werbung

Normgerecht entwässern

Was muss bei der Be- und Entlüftung von Abwasserleitungen beachtet werden?

Lüftungssysteme im Überblick.

Mindestabstände der Mündung von Lüftungsleitungen zu Fenstern von Aufenthaltsräumen.

Endrohre von Lüftungsleitungen über Dach.

Funktion Belüftungsventile. Bild: Abu-plast

 

Die wichtigsten Anforderungen bei der Planung und Ausführung von Gebäudeentwässerungen sind die normgerechte Bemessung der Abwasserleitungen – unter Berücksichtigung des Mindestgefälles und der Mindestfließgeschwindigkeit bei entsprechendem Füllungsgrad – sowie die einwandfreie Be- und Entlüftung der Entwässerungsanlage. Nur unter diesen Bedingungen ist ein Selbstreinigungseffekt des Entwässerungssystems gewährleistet.

Bei unzureichender Selbstreinigungsfähigkeit muss erfahrungsgemäß mit Ablagerungen im Entwässerungssystem gerechnet werden. Diese führen zu Abfluss- und Lüftungsbehinderungen und letztlich zu Funktionsstörungen in der Entwässerungsanlage. Neben einer normgerechten Planung und Ausführung der abwasserführenden Leitungen ist die ausreichende Be- und Entlüftung der Gebäudeentwässerung von entscheidender Bedeutung. Bei Schmutz- und Mischwassersystemen erfolgt die Be- und Entlüftung über Lüftungsleitungen. Hierbei stellen sie die Verbindung zwischen der Abwasserleitung und der Atmosphäre her, um einen Druckausgleich und das Entweichen von Gasen zu ermöglichen.
Der beim Abfließen von Schmutzwasser entstehende Unterdruck muss durch nachströmende Luft ausgeglichen werden, um das Leersaugen der Geruchverschlüsse zu verhindern. Dazu ist im Belastungsfall eine ungehinderte Luftführung innerhalb des Rohrsystems erforderlich. Durch Messungen konnte nachgewiesen werden, dass der erforderliche Luftvolumenstrom das 10- bis 35-Fache des Wasservolumenstroms betragen kann.

Lüftungssysteme im ­Überblick
In den Entwässerungsnormen DIN EN 12056 und DIN 1986-100 wird zwischen folgenden Lüftungssystemen unterschieden:  

Hauptlüftung
Unter Hauptlüftung versteht man den Leitungsabschnitt, der vom obersten Anschluss an die Fallleitung bis über Dach verläuft. Dieser Leitungsteil führt kein Abwasser und muss in der gleichen Nennweite wie die Fallleitung ausgeführt werden.

Direkte Nebenlüftung
Bei der direkten Nebenlüftung wird die Fallleitung durch eine parallel verlaufende Lüftungsleitung von ihren Lüftungsaufgaben entlastet. Die parallel verlaufende Lüftungsleitung ist in jedem Geschoss mit der Fallleitung verbunden. Dieses Lüftungssys­tem ist geeignet für Fallleitungen mit kurzen Einzel- bzw. Sammelanschlussleitungen.

Indirekte Nebenlüftung
Eine indirekte Nebenlüftung ist im Ansatz bereits gegeben, wenn lange Anschlussleitungen vorhanden sind. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Lüftung der Anschlussleitungen durch eine Lüftungsleitung über Dach oder Rückführung an die Hauptlüftung.

Umlüftung
Unter Umlüftung versteht man eine Lüftungsleitung, die eine Einzel- bzw. Sammelanschlussleitung zusätzlich lüftet. Sie kann an die zugehörige oder eine andere Fallleitung angeschlossen werden.

Ausführung von Lüftungsleitungen
Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass jede Fallleitung über Dach geführt werden muss. In Anlagen ohne Fallleitungen muss für die Be- und Entlüftung der Grund- bzw. Sammelleitungen mindestens eine Lüftungsleitung DN 70 über Dach geführt werden. Innerhalb der so belüfteten Leitungen sind die Anforderungen für Einzel- und Sammelanschlussleitungen einzuhalten. Diese gelten insbesondere bei größeren eingeschossigen Gebäuden, wie Einkaufszentren oder Montagehallen, bei denen keine Schmutzwasser-Fallleitungen notwendig sind.
Lüftungsleitungen sind möglichst geradlinig und lotrecht zu führen. Verzüge von Lüftungsleitungen müssen mit ausreichendem Gefälle verlegt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Umlenkungen mit 45°-Bögen auszuführen sind. Längere Verzüge sollten vermieden werden.
Mündet eine Lüftungsleitung in der Nähe von Aufenthaltsräumen, so ist sie mindestens 1 m über den Fenstersturz hochzuführen oder so zu verlegen, dass sie mindestens 2 m seitlich der Fens­teröffnung liegt. Diese Maßnahme hat sich seit Jahrzehnten zur Verhinderung von Geruchsbelästigungen in der Praxis bewährt.
Zur besseren Be- und Entlüftung von Entwässerungsanlagen sind die Endrohre von Lüftungsleitungen über Dach vorzugsweise nach oben offen auszuführen. Abdeckungen dürfen eingesetzt werden, wenn die Luftströmung nicht mehr als 90° umgelenkt wird und gleichzeitig der Austrittsquerschnitt mindestens dem 1,5-Fachen des Querschnittes der Lüftungsleitung entspricht.
Lüftungsleitungen dürfen oberhalb der höchstgelegenen Anschlussleitung unter einem Winkel von 45° zusammengeführt werden. Das Zusammenführen zu Sammellüftungen wird in der Praxis häufig vorgenommen. Hierbei muss jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass die Leitungsquerschnitte der Sammellüftungen gemäß DIN 1986-100 bemessen sind. 

