Moderne Bautechnik – Risiken für die Trinkwassergüte
Thermografien und Thermalanalysen zur Fremderwärmung von kaltem Trinkwasser (PWC) zeigen praxisnahe Bewertungskriterien und Lösungen für weitläufige Verteilungssysteme auf
Vom Hauseintritt bis zur letzten Entnahmestelle werden Trinkwasserleitungen kalt unterschiedlich stark erwärmt. Simulationsrechnungen und empirische Untersuchungen belegen, dass diesem Einfluss insbesondere horizontale Verteilleitungen in abgehängten Decken unterliegen. Gleiches gilt für Anschlussleitungen von Entnahmearmaturen, sofern diese parallel und mit unzureichendem Abstand zu zirkulierenden PWH-Anschlussleitungen verlegt werden. Stichleitungen in Form von Auskühlstrecken vor der Armatur sorgen für Abhilfe, ohne den Erhalt der Trinkwassergüte zu gefährden.
„Früher war alles besser“ – ein Ausdruck, der wohl kaum als Lösungsansatz für aktuelle Probleme der Gebäudetechnik gilt, oder doch? Mindestens eine Ausnahme wird in Fachkreisen aktuell intensiv diskutiert: das mikrobielle Wachstum im Trinkwasser kalt (PWC) durch Fremderwärmung. Dazu zeigt Bild 1 (A) eine Etagenzapfstelle, die bis weit in die Nachkriegszeit hinein 4 Wohnungen zentral mit Trinkwasser versorgte. Der geforderte Wasseraustausch von > 1 x/72 h nach VDI/DVGW 6023 bzw. > 1 x/7 d nach EN 806-5 in allen Teilstrecken wäre hier in jedem Fall garantiert gewesen, ebenso wie die Einhaltung der maximal zulässigen Betriebstemperatur. Denn die verzinkten Stahlleitungen waren in den massiven Steinwänden vollflächig eingemörtelt. Ohne parallel verlaufende Heizungs- oder Zirkulationsleitungen (eine zentrale Versorgung von Trinkwasser warm gab es ja noch nicht) bestand kein Risiko für mikrobielles Wachstum im „Lebensmittel Nr. 1“ infolge von Erwärmung. Die heutigen Anforderungen der DIN 1988-200 – „Bei bestimmungsgemäßem Betrieb darf maximal nach 30 s nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle die Temperatur des Trinkwassers kalt 25 °C nicht übersteigen …“ – beziehungsweise die Empfehlung nach VDI/DVGW 6023 – „nicht über 20 °C“ – wären mit dieser Installationsform wohl mühelos eingehalten worden.
Installationen nach Bild 1/A gehören nun aber schon lange der Vergangenheit an, denn seitdem haben sich Baustoffe und Konstruktionen mit den Verarbeitungs- und Montagetechniken massiv verändert: Die heutigen Standards für den Innenausbau von Wohnungen wie auch von gewerblichen Objekten gleichermaßen sehen rund um die Trinkwasser-Installation anders aus: Trockenausbau mit CW-Profilen und GKFI-Platten, Schall- und Wärmedämmungen aus Steinwolle oder synthetischen Schäumen, abgehängte Decken mit teils sehr hohen Wärmelasten sowie Vorwandtechnik und Schächte mit vielen Hohlräumen erlauben effiziente Montagetechniken und setzen die Trends in der Baupraxis. Gleichzeitig wird heute Trinkwasser warm (PWH) über weitverzweigte Verteilungsnetze an jede denkbare Entnahmestelle geführt, um zeitgemäße Komfortansprüche zu erfüllen. Durch den hydraulischen Abgleich nach DIN 1988-300 wird dabei über die Temperaturhaltung 60 °C/55 °C mikrobiellem Wachstum in allen zirkulierenden PWH-/PWH-C- Teilstrecken vorgebeugt.
