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Klare Festlegungen zu Gefährdungsanalysen

Neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2: Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Gefährdungsanalyse

Mit einer solchen oder ähnlichen Werbeanzeige versuchen unseriöse Geschäftemacher, Kapital aus den rechtlichen Anforderungen zu schlagen.

Technische Mängel müssen nicht nur ­aufge­listet sondern auch hinsichtlich einer möglichen Gefährdung für die Nutzer ­entsprechend interpretiert werden.

Eine eindeutige Dokumentation der festgestellten Mängel, ergänzt um Bildaufnahmen mit ggf. zusätzlichen Markierungen und Beschriftungen, hilft auch Laien, die Feststellungen des Sachverständigen nachzuvollziehen.

Irreführende und falsche Bezeichnungen, wie hier in einem Beispiel dargestellt, können ggf. auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

 

Schätzungen zufolge genügen mehr als zweidrittel aller bisher erstellten Gefährdungsanalysen nicht den Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Dies ist einer der Gründe dafür, dass unter Mitwirkung zahlreicher regelwerkserlassenden Organisationen und Verbände die neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 erarbeitet wurde und im September 2016 als Entwurf erschienen ist. Das Regelwerk will u. a. dem Sachverständigen, der eine Gefährdungsanalyse ausführt, praxisrelevante Hilfestellungen zur fachgerechten Durchführung und Dokumentation aufzeigen.

Bereits mit der ersten Änderungsverordnung zur TrinkwV im Jahr 2011 wurden in Deutschland verschiedene Neuerungen eingeführt, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und um insgesamt den hohen Qualitätsstandard des Trinkwassers zu wahren und nach Möglichkeit weiter zu steigern. So wurde der aus gesundheitspolitischer Sicht wichtige Parameter Legionellen erstmals über die Einführung eines technischen Maßnahmewerts klar geregelt, damit heute ein Maßstab zur Bewertung von Befunden zugrunde gelegt werden kann.
Der Betreiber der Trinkwasser-Installation hat heute nach aktueller TrinkwV (3. Änderungsverordnung gültig seit 26. November 2015) bei einer Überschreitung des technischen Maßnahmewerts unverzüglich auch ohne Anordnung des Gesundheitsamtes tätig zu werden. Damit ist gemäß § 16 Absatz 7 Nummer 2 TrinkwV 2001 die Erstellung einer Gefährdungsanalyse obligatorisch. Zur Aufklärung der Ursachen für eine Nichteinhaltung des technischen Maßnahmewerts muss eine Ortsbesichtigung durchgeführt und von sach- und fachkundigen Sachverständigen überprüft werden, ob und gegebenenfalls welche Gefährdungen für die Nutzer des Trinkwassers aus dieser Installation bestehen. Die Gefährdungsanalyse ist also ein Instrument zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen und keine bloße Auflis­tung technischer Mängel.

