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(Kein) Bestandsschutz für Altanlagen – Die Novelle der Trinkwasserverordnung lässt Betreibern nur wenig Spielraum

Der Verordnungsgeber hat mit der erneuten Novelle der Trinkwasserverordnung den Schutzzweck noch deutlicher gefasst, klare Handlungsvorgaben für Planer, Installateure und Betreiber aufgestellt und die Betreiberhaftung weiter verschärft. Oberstes Ziel bleibt der Gesundheitsschutz des Verbrauchers und die Gewährleistung der (hohen) Trinkwasserqualität in Deutschland. Für Planer und Errichter stellt sich da gleichermaßen die Frage, ob ein Bestandsschutz für Altanlagen überhaupt noch greifen kann?

Bei wesentlichen Eingriffen oder baulichen Veränderungen an der Trinkwasserinstallation – dazu gehören etwa Veränderungen an Rohrleitungen, Wartung und Austausch von Sicherungs- bzw. Sicherheitsarmaturen – besteht eine Anpassungs- bzw. Nachrüstpflicht des Betreibers. Bild: Tim Westphal

Gesundheitsschutz geht vor Bestandsschutz. Trifft ein SHK-Fachhandwerker auf mangelhafte Installationen, dann sollte er den Betreiber der Installation auf die Notwendigkeit der Mängelbeseitigung hinweisen. Und das am besten schriftlich. Bilder: M. König

Nicht genutzte Entnahmestellen müssen rückgebaut werden, sie sind häufig die Ursache für Verkeimungen im Netz…Bild: Tim Westphal

…Gleiches gilt für unzulässige Verbindungen, wie in diesem Bild, zwischen einer Trinkwasser- und einer Regenwasseranlage. Das bloße Entfernen eines Zwischenstückes ist kritisch zu beurteilen. Bild: M. König

 

Zur Risikominimierung legt die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) die Mindestvoraussetzungen fest, die Trinkwasser bei Abgabe an den Verbraucher haben muss: Rein und genusstauglich muss es sein. Diese Anforderung gilt gem. §4 Abs. 1 TrinkwV als erfüllt, wenn bei der Wasseraufbereitung und -verteilung mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Zudem darf das Trinkwasser keine gesundheitsschädigenden Krankheitserreger oder Stoffe enthalten, die mikrobiologische und chemische Grenzwerte sowie Indikator-Parameter überschreiten (Anforderungen der §§5 bis 7 der TrinkwV).

Umfassende gesetzliche Vorgaben

Neben den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften sind auch die Handlungsanweisungen aus §12 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) zu beachten. Demnach dürfen Veränderungen an der Anlage nur durch einen in das Installateurverzeichnis eingetragenen SHK-Betrieb erfolgen (§12 Abs. 2) und nur Produkte oder Geräte verwendet werden, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Nach der neuen TrinkwV haftet nicht nur der Planer und der SHK-Betrieb für das eingesetzte Material, sondern neu geregelt ist, dass auch der Betreiber für die Werkstoffauswahl verantwortlich ist (§17 Abs. 2 TrinkwV, §12 Abs. 2 AVBWasserV). Planer und Installateur sind neben der öffentlich-rechtlichen Pflicht auch zivilrechtlich dazu verpflichtet, ein mangelfreies Werk herzustellen, welches funktionstauglich vom Betreiber nach den Vorgaben der TrinkwV betrieben werden kann.
Öffentliches Recht ist immer dann gegeben, wenn die entsprechende Gesetzesnorm einen Träger hoheitlicher Gewalt als solchen berechtigt oder verpflichtet, wenn also ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger besteht. Die TrinkwV ist daher dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weil der Verordnungsgeber den Einzelnen zu einem Tun oder Unterlassen im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses verpflichtet. Demgegenüber sprechen wir von Zivilrecht, wenn es um die Rechtsbeziehungen Einzelner untereinander geht, wie vertragliche Beziehungen.
Ebenfalls sind die weiter in Betracht kommenden gesetzlichen Vorgaben aus der TrinkwV, des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), der AVBWasserV und die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der Planung und der Errichtung der Anlage einzuhalten.  

Betreiber ebenfalls in der Pflicht

Den Betreiber treffen öffentlich-rechtliche Pflichten aus der TrinkwV, insbesondere Untersuchungs- und Betriebspflichten. Daneben aber auch Pflichten aus spezialgesetzlichen Vorschriften, die nach dem jeweiligen Betriebszweck zu ermitteln sind, z.B. aus der Landeskrankenhausverordnung (LKrkHV), dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), der Arbeitsstättenverordnung sowie Pflichten aus §12  Abs. 1,2 AVBWasserV. Hinzu kommen zivilrechtliche Pflichten aus dem jeweiligen Nutzungsvertrag, Verkehrssicherungspflichten sowie die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und der spezialgesetzlichen Regelungen.
Dem Betreiber einer Großanlage zur Trinkwassererwärmung, in der es zur Vernebelung von Trinkwasser kommt, ist gem. §14 TrinkwV eine Untersuchungspflicht auferlegt, sofern er Trinkwasser im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit zur Verfügung stellt. Bei Abgabe von Trinkwasser im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit (als solche ist auch neu definiert die Vermietung, §3 Ziff. 10 TrinkwV) ist eine Untersuchung in der Regel alle 3 Jahre systemisch durchzuführen. Im Rahmen einer öffentlichen Abgabe von Trinkwasser ist eine jährliche Untersuchungspflicht geregelt.

