Kühlen mit Regenwasser - Vorteile durch EnEV 2014, positive Auswirkung auf CO2-Bilanz, Energie- und Wasserkosten, Stadtklima
Versiegelte, wasserundurchlässige Flächen wie Dächer und Straßen verschlechtern besonders in unseren Städten das Mikroklima durch die Änderung der Strahlungs- bzw. Energiebilanz. Folgen sind steigende Temperaturen im engeren Gebäudeumfeld und ein unbehagliches Raumklima bzw. ein erhöhter Energiebedarf bei der Gebäudeklimatisierung. Die Verdunstung von Regenwasser bietet sich als eine günstige Alternative zu den herkömmlichen Methoden an, ohne schädliche Nebenwirkungen – im Gegenteil, Synergie-Effekte steigern deren ökologische und ökonomische Attraktivität. Zudem bringt die adiabate Kühlung mit der EnEV 2014 für die Berechnung des Jahresprimärenergiebedarfs Vorteile.
Stadtplaner wissen es längst und Betreiber von Photovoltaikanlagen wissen es zu schätzen: Begrünte Dächer kühlen hervorragend. Sie haben eine hohe Effektivität und funktionieren mit einer kostenfreien Energiezufuhr aus der Umwelt. Je nach Temperatur und relativer Feuchte der Luft verdunsten sie gespeichertes Regenwasser. In diesem selbsttätig ablaufenden natürlichen Prozess wird die in der Umgebung verfügbare Wärme gebunden, was zu einer deutlichen Abkühlung führt – und damit den sogenannten Hitzeinsel-Effekt in unseren Stadtzentren lindert. „Bei unserem flachen Versuchsdach, halb mit einer freiliegenden Bitumenbahn und halb mit Begrünung bedeckt, haben wir an Sommertagen über der Abdichtung satte 60°C gemessen, über dem Grün zeitgleich angenehme 34°C“, berichtet Dieter Schenk, Geschäftsführer eines Herstellers von Dachbegrünungssystemen und Mitglied im Vorstand des Deutschen Dachgärtner Verbandes DDV e.V.
Synergie Dachbegrünung/Photovoltaik
Wer auf derselben Dachfläche durch Photovoltaik Strom erzeugen möchte sollte wissen, dass die Stromausbeute sich erhöht, wenn die Umgebung bei gleicher Einstrahlung möglichst kühl ist. Man wird also den Verdunstungsprozess des Gründachs nutzen, wenn nicht gar optimieren. Dachbegrünung nach heutiger Bauart ist ein System aus mehreren Schichten mit Substratstärken ab 8 cm und mit Verdunstungsraten im Jahresmittel von 30% bis über 90% der auftreffenden Regenmenge. „Wir können durch entsprechende Speicherlagen den Rückhalt des Regenwassers im System erhöhen“, erklärt Dr. Gunter Mann, Präsident der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB) in Saarbrücken, und gibt zu bedenken, dass besondere Vorrichtungen Solarpaneele in der Dachbegrünung verankern und Regenwasser auch unter der Photovoltaik-Fläche den Pflanzen zugeführt wird. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, vor Planung und Ausschreibung bzw. Ausführung einer solchen Solaranlage, Informationen einzuholen.
Verdunstungskühlung an der Fassade
Eine weitere Variante zur Kühlung der Photovoltaik durch Regenwasser ist die offene Wasserfläche, gespeist aus einem Regenspeicher. So hat z.B. eine Solar-Fabrik im Freiburger Industriegebiet ihre Solarpaneele in die Glasfassade zwischen den Fenstern direkt über dem Wasser integriert. Besucher der Firma haben das flache, mit Seerosen besetzte und von Regenwasser durchflossene Becken links und rechts unter ihren Füßen, wenn sie sich über einen Steg auf den Haupteingang zu bewegen. Das Becken wirkt als Spiegelteich, erhöht so die Intensität der Sonneneinstrahlung und kühlt durch Verdunstung des von den Dachabläufen gesammelten Regenwassers. Auch hier ist die erhöhte Stromausbeute neben der architektonischen Wirkung gewollt und geschickt geplant [1].
