Kältemittel im Fadenkreuz
Wer sich mit Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik beschäftigt – egal ob Planer, Anlagenbauer, Betreiber, Industrie oder Handel –, muss sich derzeit mit einer Fülle von Themen befassen. Viele davon sind nicht technischer Natur, sondern entspringen sich verändernden politischen Vorgaben und Rahmenbedingungen. Hiervon sind auch die in Wärmepumpen eingesetzten Kältemittel betroffen. Auf was muss sich die Branche künftig einstellen? Ein Blick in die Glaskugel zeigt es.
Berichte über Wärmepumpen findet man derzeit nicht nur in den bekannten Fachmedien, sondern auch die Publikumspresse greift das Thema regelmäßig auf. Informationen über gelungene Fallbeispiele, über erforderliche Vorlauftemperaturen und Heizflächen, über Aufstellbedingungen und Lärmschutzvorgaben u. a. gibt es daher in Hülle und Fülle. Über was seltener berichtet wird, ist das Herzblut jeder Wärmepumpe – das eingesetzte Kältemittel.
Wärmepumpenausbau soll beschleunigt werden
Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger ist beschlossene Sache und die Bundesregierung hat den Wärmepumpenausbau in Deutschland ganz oben auf die Agenda gesetzt. Ein Beleg hierfür sind mehrere sogenannte „Wärmepumpengipfel“, die von Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundesbauministerin Geywitz initiiert wurden. Zahlreiche Vertreter aus Industrie und Verbänden – darunter auch der Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe (VDKF) und die Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg (LIK) – haben in diesem Zusammenhang gemeinsam ein Eckpunktepapier erarbeitet, in dem Maßnahmen beschrieben werden, wie der Wärmepumpenhochlauf in Deutschland gelingen könnte. Vom ursprünglichen Ziel, ab 2024 rund 500.000 Wärmepumpen im Jahr zu installieren, ist man mittlerweile jedoch meilenweit entfernt, wie die Absatzzahlen der Hersteller in diesem Jahr zeigen. Zu groß ist die Verunsicherung bei Endkunden, die durch den medialen und politischen Hickhack um das Gebäudeenergiegesetz (GEG), die damit verknüpfte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sowie das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung entstanden ist.
Kältemittel für Wärmepumpen
Der deutsche Gebäudebestand besteht nicht nur aus Einfamilienhäusern mit eigenem Vorgarten, bei denen brennbare Kältemittel ohne Probleme eingesetzt werden können. Wesentlich anspruchsvoller gestaltet sich die Sachlage im Bereich von Mehrfamilienhäusern in dicht bebauten Innenstadtlagen aufgrund der Sicherheitsvorschriften. In der Nähe von Licht-/Luftschächten sieht die Situation für Propan-Wärmepumpen ebenfalls nicht ganz so einfach aus. Hier spielen Anlagen mit fluorierten Kältemitteln (F-Gase) ihre Vorteile aus. Deren Einsatz wird jedoch aus Umweltschutzgründen immer weiter eingeschränkt.
Hintergründe zur novellierten F-Gase-Verordnung
Am 11. März 2024 ist die novellierte F-Gase-Verordnung (EU-VO 2024/573) in Kraft getreten. Sie löst die seit 2015 gültige F-Gase-Verordnung (EU-VO 517/2014) ab. Dies hat gravierende Folgen für den Betrieb und die Installation von stationären Kälteanlagen, Klimaanlagen und auch von Wärmepumpen, die fluorierte Treibhausgase (F-Gase) enthalten. Rückgrat der bisherigen und auch der novellierten F-Gase-Verordnung ist der Phase-down der jährlichen Quote – also die schrittweise Reduzierung der Gesamtmenge an fluorierten Kältemitteln (HFKW-Kältemittel), die in der EU jährlich neu auf den Markt gebracht werden darf. Die Verknappung und damit einhergehende Verteuerung veranlasst Betreiber dazu, bei Neuinstallationen und Umrüstungen nach Möglichkeit auf nicht-fluorierte Kältemittel wie Propan, Kohlendioxid oder Ammoniak bzw. fluorierte Kältemittel mit einem möglichst niedrigen GWP-Wert (Global Warming Potential = Treibhauseffekt) zu setzen. Die erlaubte Quote wird in „Tonnen CO2-Äquivalent“ angegeben. Zum Verständnis: 1 kg CO2 entspricht bei dieser Betrachtung 1 kg CO2-Äquivalent. Der GWP-Wert des häufig in Wärmepumpen eingesetzten Kältemittels R410A liegt bei 2088, d.h. es hat eine 2088 Mal höhere Treibhauswirksamkeit als CO2. 1 kg R410A entspricht demnach 2,088 t CO2-Äquivalent.