Die Frage nach Bestandsschutz

Bei welcher Änderung der Anlage kann sich der Betreiber noch auf Bestandsschutz beziehen? Und was bedeutet Bestandsschutz?
Nach dem Grundgesetz ist das Eigentum des Einzelnen im Sinne eines Bestandsschutzes geschützt (Art. 14 Abs. 1 GG). Grundrechtlich geschützt ist aber auch die körperliche Unversehrtheit, hieraus abgeleitet die Gesundheit des Einzelnen (Art. 2 Abs. 2 GG). Ihrer Wertigkeit nach absteigend geordnet sind die Grundrechte: das Leben, die Freiheit, die Gesundheit, die Ehre und das Eigentum. Daraus ergibt sich bereits, dass der Gesundheitsschutz dem Eigentums- und Bestandsschutz gegenüber als höherwertiges Rechtsgut ausgewiesen ist. Zudem können einzelne Grundrechte eingeschränkt werden, wobei den Inhalt der Schranke der Gesetzgeber festlegt. Hieran muss sich die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung orientieren (z.B. Art. 2 Abs.2, 14 Abs.1 S.2 GG).
Der Gesetzgeber hat mit der Musterbauordnung, auf der alle jeweiligen Landesbauordnungen basieren, in §3 MBO festgelegt, dass Anlagen so zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die Gesundheit des Einzelnen nicht gefährdet wird. Nach §13 MBO müssen Anlagen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Der Gesetzgeber hat hiermit eine sog. Grundrechtsschranke formuliert, wonach sich ein Eigentümer einer Trinkwasseranlage nicht uneingeschränkt auf sein Grundrecht auf Bestandsschutz berufen kann.

Gesundheit vor Bestandsschutz

Da die Rohrleitung die Verpackung des Lebensmittels Trinkwasser ist, ist die Frage nach Bestandsschutz für eine nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechende Anlage eindeutig zu beantworten: Es gilt kein Bestandsschutz!
Nachfolgend drei Beispiele, die diese Aussage verdeutlichen:
1. Der Gesetzgeber hat zum 1. Dezember 2013 den zulässigen Grenzwert für Blei auf 0,010 mg/l herabgesetzt. Da fest steht, dass dieser Grenzwert bei Trinkwasserinstallationen, in denen (noch) Bleirohre vorhanden sind, unmöglich einzuhalten ist, kann es in diesem Zusammenhang keinen Bestandsschutz geben. Die Absenkung des Bleiwertes hat oberste Priorität.
2. Im Rahmen der regelmäßigen Untersuchungspflicht gem. §14 TrinkwV wird festgestellt, dass die vorhandene Anlage nicht den derzeit geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Der Betreiber hat als Konsequenz die Trinkwasseranlage anzupassen, sodass diese den geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Andernfalls liegt mindestens ein Verstoß gegen den ordnungsgemäßen Betrieb nach §17 Abs. 1 TrinkwV vor. Dies ist gem. §25 Nr. 11 h TrinkwV i.V.m. §73 Abs. 1 Nr. 24 IfSG zumindest eine Ordnungswidrigkeit. Wenn ein Betreiber einer allgemeinen Wasserversorgung in Kenntnis der nicht eingehaltenen allgemein anerkannten Regeln der Technik die Anlage vorsätzlich oder fahrlässig weiterbetreibt und die festgelegten Grenzwerte nach §§5, 6 und 9 nicht eingehalten sind, ein Verstoß gegen §10 TrinkwV vorliegt oder der Maßnahmewert für Legionellen überschritten ist, liegt sogar eine Straftat vor. Diese wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet (§24 Abs. 1 TrinkwV i.V.m. §74 IfSG).
3. Bei Nichteinhalten der mikrobiologischen (§5), chemischen (§6) Anforderungen oder der Indikatorparameter (§7), darf der Betreiber gem. §4 Abs. 2 und Abs. 3 TrinkwV Trinkwasser nicht – bzw. nicht uneingeschränkt – dem Verbraucher zur Verfügung stellen. Er hat gem. §§9 und 10 TrinkwV entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Anpassungs- und Nachrüstpflicht