Belüftungsventile nur bedingt einsetzbar
Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass jede Schmutzwasser-Fallleitung als Lüftungsleitung über Dach geführt werden muss. Nach DIN 1986-100, Abschnitt 6.5.5 dürfen in der Bundesrepublik Belüftungsventile in Entwässerungsanlagen mit dem Hauptlüftungssystem nur als:

  • Ersatz für Umlüftungsleitungen,
  • Ersatz für indirekte Nebenlüftungen,
  • Hauptlüftung bei Ein- und Zweifamilienhäusern oder entwässerungstechnisch vergleichbarer Nutzungseinheiten, wenn mindestens eine Fallleitung als Lüftungsleitung über Dach geführt wird (in diesem Fall ist die Fallleitung mit der größten Nennweite über Dach zu be- und entlüften),
  • Einzelbelüftung von Entwässerungsgegenständen mit Abflussstörungen bei bestehenden Anlagen eingesetzt werden.

Hinweis: Die Einschränkungen sind notwendig, weil Belüftungsventile für keine Entlüftung sorgen. Eine ausreichende Be- und Entlüftung der Entwässerungsanlagen ist aber eine der grundsätzlichen Anforderungen, um erhöhte Gasemissionen durch Faulgasbildung zu vermeiden. Diese Maßnahmen dienen u.a. dem Schutz des in der öffentlichen Kanalisation arbeitenden Service-Personals und dem vorbeugenden Korrosionsschutz der öffentlichen Abwasseranlagen. Belüftungsventile müssen, falls sie eingesetzt werden, der DIN EN 12380 „Belüftungsventile für Entwässerungssysteme – Anforderungen, Prüfverfahren und Konformitätsbewertung“ entsprechen.
Aufgrund oben genannter Problematik sollten Entwässerungssysteme nach Möglichkeit ohne Belüftungsventile installiert werden.

Inspektion und Wartung
Zur Gewährleistung einer dauerhaft einwandfreien Funktion von Entwässerungsanlagen müssen regelmäßige Inspektionen und Wartungen gemäß DIN 1986-3 durchgeführt werden. Die DIN 1986-3 „Regeln für Betrieb und Wartung“, Ausgabe November 2004 richtet sich nicht nur an Sanitärfachleute, sondern insbesondere an Eigentümer und Nutzungsberechtigte, die Entwässerungsanlage bestimmungsgemäß zu betreiben und zu warten.

Fazit
Die in öffentlichen Abwasserkanälen entstehenden hochtoxischen Faulgase müssen sicher aus dem Entwässerungssystem abgeführt werden. Das erfolgt größtenteils über die Lüftungsleitungen der Gebäude- und Grundstücksentwässerungsanlagen. Somit dienen sie der Entlüftung der öffentlichen Abwasserkanäle. Dies trägt zum vorbeugenden Korrosionsschutz bei und schützt Service-Personal bei Wartungsarbeiten im Kanalsystem.
Dauerhaft funktionsfähige Gebäude- und Grundstücksentwässerungsanlagen müssen gemäß den Entwässerungsnormen ge­plant, ausgeführt und betrieben werden. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei auch die richtige Materialwahl der verwendeten Rohre, Formstücke und Verbindungen.

Autor: Bernd Ishorst, IZEG Informationszentrum Entwesserungstechnik Guss e.V., Bonn

Bilder, wenn nicht anders angegeben: IZEG

www.izeg.de


Lüftungshauben vermeiden
Lüftungsleitungen über Dach sind oftmals aus optischen Gründen mit glockenförmigen Hauben versehen. Diese Hauben beeinträchtigen die Be- und Entlüftung der Entwässerungsanlage in starkem Maße und führen häufig zu Funktionsstörungen. Außerdem kann es bei Kanalspülungen zu Problemen kommen, da eine stoßartige Druckentlastung, bedingt durch die Hauben, nicht immer möglich ist. Die Entlastung des Druckes erfolgt dann erfahrungsgemäß über die Geruchverschlüsse, bei denen das Sperrwasser nach oben herausgedrückt wird.

 


Artikel teilen: