Mehr als Schall- und Brandschutz
Hausabfluss-Systeme aus Guss und Kunststoff
Häusliche Abwasseranlagen genießen gegenüber den anderen Bereichen der wasserführenden Gebäudetechnik keinen besonderen Stellenwert. Ihre Funktion wird gerne mit dem „reinen Verschwinden und Ableiten“ des verschmutzten Wassers gleichgesetzt. Doch spätestens mit den neuen Brandschutzregeln für Mischinstallationen – Fallstrang aus Guss, Etagenanbindung aus Kunststoff – oder den neuen Abstandsregeln sind Hausabfluss-Systeme plötzlich wieder in den Fokus von TGA-Fachplanern und den verarbeitenden Installationsbetrieben gerückt. Umso wichtiger ist es, die in Deutschland gängigsten Systeme zu kennen.
Spezifische Eigenschaften prägen den Nutzenaspekt
Tatsächlich haben Entwässerungsanlagen einen großen Einfluss auf die Planungs- und Ausführungsleistungen. In diesem Zusammenhang sei an das normkonforme Gefälle, den Brand- und Schallschutz oder die Beständigkeit/Langlebigkeit erinnert. Schlechter Schallschutz ist sofort hörbar, zu groß dimensionierte Leitungen oder die Auswirkungen mangelnden Gefälles machen sich i.d.R. erst nach mehrjährigem Betrieb bemerkbar. Sind Verlegefehler vorhanden, werden sie selten beanstandet, weil den Betreibern normalerweise die Kenntnisse über eine einwandfreie Funktion fehlen. So werden meist nur die optisch erkennbaren Missstände beanstandet. Nicht regelkonform oder nicht nach den Vorgaben der Hersteller ausgeführte Brandschutzmaßnahmen können im Ernstfall sogar zur Katastrophe führen. So wird aus dem simplen Abwasserrohr ein Produkt, dessen spezifische Eigenschaften den Nutzenaspekt maßgeblich prägen.
Interessant ist auch ein anderer Gesichtspunkt: Laut Provinzial-Versicherung waren von 1257 Leitungsschäden in den Jahren 2010 bis Mai 2012 immerhin 24% dem Bereich der Abwasserleitungen zuzuordnen, noch vor Schäden von Trinkwasserleitungen mit 20%.
Verschiebung der Marktanteile
Die Verschiebung der Marktanteile für Kunststoffrohr-Systeme sind in den letzten Jahren im Wesentlichen durch die Verarbeitung beeinflusst worden. Dabei ist das geringe Gewicht der Kunststoffrohre und die einfache Verarbeitung (Rohrtrennen, Steckverbindung, geringer Werkzeugeinsatz) von den Herstellern besonders in den Fokus gerückt worden. Zudem haben manche Hersteller ihr Angebot an Rohrdimensionen und damit auch das Anwendungsspektrum erweitert.
Insgesamt ist der Anteil der Schallschutzsysteme am Gesamtmarkt in Deutschland in den letzen Jahren merklich angestiegen. Auch aus den Diskussionen um den Brandschutz bei der Anbindung von Kunststoffrohren an gusseiserne Fallleitungen dürften am Ende die Hersteller von Hausabfluss-Systemen aus Kunststoff profitieren.
Zwei Produktgruppen
Innerhalb der verfügbaren Abwassersysteme für die Gebäudetechnik unterscheidet man im deutschen SHK-Markt zwei bedeutsame Gruppen:
- nicht brennbare Rohrsysteme,
- brennbare Rohrsysteme.
Metallische Rohrsysteme werden gemeinhin mit den nicht brennbaren Rohren gleichgesetzt. Dieser Bereich ist geprägt durch gusseiserne Rohre, wie sie von Düker oder Saint-Gobain HES angeboten werden. Gussrohre gibt es in verschiedenen Versionen für unterschiedliche Einsatzbereiche. Sie sind bis zur Rohrdimension DN 400 erhältlich. Rohre aus Stahl und Edelstahl vervollständigen diesen Bereich, die aber keine große Marktrelevanz haben.
Kunststoffrohre werden aus den verschiedensten Werkstoffen und Werkstoffkombinationen hergestellt und dominieren gemeinsam den Markt als „brennbare Rohrsysteme“. Die meisten Systeme bestehen aus dem Werkstoff Polypropylen (Ostendorf, Poloplast, Rehau, Wavin und Geberit). Dieses Rohr gibt es in verschiedenen Ausprägungen (Ein- oder Dreischichtrohr, in den meisten Fällen mineralverstärkt). Geberit hat mit „Silent-db20“ zudem eine Variante aus mineralverstärktem Kunststoff (PE-S2) im Programm. Girpi (Friatec) setzt bei „Friaphon“ auf eine Kombination aus ABS/ASA/PVC-U (Rohrinnenschicht) und PVC-U (Rohraußenschicht).
Verbindungstechnik
Neben den spezifischen Werkstoffeigenschaften ist eine weitere Unterteilung durch die Verbindungstechnik sinnvoll. Dominierend ist bei Kunststoffrohren die Steckverbindung. Steckmuffen sind bei den meisten Herstellern die Standardverbindung. Weitere Verbindungstechniken sind die aus dem Gussrohrbereich bekannten und dort als Regelverbindung zum Einsatz kommenden Spannverbinder. Steckverbindung und Spannverbinder sind durch die lange Tradition dieser Verbindungsarten allgemein anerkannt. Spannverbinder können für Kunststoffrohre eingesetzt werden, wenn sie dafür zugelassen sind. Bei einigen Herstellern von Kunststoffrohr-Systemen (u.a. Geberit mit „Silent-db20“) werden die Rohrleitungen durch Elektroschweißmuffen und/oder Spiegelschweißen formschlüssig verbunden. Auch geklebte Verbindungen werden angeboten, beispielsweise für „Friaphon“ (Girpi).