Deutliche Mängel bei Gefährdungsanalysen
Das Umweltbundesamt beschreibt in seiner verbindlichen „Empfehlung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung“ vom 14. Dezember 2012 das grundlegende Vorgehen bei der Umsetzung der Vorgaben der TrinkwV zu Legionellen sowie generelle Anforderungen an Personen, die als geeignet angesehen werden, Gefährdungsanalysen durchzuführen. Fehlentscheidungen bei der Beurteilung von Schadensfällen oder Kontaminationen in der Trinkwasser-Installation, bei Gefährdungsanalysen nach § 16 TrinkwV oder in der Wahl geeigneter Abwehrmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Nutzer können dabei jedoch zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen oder zu betriebswirtschaftlich nicht vertretbaren finanziellen Aufwendungen und Schäden der Installation. Obwohl sich viele versierte Fachleute intensiv mit der Thematik Trinkwasserhygiene befassen und qualifizierte Arbeit abliefern, agieren leider auch viele Unternehmen am Markt, deren mitunter lückenhaftes Wissen um die technischen Regelwerke oder ein gesteigertes Vertriebsinteresse zu unnötigen Sanierungsversuchen oder juristischen Streitfällen führt, bis hin zu Gesundheitsgefährdungen der Nutzer. Schätzungen von Überwachungsbehörden und Experten unterstellen, dass ca. 70 % aller bislang bei Betreibern und Gesundheitsämtern vorgelegten Gefährdungsanalysen aus unterschiedlichen Gründen nicht den Anforderungen der durch die Trinkwasserverordnung verfolgten Ziele genügen und damit schlicht mangelhaft sind. Aus diesem Grund trafen sich im Dezember 2014 Vertreter der wesentlichen regelwerkserlassenden Organisationen und Verbände (VDI, DVGW, BTGA, ZVSHK) in Düsseldorf mit Vertretern von Überwachungsbehörden, Hochschulen, dem Umweltbundesamt und Vertretern der Trinkwasserkommission, um mögliche Lösungsansätze zu diskutieren. Als eines der wesentlichen Probleme wurde definiert, dass die Praxis der Gefährdungsanalyse bislang nicht hinreichend beschrieben oder definiert ist und dass eine weitergehende Qualifikation benötigt wird für Sachverständige, die Gefährdungsanalysen ausführen. Zum Beispiel ist nicht davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer einer Schulung mit einem Zertifikat nach VDI/DVGW 6023 Kategorie A hinterher in der Lage ist, eine sach- und fachgerechte Gefährdungsanalyse zu erstellen. Vielmehr erfordert eine solche Befähigung als Sachverständiger eine besondere Sach- und Fachkunde im Bereich der Trinkwasserhygiene, wie sie nur durch ständige Fort- und Weiterbildungen erworben werden kann.

VDI/BTGA/ZVSHK-Richtlinie 6023 Blatt 2
Als Maßnahmen wurde im Rahmen dieses Verbändegesprächs folglich beschlossen, eine Richtlinie zu erarbeiten, die erstmals detailliert Vorgaben macht zu Grundlagen, Struktur, Ablauf und Inhalten einer Gefährdungsanalyse sowie eine Qualifikation zu schaffen, die Fachleute mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten als Sachverständige für Gefährdungsanalysen auszeichnet. Diese Richtlinie sollte von allen beteiligten Fachkreisen gemeinsam erarbeitet und getragen werden, um die erarbeiteten Festlegungen im Markt etablieren und verankern zu können.
Zum 1. September 2016 wurde die neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Gefährdungsanalyse“ als Gründruck der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Zum ers­ten Mal ist damit ein Regelwerk verfügbar, dass von den drei im Titel genannten Organisationen gemeinsam als einheitliches Regelwerk herausgegeben wurde. Obgleich die Geschäftsleitung des DVGW kurzfristig entschied, diese technische Regel nicht unter dem Namen des DVGW mit zu veröffentlichen, war der DVGW jedoch ebenfalls im Gremium vertreten und an der inhaltlichen Erarbeitung beteiligt. Neben den Mitarbeitern der vier wesentlichen Verbände waren Vertreter kommunaler und Landesgesundheitsämter, SHK Landesfachverbände, des Umweltbundesamts, Mitglieder der Trinkwasserkommission, Vertreter von Hochschulen sowie von Facility Management-Unternehmen und Betreibergesellschaften, der Versicherungswirtschaft, Sachverständige und Fachexperten, Biologen und Hygieniker sowie ein Jurist an der Erarbeitung der Inhalte beteiligt, sodass alle beteiligten Fachkreise ihre jeweiligen Erfahrungen und Blickwinkel einbringen konnten. Die neue Richtlinie schafft damit eine praxisnahe Grundlage zur Erstellung von vereinheitlichten und zielführenden Gefährdungsanalysen.