Dennoch hat die Fachwelt für Planung, Bau und Betrieb – trotz allem Know-how nach den a.a.R.d.T. – die Hygiene und damit den Erhalt der Trinkwassergüte offensichtlich vielerorts noch nicht im Griff. Denn seit einigen Jahren mehren sich Meldungen von kritischen Befunden vor allem in Kliniken und Pflegeheimen mit Verkeimungen zum Beispiel durch Legionella pneumophila und/oder Pseudomonas aeruginosa – und zwar zunehmend in Rohrleitungssystemen für Trinkwasser kalt (PWC).
Was sind die Ursachen? Zum einen stellen Sachverständige häufig Wassertemperaturen > 25 °C (nach Stagnation, z. B. nach 8 h) an den Entnahmestellen fest, was auf die Verlegung der Rohrleitungen in Schächten und abgehängten Decken mit hohen Wärmelasten bzw. auf eine unzureichende thermische Entkopplung der PWC-Leitungen hindeutet. Zum anderen werden zunehmend Fälle bekannt, bei denen PWH-Anschlüsse, die in den Zirkulationskreis einbezogen wurden, zu unzulässigen Dauertemperaturen > 25 °C in den Entnahmearmaturen und damit zwangsläufig auch an den PWC-Anschlüssen führen (Bild 1/B). Praxisfälle belegen bereits, dass solche Installationsfehler für eine Vielzahl von mikrobiellen Kontaminationen ursächlich waren.
Um diese möglichen Zusammenhänge fundiert belegen zu können, wurde sowohl die Temperaturentwicklung an Rohrleitungen für PWC/PWH in gedämmten Vorwänden/Decken als auch an Armaturen durch Simulationsrechnungen bzw. messtechnische Untersuchungen bewertet. Die Ergebnisse werden nachfolgend aufgezeigt – mit dem Ziel, dass zukünftig hygienebewusste Planungen von Trinkwasser-Installationen entsprechende Mängel ausschließen. Ferner sollten die Handlungsempfehlungen weiter verifiziert und in zukünftigen Regelsetzungen (EN 806-2, DIN 1988-200, VDI/DVGW 6023) berücksichtigt werden.
Steigleitungen in Schächten: moderate Temperaturen
Wer den Weg des Trinkwassers kalt ab dem Hauseintritt konsequent verfolgt, trifft zwangsläufig auf bauliche und physikalische Gegebenheiten, die eine Erwärmung der Rohrleitungen – insbesondere während üblicher Stagnationszeiten – nach sich ziehen. So ist eine Technikzentrale mit hohen Wärmelasten verständlicherweise kein geeigneter Ort für eine PWC-Hauptverteilung. Das gilt erst recht für die Aufstellung von Apparaten, wie einer Enthärtungsanlage, die bei erhöhten Raumtemperaturen einem erhöhten Risiko der Verkeimung unterliegt. Schon manche Trinkwasser-Installation wurde durch solche regulären Einbauten von „zentraler Stelle aus“ nachhaltig kontaminiert.
Während Kellerverteilungsleitungen in unbeheizten Räumen bezüglich Fremderwärmung in der Regel unkritisch sind, birgt die Verlegung in Installationsbereichen mit hohen Wärmelasten Risiken für die Trinkwassergüte. Deshalb wurden bereits die Anforderungen an die Dämmung solcher PWC-Leitungen nach [1] für diesen Anwendungsfall erhöht und mit denen an zirkulierende PWH-Leitungen für Trinkwasser warm gleichgestellt (sogenannte 100-%-Dämmung). Aber reicht diese Maßnahme in allen Fällen aus, um das Trinkwasser kalt während üblicher Stagnationszeiten vor kritischer Erwärmung zu schützen?
Mit der Empfehlung „nicht über 20 °C“ wird die unter Trinkwasserhygienikern vorherrschende Auffassung deutlich, dass die sonst im Regelwerk verankerten 25 °C als Maximaltemperatur für PWC bereits als Zugeständnis an die Gebäudetechnik zu verstehen sind. Vor diesem Hintergrund sollte jede hygienebewusste Planung nach Möglichkeit alle bauphysikalischen Einflüsse meiden, die als Risiken für den Erhalt der Trinkwassergüte einzustufen sind. Als Lösungsansatz zeigt Bild 2 schematisch die getrennte Installation von Ver- und Entsorgungsleitungen in „kalten“ und „warmen“ Schächten.