Es stellt sich für Planer und ausführende Betriebe wie auch Betreiber die Frage, ob eine Trinkwasserinstallation insgesamt den geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik und den neuesten gesetzlichen Vorschriften entsprechend umzuplanen und technisch anzupassen ist, wenn lediglich einzelne bauliche Änderungen an der Anlage vorgenommen werden sollen.
§17 Abs. 2 i.V.m. §4 Abs. 1 TrinkwV bringt klar zum Ausdruck, dass bei Instandhaltung von Trinkwasseranlagen nur Werkstoffe und Materialien – die Kontakt mit dem Trinkwasser haben – verwendet werden dürfen, welche die Gesundheit nicht gefährden, die den Geruch oder den Geschmack des Trinkwassers nicht nachteilig verändern und nicht mehr (Schad-)Stoffe an das Wasser abgeben, als bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar ist.
Bei wesentlichen Eingriffen und Veränderungen an der Anlage bedarf es wohl keiner näheren Darstellung, dass aufgrund der vorgenannten Vorschriften eine Anpassungs- bzw. Nachrüstpflicht des Betreibers besteht. Wesentliche Veränderungen sind danach Veränderungen an der Trinkwasseranlage, die bei unsachgemäßer Ausführung die Sicherheit der Anlage gefährden können oder zu einer nachteiligen Veränderung des Trinkwassers im Sinne der TrinkwV führen können. Dazu gehören unter anderem: Veränderungen an Rohrleitungen z.B. durch Gewindeschneiden, Löten, Schweißen, Schrauben, Klemmen und Kleben; Wartung und Austausch von Sicherungs- bzw. Sicherheitsarmaturen; der Austausch einer Standbrause gegen eine Schlauchbrause usw.
Soweit in der TrinkwV von „Instandhaltung“ gesprochen wird, entnimmt sich die begriffliche Definition aus der DIN 31051: die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, sodass sie die geforderte Funktion erfüllen kann. Dies meint also alle Maßnahmen, die für den zweckgerichteten ordnungsgemäßen Betrieb der Trinkwasseranlage erforderlich sind. Darunter fallen folgende Maßnahmen:

  • Wartung: Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrats.
  • Inspektion: Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Istzustandes einer Betrachtungseinheit einschließlich der Bestimmung der Ursachen, der Abnutzung und dem Ableiten der notwendigen Konsequenzen für eine künftige Nutzung.
  • Instandsetzung: Maßnahmen zur Rückführung einer Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand, mit Ausnahme von Verbesserungen.
  • Verbesserungen: Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu ändern.


Die einzelnen im Rahmen der Instandhaltung zu beachtenden technischen Maßnahmen sind den einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik und den technischen Normen zu entnehmen (VDI 6023, DIN 2000, DIN EN 806 – 5, DVGW-Arbeitsblatt W551, W312 u.a.).

Bestandsschutz ja, wenn …

Dem Grunde nach ist ein Bestandsschutz für Trinkwasseranlagen nur denkbar,

  • wenn die Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung die seinerzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften sowie die zum damaligen Zeitpunkt geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden und
  • wenn sich keine Anpassung aufgrund neuerer gesetzlicher Vorschriften oder neuerer allgemein anerkannten Regeln der Technik ergibt und
  • wenn die Trinkwasseranlage seit Inbetriebnahme unverändert weiterhin betrieben wird und an der Trinkwasseranlage keinerlei Mängel vorhanden sind, die eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit darstellen können.


Nach der Neuformulierung und den Änderungen der Trinkwasserverordnung 2011/2012 dürften daher die Fälle in denen tatsächlich ein Bestandsschutz zum Tragen kommt, eher Einzelfälle sein. Aufgrund der klar formulierten Zielsetzung des Gesetzgebers, den Gesundheitsschutz des Verbrauchers so weit wie möglich zu gewährleis­ten und aufgrund der sich verschärfenden Haftungsrisiken für alle an der Planung, Errichtung und den Betrieb Beteiligten, kann dem Thema Bestandsschutz kein tatsächlicher Platz mehr greifen.

Autorin: Dr. Sandra Herrig, Rechtsanwältin


Web-TV-Tipp: Expertentalk zur Trinkwasserhygiene

Welche Aufklärungspflichten hat der SHK-Profi gegenüber seinen Kunden, wenn Mängel in der Trinkwasser-Installation offenkundig sind? Wie wichtig ist die Wartung der Anlagen? Wann greift der Bestandsschutz und wann nicht. Zu diesen und anderen Fragestellungen hat das Studio SHK, ein Gemeinschaftsprojekt des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima und des STROBEL VERLAG, im Rahmen eines Expertengespräches live von der ISH 2013 berichtet. Die Sendung wurde aufgezeichnet und ist online über www.ikz.tv in voller Länge abrufbar.
Die SHK-Handwerksmeister Jakob Köllisch und Uwe Loth sowie Dr. Sandra Herrig, Rechtsanwältin und Autorin dieses Beitrags, geben in der Sendung Antworten aus ihrer Sicht. Eine Straßenumfrage, aus der hervorgeht, dass der Endkunde nur ansatzweise über seine Trinkwasser-Installation Bescheid weiß, und ein anschaulicher Filmclip über Installationssünden in der Praxis ergänzen die Diskussion der Experten. Moderiert wurde die Live-Berichterstattung vom ZDF-Moderator Norbert König.
Anschauen lohnt sich! Der direkte Link zur Sendung: ikz.tv/studio-shk/ish-2013-expertentalk-zum-thema-wasserhygiene.html

www.ikz.tv

 


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