Sonderformteile für platzsparende Installation
In Sanierung und Modernisierung stehen Fachplaner und Verarbeiter oft vor der Aufgabe, die Gebäudetechnik in die vorhandene Bausubstanz integrieren zu müssen. Dagegen wird im Neubau um jeden Quadratzentimeter Wohnfläche gerungen. Dementsprechend klein werden die Versorgungsschächte ausgelegt oder es muss z.B. im Gäste-WC auf kleinster Fläche die Gebäudetechnik integriert werden.
Diese Anforderungen macht, auch nicht vor Hausabfluss-Systemen halt, wenn – unter beengten Platzverhältnissen – normkonform die Abwasserleitungen verlegt werden müssen. Standardformteile kommen da schnell an ihre Grenzen und erfordern oft zusätzlichen Platz für die Installation, meist verbunden mit starken Eingriffen ins Bauwerk. Die meisten Hersteller haben sogenannte Sonderformteile im Programm, mit denen sich beispielsweise das Abwasser eines WCs und einer Dusche ableiten lässt.
Schall- und Brandschutz
Die Erreichung der in der DN 4109 oder in dem VDI-Regelwerk definierten Anforderungen an den Schallschutz wird durch Messungen in Prüfräumen demonstriert und dokumentiert (Schallschutzgutachten). Die Ergebnisse der Messungen sind jedoch nicht immer auf die Bausituationen übertragbar. Der Planer und Anwender ist daher gut beraten, die Schallschutzsysteme für seine spezifische Anwendung zu hinterfragen.
Gussrohre sind sehr gut in der Lage, Luftschall zu absorbieren. Körperschall hingegen wird leicht übertragen. Daher muss dieses Rohr vom Baukörper mit entsprechenden Produkten wie Schellen mit Gummieinlage und Ummantelungen entkoppelt werden. Kunststoff hat nicht so gute Dämmeigenschaften gegen Luftschall. Um hier eine Verbesserung zu erzielen, bieten einige Hersteller modifizierte Produkte an. Das Rohr besteht dann z.B. aus einem besonderen Kunststoff, hat in Formstücken Aufprallzonen oder ist aus mehreren Schichten aufgebaut. Bei Geberit heißt das Rohr „Silent-db 20“, bei Wavin sind es die Produkte „AS“ und „Si-Tech“, bei Rehau „Raupiano plus“ und bei Poloplast „Polo-Kal NG“ und „Polo-Kal 3S“.
Der Brandschutz ist nicht nur durch die größeren Dimensionen von Abwasserleitungen ein sicherheitsrelevantes Thema. Lösungen für nicht brennbare und brennbare Rohre – als Abschottungen bei der Durchführung von raumabschließenden Bauteilen (Wände, Decken) – sind vorhanden, auch für Mischinstallationen. Je nach Hersteller gibt es eigene oder handelsübliche Lösungen. Da die Leitungsmaterialien Auswirkungen auf die brandschutztechnische Verlegung haben, sind die individuellen Besonderheiten der jeweiligen Systeme als Kostenfaktor einzuplanen.
Kostenfaktoren richtig berücksichtigen
Die Kosten für Rohrleitungen und Formteile stellen keinen aussagekräftigen Vergleich dar, werden jedoch oftmals für Gegenüberstellungen herangezogen. Die Verbindungstechnik und das Material verlangen die Einhaltung herstellerspezifischer Verlegeregeln. Als Kostenfaktor wird diese Verlegung zwar gelegentlich herangezogen, jedoch sind meist die weiteren Rahmenbedingungen (Befestigung, Brandschutzmaßnahmen, zusätzliche Schallschutzmaßnahmen, Übergänge, Formteile) ausschlaggebend für die dem System zuordnungsfähigen Kosten.
Neue Regeln der Technik
Das Mauerblümchendasein für Hausabfluss-Systeme innerhalb der SHK-Gewerke war einmal. Die Ansprüche der Nutzer haben sich deutlich erhöht, dadurch hat die Sensibilität in der Ausführung deutlich zugenommen. Die Einhaltung der Schallschutzanforderungen wird speziell im Komfortwohnungsbau penibel überwacht. Die neuen Rahmenbedingungen im Brandschutz stellen höchste Anforderungen an Planung und Ausführung. Tatsächlich beschäftigen die „neuen Regeln der Technik“ hinsichtlich der Brandschutzanforderungen die Hersteller und Fachplaner/Handwerker mehr als ihnen lieb sein kann.
Autor: Dietmar Stump, freier Journalist
Das sollte man zum Schallschutz wissen
Bauaufsichtlich verbindlich sind die Schallschutzanforderungen aus der Normenreihe DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“. Weitere Anforderungen definiert die VDI-Richtlinie 4100.
Festzustellen ist, dass die Anforderungen sehr hoch geworden sind und der vereinbarte Schallschutz sich nur mit Sorgfalt in der Planung und Ausführung erfüllen lässt. Schon die Einhaltung eines vorgeschriebenen Installationsschallpegels nach DIN 4109 von < 30 dB(A) bei Geräuschen aus Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen für schutzbedürftige Wohn- und Schlafräume setzt bei den meisten Grundrissen eine detaillierte Planung und fehlerfreie Ausführung voraus. Grundsätzlich gilt: Schallschutz ist einklagbar. Gerichtsurteile bestätigen immer wieder, dass eine mangelhafte Schalldämmung, trotz vermeintlicher Erfüllung der DIN-Norm, zu einem Werkmangel führen kann, der teure Nachbesserungen oder sogar Schadenersatzansprüche zur Folge haben kann.