Grundlagen der Gefährdungsanalyse
Die Aufgabenstellung einer system- oder ereignisorientierten Gefährdungsanalyse besteht in der Feststellung aller technischen sowie organisatorischen/betriebstechnischen Mängel innerhalb einer Trinkwasser-Installation, sowie der Bewertung dieser Mängel im Hinblick auf die Hygiene. Eine Gefährdungsanalyse beschränkt sich dabei nicht nur auf die Mängel, die zu einer Kontamination mit Legionellen geführt haben könnten. Legionellen sind dabei nur einer der Indikatoren für technische Missstände in einer Trinkwasser-Installation, die eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung anzeigen. Entsprechend sind im Rahmen einer Ortsbesichtigung zur Prüfung auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht nur die technischen und betriebstechnischen Mängel zu erfassen, die zu einer Kontamination mit Legionellen innerhalb der Installation geführt haben können, sondern darüber hinaus müssen in der Gefährdungsanalyse auch alle weiteren möglichen, erkennbaren Gefahrenquellen, ausgehend von der Trinkwasser-Installation, ermittelt werden.
Die Feststellung erfolgt durch Ortsbegehung und Prüfung der Trinkwasserinstallationen auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Vorschläge für geeignete Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Gefährdungen und zur dauerhaften Einhaltung mindestens der allgemein anerkannten Regeln der Technik sind ebenfalls notwendiger Bestandteil einer Gefährdungsanalyse.

Die geschuldete Leistung liegt in der konkreten Feststellung aller

  • planerischen,
  • bautechnischen und
  • betriebstechnischen
  • Mängel einer Trinkwasser-Installation.

Inhalte der VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2
Mit dem Ziel einer deutlichen Qualitätsverbesserung bei Gefährdungsanalysen macht die neue Richtlinie konkrete Vorgaben beispielsweise zu:

  • den Grundlagen einer Gefährdungs­analyse,
  • der Struktur einer Gefährdungsanalyse,
  • den wesentlichen Inhalten, die aus dem Vorgespräch mit dem Betreiber gewonnen werden können,
  • zur notwendigen Dokumentenprüfung,
  • zur Ortsbesichtigung und Überprüfung auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regel der Technik (a. a. R. d. T.),
  • der zusammenfassenden Gesamtbewertung sowie
  • zur Ableitung zielgerichteter und sinnvoller Handlungsempfehlungen.

Durch die konkreten Festlegungen von Aufbau und Mindestinhalten von Gefährdungsanalysen haben Gesundheitsämter und Betreiber zukünftig gleichermaßen den Vorteil, dass vorgelegte Gefährdungsanalysen beurteilt und bewertet werden können. Mit der Schaffung einer a. a. R. d. T. zu Gefährdungsanalysen haben beispielsweise Gesundheitsämter zukünftig die Möglichkeit, unzureichende Gefährdungsanalysen als nicht den Anforderungen der TrinkwV entsprechend abzulehnen. Zudem wissen damit Betreiber bereits im Vorfeld, welche Aspekte im Rahmen der Gefährdungsanalyse mindestens untersucht und bewertet werden müssen und wie diese Daten aufbereitet sein sollen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine ereignisorientierte (Maßnahmen- oder Grenzwertüberschreitung nach TrinkwV 2001) oder um eine systemorientierte (prophylaktische) Gefährdungsanalyse handelt. Die Vorgehensweise ist bei beiden Varianten identisch.
Gefährdungsanalysen nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 bieten zudem jeweils konkrete Handlungsempfehlungen, wie die vorgefundenen Mängel beseitigt werden können, was die Erstellung eines technisch und wirtschaftlich sinnvollen Sanierungskonzepts wesentlich erleichtern kann. Fachleute, die sich mit der Thematik beschäftigen und Gefährdungsanalysen anbieten wollen, haben durch diese Richtlinie zukünftig eine detaillierte Handlungsanweisung.

Qualifikation nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2
Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Sachverständiger ist immer die besondere fachliche Kompetenz des jeweiligen Bearbeiters des Gutachtens und nicht die Firma oder die Institution. Der Sachverständige muss in seinem Fachgebiet überdurchschnittliche Kenntnisse und Erfahrungen vorweisen. Weitere Anforderungen sind, dass der Sachverständige

  • die persönliche Eignung für seine Tätigkeit vorweist,
  • durch Fortbildung mit dem aktuellen Stand der Technik vertraut ist und
  • die Begutachtungen objektiv und unparteilich durchführt.