Leider ist bislang in der Baupraxis seitens der Architekten kaum die Bereitschaft zu finden, die planerischen Voraussetzungen für solche Anforderungen an die Gebäudetechnik schaffen zu wollen. Hier bedarf es sicher noch über viele Jahre hartnäckiger Überzeugungsarbeit, damit zukünftig solche Lösungen realisierbar werden, die letztlich dem höchsten Schutzziel, nämlich dem der menschlichen Gesundheit, dienen. Integrale Planungskonzepte sowie der zunehmende Einsatz des „Building Information Modeling“ (BIM) im Planungsalltag werden dazu aber sicher ebenfalls beitragen.
Um dennoch auch unter den gegenwärtigen baulichen Gegebenheiten den Erhalt der Trinkwassergüte bestmöglich sicherstellen zu können, müssen schon jetzt Planungskonzepte entwickelt werden, die bei üblichen Schachtbedingungen die Einhaltung der maximal zulässigen Betriebstemperaturen ermöglichen.
Bild 3 zeigt eine Schachtsituation mit Gemischtbelegung von links nach rechts: Heizung RL+VL Cu 35 x 1,2 mm; PWH-C Edelstahl 15 x 1,0 mm; PWH Edelstahl 28 x 1,2 mm; Abluft Stahl/Wickelpfalz DN 100; PWC Edelstahl 28 x 1,2 mm; Abwasser PVC DN 100; 100-%-Dämmung der Versorgungsleitungen nach [1] (Rockwool RS 800).
Bei einer derartig typischen Belegung sollte der Fachplaner wissen und berücksichtigen, mit welcher Temperaturerhöhung in solch einem Teilstreckenabschnitt für Trinkwasser kalt beispielsweise nach 8 oder 24 h Stagnationszeit zu rechnen ist. Dazu wurde die Schachtsituation gemäß Bild 3 einem Simulationsmodell nach der Finite Elemente Methode (FEM) unterworfen und damit eine Thermalanalyse über die Wärmeleitungs-Differenzialgleichung nach Fourier unter üblichen Bedingungen der Baupraxis durchgeführt.
Als Ergebnis lagen die ermittelten Werte für die PWC-Erwärmung in Schächten mit Gemischtbelegung niedriger als erwartet: Die Wärmeabsorption der Umschließungsflächen und damit die umgebenden Raumtemperaturen hatten einen wesentlichen Einfluss auf die Temperaturentwicklung – und sorgten auf diese Weise für eine aus trinkwasserhygienischer Sicht zumindest moderate Temperaturerhöhung.
Das Simulationsmodell basierte dabei auf Kalksandstein für die Schachtrückwand (24 cm), als Front wurde eine zweilagige GKFI-Platte angenommen. Alternativ wurde die Temperaturentwicklung mit Umgebungstemperaturen von 20 °C (z. B. für Wohnräume) und 24 °C (für Nassräume) gerechnet.
Demnach erreicht das Trinkwasser kalt nach Bild 4 mit Ausgangstemperatur 10 °C die 20-°C-Marke nach 11 Stunden bzw. 7 Stunden. Die normativ hygienekritische 25-°C-Grenze als solche wurde überhaupt nur bei Umgebungstemperatur 24 °C nach 19 Stunden Stagnation erreicht. Mit halben Dämmstärken reduzieren sich die Zeitspannen auf 7,5 bzw. 12 Stunden (Bild 5). Mehr Dämmschichtdicke bringt demnach nur eine Verzögerung, löst aber das Problem nicht.