Wahrscheinlich ist, dass Garten- und Landschaftsarchitekten von Spiegelteich und Fassadenbegrünung mehr fasziniert sind, als Fachplaner und Fachbetriebe für Haustechnik. Doch die Werte der natürlichen Klimaanlagen sind messbar. Zukunftsweisende Projekte entstehen im Miteinander der Fachleute. Und derartige Pilotvorhaben sind dann besonders von Nutzen, wenn nach Fertigstellung eine Verifizierung der angenommenen Ergebnisse erfolgt – so geschehen beim 2003 fertiggestellten Institut für Physik der Humboldt Universität in Berlin-Adlershof. 10 Jahre lang wurden Daten zur Kühlung mit Regenwasser gesammelt und wissenschaftlich ausgewertet. Beteiligt waren die Hochschule Neubrandenburg unter Leitung von Prof. Dr. Manfred Köhler und die Technische Universität Berlin, Institut für Architektur, unter Federführung von Dipl.-Ing. Marco Schmidt. Getestet wurde u.a. die Bepflanzung der nach Süden orientierten Fassaden. Hier sollten an Kletterhilfen rankende Spezies gefunden werden, die automatisch mit Regenwasser versorgt, im Sommer Schatten spenden und im Winter Sonneneinstrahlung zulassen. Die veröffentlichten Erkenntnisse sind vielfältig und als Orientierung für eine „grüne Architektur“ hilfreich [2].
Adiabate Abluftkühlung
Das Institut für Physik der Humboldt Universität in Berlin-Adlershof nutzt Regenwasser auch für die Verdunstungskühlung mit einem Modul innerhalb der Klimaanlage. Bei dieser sogenannten adiabaten Abluftkühlung wird die Kälte direkt im Wärmeübertrager der Lüftungsanlage durch Befeuchtung der Abluft erzeugt. Ein Vorteil ist auch, dass bei der Verwendung von Regenwasser (anstelle von Trinkwasser) eine Entsalzung entfallen kann. Energie, Trinkwasser und Abwasser samt Gebühren werden gespart. Und ein weiteres Plus: Das Regenwasser gelangt vor Ort wieder in den natürlichen Wasserkreislauf mit positiven Auswirkungen auf das lokale Mikroklima und die globale Erwärmung. Bei Außentemperaturen auch über 32°C kann die Zuluft auf 21 bis 22°C gekühlt werden, ohne auf technisch erzeugte Kälte zurückgreifen zu müssen. Die Kombination der adiabaten Abluftkühlung mit Maßnahmen der passiven Gebäudekühlung (Fassaden- und Dachbegrünung, Konzept der Nachtauskühlung) ermöglicht den vollständigen Verzicht auf konventionelle Kälteversorgung bei diesem 2003 in Berlin fertiggestellten Objekt.
In einem Schulgebäude in Frankfurt am Main liegt der Fall ähnlich. Mit Erschließung des neuen Stadtteils Riedberg im Norden der Main-Metropole wurde 2013 das Gymnasium für 1350 Schüler eingeweiht. Auch hier wurde auf konventionelle Kältetechnik verzichtet. Niederschlagswasser von 2500 m² Dachflächen wird in einer 36m³ fassenden unterirdischen Regenwasserzisterne gesammelt. Ein Teil davon ist Vorrat für die Hochdrucknebellöschanlage. 15m³ pro Jahr werden für die Verdunstung gebraucht, um mit ca. 9200m³/h an heißen Sommertagen die Räume zu kühlen. „Für das Gymnasium Riedberg bedeutet dies gegenüber einer herkömmlichen Kompressions-Kältemaschine eine deutlich geringere Investition und jedes Jahr rund 1000 Euro weniger Betriebskosten“, sagt Dipl.-Ing. Frank Schiller von CSZ-Ingenieurconsult Darmstadt, dem Unternehmen, das mit der Planung beauftragt war.
Nicht alle Anlagen vertragen Regenwasser
Nach Einschätzung von Thomas Lauer, im Vertrieb für den Klimaanlagen-Hersteller Menerga tätig, sind nur zwei oder drei Anbieter in Deutschland in der Lage, eine adiabate Kühlung mit Regenwasser anzubieten. „Die anderen raten davon ab, weil Werkstoffe in ihren Anlagen vom weichen Regenwasser angegriffen würden“, so Lauer. Ähnlich verhielt es sich vor 20 Jahren mit Haushalts-Waschmaschinen. Erst als einer der großen Hersteller sein für Regenwasser taugliches Gerät vorgestellt hatte, zogen viele andere Marken nach. Doch was passiert, wenn das Regenwasser aufgebraucht ist? Lauer weiß, dass bei seinen Anlagen dann oft unbehandeltes Trinkwasser für die Verdunstung genutzt wird. „Es hängt von der Wasseranalyse ab, die zu jedem Versorgungsgebiet heute im Internet abgerufen werden kann.“
Aus eigener Erfahrung schätzt Lauer den aktuellen Kühlbedarf in Deutschland auf 85% Zuluft-Konditionierung, 10% Kaltwassererzeugung, 5% Klimatisierung von Rechenzentren und Ähnlichem. Die sinnvolle Einstiegsgröße für eine lohnenswerte adiabate Kühltechnik mit Regenwasser sieht er bei 2600 m³/h Luft und nennt als Referenzen z.B. ein:
- Geschäfts- und Verwaltungsgebäude in Ludwigsburg mit 9500 m³/h für Büroräume, 3500 m³/h für Kernbereiche und zusätzlicher Kaltwassererzeugung (Fertigstellung 2011) sowie die
- Hochschule Pforzheim mit adiabater Umluft-Kühltechnik für das Rechenzentrum (Fertigstellung 2014).