Die Ortsbegehung und Erstellung einer Gefährdungsanalyse muss zudem unabhängig von anderen Interessen erfolgen. Dies bedeutet, dass der Sachverständige in keiner Weise ein wirtschaftliches Interesse an einem begleitenden oder Folgegeschäft haben darf, da ihm sonst Befangenheit unterstellt werden kann. Eine Befangenheit ist immer dann zu vermuten, wenn Personen an der Planung, dem Bau oder Betrieb der Trinkwasser-Installation selbst beteiligt waren oder sind oder sich aufgrund der Gefährdungsanalyse weitere Aufträge erhoffen.
Am Markt agieren zudem Personen mit teils sehr „phantasievollen“ aber leider völlig unsinnigen Bezeichnungen und Titeln, um Kunden zu werben, wie „zertifizierter Sachverständiger nach § 16 (7) TrinkwV“. Im Rahmen der neuen Richtlinie wurde nun Fachleuten auch die Möglichkeit geschaffen, ihre Qualifikation gegenüber Auftraggebern im Rahmen einer Prüfung nach den offiziellen Vorgaben der Richtlinie darzustellen.
Voraussetzung für die Teilnahme an der Qualifizierung als „VDI/BTGA/ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ ist:

  • eine Ingenieurausbildung in einer einschlägigen technischen Fachrichtung (z. B. Versorgungstechnik oder Umwelt- und Hygienetechnik), ein Meistertitel des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks oder eine Anerkennung als staatlich geprüfter Techniker SHK und
  • eine bestandene Prüfung nach VDI/DVGW 6023, Kategorie A, mit VDI-Urkunde oder Fachkunde Trinkwasserhygiene des ZVSHK sowie
  • eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung im Bereich der Planung, Errichtung, dem Betrieb und der Beurteilung von Trinkwasser-Installationen.


Alternativ ist eine Ingenieurausbildung einer anderen Fachrichtung und eine bestandene Prüfung nach VDI/DVGW 6023, Kategorie A, bei mindestens zehnjähriger einschlägiger Berufserfahrung, wie oben beschrieben, zulässig.
Die Lernfelder der entsprechenden Fortbildungen werden im Anhang A der Richtlinie in Inhalt und Umfang detailliert festgelegt, ebenso wird die Qualität der Schulungsanbieter und die Qualifikation der Referenten geregelt. Die Einzelprüfung umfasst dabei einen theoretischen und einen praktischen Teil und wird neutral sowie unabhängig vom jeweiligen Schulungsanbieter über die Zertifizierungsstelle der DIN CERTCO abgenommen.
Der Unternehmer oder sonstige Inhaber bleibt in der Verantwortung: Im Falle von Schadenersatzforderungen vor Gericht kann es wichtig sein, die Unabhängigkeit und ausreichende Qualifikation des hinzugezogenen Sachverständigen belegen zu können. Eine einheitliche und anerkannte Qualifikation kann damit als Garant für die notwendige Sachkunde eines Gutachters oder Sachverständigen dienen. Darüber hinaus haben Auftraggeber und Gesundheitsämter zukünftig anhand der Qualifikation als „VDI-BTGA-ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ den Beleg, dass der Betreiber seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl bei der Auftragsvergabe nachgekommen ist.

Autor: Arnd Bürschgens, Sachverständiger für Trinkwasserhygiene, Höpfingen

Bilder: Arnd Bürschgens

 

Expertenforum und Möglichkeit zum Einspruch zur Richtlinie

Am 18. Januar 2017 veranstaltet der VDI in Düsseldorf ein Expertenforum „Gefährdungsanalyse Trinkwasser“ zur neuen Richtlinie, bei dem Experten aus dem Gremium die Inhalte der Richtlinie vorstellen und Gelegenheit zur Diskussion bieten (weitere Informationen im Internet unter www.vdi.de).
Stellungnahmen zum Entwurf können bis 31. Januar 2017 an den VDI abgegeben werden (siehe dazu im Internet unter www.vdi.de/einspruchsportal). Die Einspruchsfrist bietet jeder Person die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der künftigen Richtlinie mitzuwirken. Entsprechend lädt der VDI zur Einspruchssitzung ein. Der VDI-Richtlinienausschuss fasst anschließend Beschluss über Änderungen am Manuskript, sodass die neue Richtlinie voraussichtlich im Frühjahr 2017 als Weißdruck erscheinen kann.

 


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