Ein erstes Fazit daraus: Übliche Stagnationszeiten von bis zu 8 h (typischerweise 22 – 6 Uhr) bleiben damit für die Einhaltung der PWC-Temperaturen in solchen Schächten unkritisch. Verschärfende Einflussgrößen für die Übertragbarkeit dieser Werte in die Praxis sind natürlich höhere PWC-Ausgangstemperaturen als 10 °C, erhöhte Umgebungstemperaturen (Sommerfall) sowie höhere Temperaturen als 70/55 °C für Heizung und 60/55 °C für PWH/PWH-C, die zum Beispiel häufig in Kliniken anzutreffen sind.
Keinen nennenswerten Einfluss auf die Temperaturentwicklung hatte im Übrigen eine Simulationsrechnung dieser Schachtsituation ohne Abluftleitung bei entsprechend reduzierter Schachtgröße.
Horizontale Verteilungen: Hohe Wärmelasten in abgehängten Decken
Insbesondere in Kliniken und vergleichbaren Zweckbauten mit viel Technischer Gebäudeausrüstung (TGA) unterliegen horizontale PWC-Verteilleitungen der Wärmeabgabe von zahlreichen Rohr- und Elektroleitungen sowie Deckenleuchten und/oder Einbaustrahlern. Letztere können in Zonen über Aufenthaltsbereichen, die mit Halogenstrahlern stark ausgeleuchtet werden, schätzungsweise über 50 % der Wärmelast verursachen und sollten deshalb besser gegen LED-Technik
ausgetauscht werden. Da in Behandlungs- und Pflegeräumen bis zu 26 °C als Solltemperatur gilt, sind in den darüber liegenden Installationsbereichen Temperaturen von > 30 °C eher die Regel als die Ausnahme.
Jede Rohrleitungsführung in einer abgehängten Decke ist individuell. Aufgrund fehlender Standards wurde deshalb dafür kein Simulationsmodell, sondern ein einfacher Versuchsaufbau zur empirischen Ermittlung der Messwerte nach Bild 6 gewählt. Dafür wurden unter Laborbedingungen in einem geschlossen horizontalen Schacht Edelstahlrohre 28 x 1,2 mm mit 100-%-Dämmung installiert und die Entwicklung der PWC-Temperatur nach Stagnation bei erwärmter Luft mit 35 °C in freier Konvektion gemessen. Die Ausgangstemperatur bei Stagnationsbeginn betrug hier 14 °C.
Damit wurde deutlich, dass entsprechende Installationsbereiche weitaus kritischer zu bewerten sind als das Schachtmodell nach Bild 3. Die 20-°C-Marke war faktisch schon nach 1 h überschritten, nach 2 h dann die 25 °C – bei höherer Ausgangstemperatur, wie in weitläufigen Netzen oft anzutreffen, wäre das zwangsläufig noch schneller erfolgt.
Damit ist es selbsterklärend, dass nach mehrstündiger Stagnation PWC-Temperaturen von 25 °C bzw. 20 °C in Teilstrecken ohne technische Hilfseinrichtungen, wie zum Beispiel Spülsysteme, immer überschritten werden. Alternativ wäre nur eine andere Rohrleitungsführung für PWC, beispielweise im Fußbodenaufbau, zu empfehlen – sofern dafür die baulichen Voraussetzungen gegeben sind.
Wärmeleitung durch zirkulierende PWH-Anschlüsse/Armaturenkörper
Die hygiene(un)kritische Temperaturhaltung in Trinkwasser-Installationen von Zweckgebäuden, wie Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen, ist aber nicht nur eine Frage der Rohrleitungsführung in Wänden und Decken, sondern ebenso an den Entnahmestellen selbst ein Thema: Infrarotaufnahmen von Wandarmaturen mit PWH-Anschlüssen, die in die Zirkulation eingebunden sind, zeigen, dass sich gemäß Bild 7 am Armaturenkörper eine Oberflächentemperatur von 43,5 °C ergibt. Aufgrund der Wärmeleitung über den Armaturenkörper aus Messing erwärmt sich der PWC-Anschluss dadurch bereits nach kurzer Stagnationszeit ebenfalls deutlich, und zwar auf 34,3 °C. Auf „halbem Weg“ wird damit die Kartusche mit Armaturenfett als bioverfügbarer Kohlenstoff und damit als Nährstoffdepot regelrecht „bebrütet“. Insbesondere Wandarmaturen sollten deshalb am PWH-Anschluss per se nur mittels Auskühlstrecke – mit Wärmestrom von oben nach unten – angeschlossen werden.