„Auch wenn adiabate Abluftkühlung mit Regenwasser eine Pumpentechnik braucht, um das Wasser aus dem Speicher in die Sprühdüsen zu bringen, so sind diese paar Watt nichts gegen den Stromverbrauch der herkömmlichen Kompressions-Kältemaschinen“, ist Lauer überzeugt. Nach seiner Auffassung ist die Energie- bzw. CO2-Einsparung das entscheidende Kriterium. Für ein konventionelles Gerät mit einem Energy Efficiency Ratio (EER) von z.B. 2,72 braucht man 1 kWh Strom, um 2,72 kWh Kälte zu erzeugen. Der EER-Wert beim Kühlbetrieb entspricht dem COP-Wert beim Heizbetrieb und bezeichnet das Verhältnis von Leistungsaufnahme zu Leistungsabgabe. Alternativ erhält man 2,72 kWh Kälte durch Verdunsten von 4l Wasser. Das entspricht 1 mm Wasserfilm auf 4m² Fläche. Vor dem Hintergrund der im Mai dieses Jahres in Kraft getretenen neuen EnEV empfiehlt es sich für Projektbeauftragte, bei den Berechnungen die in die Software integrierte Variante adiabate Kühlung zu prüfen und EER-Werte zu vergleichen.
Literatur:
[1] König, K. W.: Solar-Fabrik nutzt Regenwasser. In: fbr-Wasserspiegel 2/2001. Hrsg.: Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e.V., Darmstadt
[2] Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leit-
faden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. Broschüre, 1. Auflage. Hrsg.: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, 2010
[3] König, K. W.: Kühlung mit Brunnen- und Regenwasser. Kombiniertes Energie- und Wasserkonzept für Hüttinger Elektronik. In: IKZ-HAUSTECHNIK 7/2006, STROBEL VERLAG, Arnsberg
[4] Kaiser, M. und Schmidt, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen. Ratgeber Regenwasser, für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen, Versickern und Behandeln von Regenwasser. Hrsg.: Mall GmbH, 5. Auflage, 2014
Checkliste Planung adiabate Kühlung
- Die 4. Änderung der Energieeinsparverordnung (EnEV), gültig seit 1. Mai 2014, weist energetische Vorteile aus, wenn zur Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs eines Gebäudes die adiabate Kühlung zugrunde gelegt wird.
- In der Physik wird die zur Verdunstung eines Kubikmeters Wasser erforderliche Energie mit 680 kWh/m³ angegeben. Dieser Wert bezieht sich auf die Verdunstung bei 30°C. Damit ist Kühlung durch Verdunstung ideal, da sie viel Wärme bei der physikalischen Umwandlung vom flüssigen in den gasförmigen Zustand binden kann.
- Die wirtschaftliche Anwendung der adiabaten Abluftkühlung ist nur gegeben, wenn die abgeführte Luft aus dem Gebäude trocken ist, sodass sie viel Wasser aufnehmen kann und damit stark abkühlt.
- Durch die sogenannte Wiederbefeuchtung der Abluft innerhalb des Wärmeübertragers wird der Verdunstungsprozess kontinuierlich in der Abluft durchgeführt. Im Idealfall verlässt die Abluft den Wärmeübertrager im Temperaturniveau der Außenluft bei einer Luftfeuchte von 100%.
- Adiabate Abluftkühlung vermeidet Zirkulationsverluste, senkt den Energiebedarf und damit die Betriebskosten einer Klimaanlage, verursacht zunächst jedoch höhere Investitionen. Deshalb ist in jedem Fall zu prüfen, ob die geplante Anlage groß genug ist, um die gewünschte Amortisationszeit zu gewährleisten.
- Adiabate Kühlung mit Regenwasser statt Trinkwasser spart zusätzlich mehrfach Betriebskosten (es entfallen der Entsalzungsprozess inklusive Wartung, die Trinkwasser- und Abwassergebühren, das Niederschlagswasserentgelt).
- Adiabate Kühlung mit Regenwasser statt Trinkwasser entlastet die kommunale Kanalisation und Trinkwasserversorgung. Regenwasser gelangt vor Ort wieder in den natürlichen Wasserkreislauf von Verdunstung und Niederschlag zurück. Dies hat positive Auswirkungen auf das lokale Mikroklima und reduziert durch Verdunstungs- und Kondensationsprozesse das Phänomen der globalen Erwärmung (ökologische Verbesserung, erhöht den Immobilienwert bei Zertifizierung).
Autor: Klaus W. König, Überlingen
Bilder, soweit nicht anders angegeben: König