Die während der letzten drei bis fünf Jahre vorherrschende Planungsprämisse vieler Fachingenieure, für eine bestmögliche Trinkwassergüte möglichst jede noch so kurze Stichleitung durch Einbindung in die PWH-Zirkulation ausschließen zu wollen, hat sich inzwischen offensichtlich als eine „über das Ziel hinausgeschossene“ Idee herausgestellt. Eine Auskühlstrecke zu einer bestimmungsgemäß genutzten Entnahmestelle hingegen verlängert zwar die Ausstoßzeit minimal, lässt jedoch lokal kein erhöhtes Risiko für ein mikrobielles Wachstum erwarten. Das bestätigen auch namhafte Trinkwasserhygieniker. Der Hintergrund: Durch mindestens eine Nutzung binnen 3 bzw. 7 Tagen mit 55- bis 60-grädigem Wasser wird eine denkbare mikrobielle Belastung der Auskühlstrecke bzw. des PWH-Anschlusses unter der Nachweisbarkeitsgrenze immer wieder eliminiert.
Ganz anders sieht es hingegen beim Anschluss PWC aus. Er verfügt nicht über diese regelmäßige „Reinigungsfunktion“, sodass es sukzessive selbst bei regelmäßiger Nutzung zu einer wachsenden mikrobiellen Belastung kommen kann. Mit fatalen Folgen, denn inzwischen reift unter Sachverständigen zunehmend die Erkenntnis, dass derart grobe Anlagenmängel nur durch bauliche Veränderungen, also die nachträgliche Installation von Auskühlstrecken, entschärft werden können. Die Schadenssummen gehen dabei, je nach Anlagengröße und Dauer des Betriebsausfalls, schnell „in die Millionen“.
Auskühlstrecken richtig bemessen
Wie die Länge von Auskühlstrecken richtig bemessen wird, dazu gibt es derzeit in der Literatur noch unterschiedliche Auffassungen. Eine praxisgerechte Simulationsrechnung ist zudem aufgrund zu vieler Variablen in der Baupraxis schwierig. Deshalb wurde auch hier ein Versuchsstand in Vorwandtechnik mit diversen Längen von Auskühlstrecken entsprechend Bild 8
aufgebaut, um praxisgerechte Planungsempfehlungen ableiten zu können. Für die Prüfanordnung wurden vier Waschtisch-Vorwandelemente an eine Kalksandsteinwand montiert. Die Installation des PWH-C-Kreises mit Kupferrohr 15 x 1 mm, gedämmt nach DIN 1988-200, erfolgte innerhalb der Vorwandelemente. Bis auf den PWH-Anschluss von Armatur 4 in Bild 8 wurden alle Auskühlstrecken ebenfalls mit Kupferrohr ausgeführt. Die PWC-Reihenleitung wurde mit PE-X/AL/PE-X-Rohr erstellt. Die Verkleidung erfolgte zweifach mit GKFI-Platten. Alle Messpunkte wurden mit Temperaturfühlern (Pt 1000) ausgestattet und mit einem Datenlogger verbunden
Die Messergebnisse aus diesem Versuchsaufbau gemäß Bild 9 bzw. Tab. 1 sind selbsterklärend: Das Wertepaar von Armatur 1 (ohne Auskühlstrecke) mit 43,9 °C / 28,0 °C bestätigt näherungsweise die Praxiserfahrungen entsprechend der Thermografie in Bild 7 (der niedrige PWC-Wert wird nachfolgend noch näher kommentiert). Die Ergebnisse an den üblichen Armaturen machen deutlich, dass weder die Längen der Auskühlstrecken > 8 x DN noch der Werkstoffwechsel auf PE-X/Al/PE-X einen nennenswerten Einfluss auf die Wärmeleitung hat.
Die Prüfungen wurden außerdem sowohl mit „leerer“ Vorwand als auch mit Steinwolle ausgefüllt durchgeführt, welche in der Praxis dort häufig aus Gründen des Schallschutzes zum Einsatz kommt. Auch hierbei ergaben sich keine relevanten Abweichungen. Die Messergebnisse werden deshalb nicht gesondert aufgeführt.
Ein weiterer Aspekt der Baupraxis bleibt bei dieser Betrachtung allerdings unberücksichtigt: Gerade in Trockenbauwänden ist das vollflächige Einbringen von mineralischen Dämmplatten aus Schallschutzgründen die Regel. Werden darin in den Zirkulationskreis eingebundene PWH-C-Anschlussleitungen parallel und mit unzureichendem Abstand zu den PWC-Anschlussleitungen verlegt, kommt es trotz einer durchgängigen Rohrdämmung zu einem lokalen Wärmestau über die volle Leitungslänge. Das wurde bereits durch eine Vielzahl von Thermografien bestätigt. Ohne die Schallschutzdämmung, also in einer „leeren“ Trockenbauwand, würden die Wandflächen die entstehenden Wärmelasten hingegen wesentlich stärker absorbieren (vgl. Ergebnisse der FEM-Simulation). Infolgedessen kommt es dann bei solchen Rohrleitungen auf voller Länge zu einer Wärmeübertragung. Die Erwärmung des PWC-Anschlusses der Armatur erfolgt in solchen Fällen somit nicht nur über die Armatur – was schließlich auch den T5-Wert (28 °C) mit 6,3 K Differenz gegenüber dem Praxisfall (schallgedämmte Trockenbauwand / Thermografie / Bild 7) erklärt.
Aufgrund dieser Ergebnisse wird entsprechend Bild 10 dringend davon abgeraten, PWH-C-Leitungen von einer oberen horizontalen Verteilung aus überhaupt herunter in die Installationswände zu verziehen. Als Konsequenz ergeben sich dann zwar PWH-Auskühlstrecken von gegebenenfalls zusätzlichen 1 bis 2 m Länge und etwa 2 bis 3 s längere Ausstoßzeiten. Ein erhöhtes hygienisches Risiko gegenüber den Mindestlängen von 8- bis 10 x DN ist dadurch jedoch nicht zu erwarten. Denn von der Verpflichtung, die Armatur bestimmungsgemäß zu nutzen, wird der Betreiber auch bei einer noch so kurzen Auskühlstrecke nicht entbunden (Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB). Und selbst die komfortabelste Ausstoßzeit von 10 s nach VDI 6003 (Anforderungsstufe 3) wird in der Regel eingehalten. Beides gilt übrigens auch – ohne erhöhtes hygienisches Risiko – für jede Trinkwasser-Installation nach einem Wohnungswasserzähler, die ja prinzipiell nicht in den Zirkulationskreis einbezogen werden kann.
Fazit
Der Erhalt der Trinkwassergüte (PWC) auf dem Weg vom Hauseintritt bis zur letzten Entnahmestelle ist infolge von Fremderwärmung, die mikrobielles Wachstum nachweislich fördert, gefährdet. Daher sollten für die jeweiligen Teilstrecken, welche vom Hausanschlussraum bzw. der Heizzentrale durch unbeheizte Kellerräume, in vertikalen Schächten mit Gemischtbelegung, in abgehängten Decken, Installationswänden oder in Vorwandtechnik verlaufen, die Risiken für den Erhalt der Trinkwassergüte separat bewertet werden. Denn jeder dieser Installationsbereiche ist je nach bauphysikalischen Bedingungen unterschiedlich hohen Wärmelasten ausgesetzt. Allerdings addieren sich alle Wärmeeinträge, weshalb – bei vertretbarem Aufwand – jegliche Maßnahmen empfohlen werden, die die Fremderwärmung über den gesamten Fließweg reduzieren helfen.
Generell ist festzuhalten, dass insbesondere horizontale Verteilungsleitungen in abgehängten Decken hohen Wärmelasten ausgesetzt sind und vor kritischer Erwärmung zu schützen sind. Zu zweckmäßigen Maßnahmen zählen Dämmschichtdicken min. 100 %, Leitungsführungen außerhalb solcher Bereiche oder der Einsatz von Spülsystemen zur Temperaturbegrenzung durch kontrollierten Wasseraustausch, wobei dem Planungsziel kleinstmöglicher Rohrweiten eine hohe Bedeutung zukommt (Betriebskosten). Ferner sollten Entnahmearmaturen warmwasserseitig nie direkt mit einer Doppelwandscheibe in den Zirkulationskreis einbezogen sondern nur mittels einer Auskühlstrecke angeschlossen werden. Dabei reicht nach den vorliegenden Ergebnissen eine Länge von 8-10 x DN – mit Wärmestrom von oben nach unten. Bei parallel verlegten Anschlussleitungen in schallgedämmten Trockenbauwänden wird empfohlen, die Auskühlstrecken deutlich zu verlängern (im Sanierungsfall ≥ 50 cm) bzw. bei Neuplanungen gänzlich auf die Einbeziehung solcher PWH-Anschlussleitungen in den Zirkulationskreis zu verzichten (Bild 10).
Schlussbemerkung
Die für diese Veröffentlichung gewonnenen Daten und Erkenntnisse sind explorativ und erheben deshalb keinen Anspruch auf eine uneingeschränkte Übertragbarkeit auf alle Gegebenheiten der heutigen Planungs- und Baupraxis. Sie sollen zur weiteren Verifizierung anregen und werden zur Berücksichtigung in zukünftigen Regelwerken für Planung und Bau von Trinkwasser-Installationen empfohlen.
Dank gilt den Herren Dipl.-Ing. T. Klosta und R. Lichtenstein im Hause Viega für die Unterstützung bei der Ermittlung der Messwerte und Simulationsdaten, die diesem Beitrag zugrunde liegen.
Literatur:
[1] DIN 1988 – 200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW; Berlin: Beuth, 2012
[2] DIN CEN/TR 16335: Empfehlungen zur Verhinderung des Legionellenwachstums in Trinkwasser-Installationen; Deutsche Fassung CEN/TR 16355; Berlin: Beuth 2012
[3] Kistemann et al: Gebäudetechnik für Trinkwasser; Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg, 2012
[4] VDI 6003: Trinkwassererwärmungsanlagen – Komfortkriterien und Anforderungsstufen für Planung, Bewertung und Einsatz; Berlin: Beuth, 2012
[5] VDI/DVGW-Richtlinie 6023: Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung; Berlin: Beuth 2013
[6] Viega Praxishandbuch: 7. Auflage; Attendorn: 2016
Autor: Dipl.-Ing. W. Schulte, Leiter des Technischen Marketings und des Normungswesens bei Viega, Attendorn
Bilder: Viega, Attendorn
Installationsschächte für Trinkwasserleitungen kalt müssen so geplant und gebaut werden, dass eine Trinkwassertemperatur von 25 °C (Empfehlung: nicht über 20 °C) nicht überschritten wird. Trinkwasserleitungen kalt müssen so geplant und gebaut werden, dass sie zu warmgehenden Leitungen thermisch entkoppelt sind. Falls notwendig, ist eine räumliche Trennung durchzuführen. Alle Trinkwasserleitungen müssen ausreichend gedämmt sein, Trinkwasserleitungen kalt nach DIN 1988-200 (vgl. VDI/DVGW 6023, Punkt 6.2.3).
Im Sinne hygienebewusster Planungen sind Doppelwandscheiben für Armaturenanschlüsse nur in Reihen- und Ringleitungen einzusetzen, die nicht in den Zirkulationskreis (PWH-C) einbezogen sind!