Die novellierte F-Gase-Verordnung beschleunigt den Phase-down noch einmal deutlich. 2025 stehen noch rund 42,8 Mio. t CO2-Äquivalente zur Verfügung. Zum Vergleich: 2023 waren bzw. sind es etwa 68 Mio. t. Der Anteil für die Kälte-, Klima- und Wärmepumpenbranche reduziert sich jedoch 2025 noch einmal zusätzlich um 8 bis 10 Mio. t. Hintergrund ist, dass dann auch die Menge an F-Gasen in die Quote eingerechnet wird, die in medizinischen Dosiersprays als Treibmittel verwendet werden (MDI). 2025 halbiert sich demnach die Menge im Vergleich zu 2023, drei Jahre später ein weiteres Mal, usw. Dadurch sind Engpässe zu erwarten – vor allem bei Hoch-GWP-Kältemitteln.
Damit die Quotenreduzierung nicht zu einer Gefährdung für den Wärmepumpenhochlauf in der EU führt, hat die F-Gase-Verordnung eine Hintertür offengehalten. Sollte es zu Engpässen kommen, erlaubt die Verordnung die Freigabe einer Art Sonderquote nur für den Bereich der Wärmepumpen. Da, wie weiter unten beschrieben, nach wie vor 75 % der Wärmepumpen fluorierte Kältemittel verwenden, könnte es durchaus dazu kommen, dass diese Option zum Tragen kommt.
Verbote, Beschränkungen und ihre Ausnahmen
Die novellierte F-Gase-Verordnung macht im Anhang IV eine ganze Reihe an Vorgaben, welche Kältemittel bei Neuinstallationen noch verwendet werden dürfen. Die für den Einsatz in Wärmepumpen (und Klimaanlagen) noch maximal erlaubten GWP-Werte sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Bei den meisten Verboten gibt es Ausnahmeregelungen, wenn der Einsatz alternativer Kältemittel aufgrund ihrer Brennbarkeit bzw. Toxizität aus Sicherheitsgründen („safety requirements“) nicht möglich ist. Nach bisherigem Kenntnisstand dürfen dies die Betreiber der Anlagen ohne vorherige Beantragung bei einer Behörde festlegen. Es muss jedoch für etwaige Kontrollen dokumentiert werden. Wenn allerdings zu viele Betreiber diese Option wählen, wird die Quote an F-Gasen schnell verbraucht sein.
REACH-Verordnung
Es gibt eine weitere Verordnung, die Auswirkungen auf die Wärmepumpenbranche haben könnte: die REACH-Verordnung (Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Darin wird ein Beschränkungsverfahren der PFAS-Stoffgruppe (angestrebt. PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Schätzungen zufolge gibt es über 10000 verschiedene Stoffe dieser Klassifizierung, die in zahllosen Produkten zum Einsatz kommen – vom Kleber über Feuerlöschschäume bis zum Skiwachs, von Kosmetika bis zum Kochgeschirr. Die Kälte-, Klima- und Wärmepumpenbranche verwendet PFAS-Chemikalien in vielfältigen Formen und Anwendungen – u.a. in Dichtungen, Konstruktions- und Beschichtungswerkstoffen, elektrotechnischen Komponenten. Geeignete Alternativen mit den gleichen, zwingend erforderlichen Materialeigenschaften sind jedoch in vielen Fällen derzeit nicht verfügbar und auch nicht im Zeitrahmen der geplanten Verbotsfristen als marktreife Produkte entwickelbar. Das pauschale Verbot aller PFAS-Chemikalien, das derzeit von der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) geprüft wird, lehnen VDKF und LIK daher ab, sofern es losgelöst von einer Bewertung der tatsächlichen Umweltbelastung und der absehbaren Verfügbarkeit geeigneter Ersatzstoffe erfolgt. Der sichere Betrieb von Kälte-, Klima- und Wärmepumpenanlagen wäre ansonsten massiv gefährdet – mit den entsprechenden Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft.
Auch die fluorierten Kältemittel stehen im Fokus des Beschränkungsverfahrens. Bis auf R32 zählen alle in Wärmepumpen verwendeten fluorierten Kältemittel zur PFAS-Stoffgruppe. Durch ihre photochemische Zersetzung entsteht als atmosphärisches Abbauprodukt Trifluoressigsäure, das sich schließlich als Trifluoracetat (TFA) in Böden und Gewässern anreichert. Es gilt somit als persistente „Ewigkeitschemikalie“. Die tatsächlichen Umweltauswirkungen werden noch unterschiedlich bewertet. So kam eine Studie des Umweltverträglichkeitsprüfungsgremiums des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zu dem Schluss, dass „die aktuellen und geschätzten Konzentrationen von TFA und seinen Salzen in der Umwelt, die durch den Abbau von H-FCKW, H-FKW und HFO in der Atmosphäre entstehen, keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen“. In anderen Studien hingegen werden Gefahren für Mensch und Umwelt beschrieben. Die Datenlage ist hier noch recht dünn. Aus Sicht der UNEP sollte jedoch Persistenz nur dann als Kriterium für die Beschränkung einer Chemikalie dienen, wenn diese toxisch oder bioakkumulativ ist. Beides trifft laut UNEP auf TFA nicht zu. Nichtsdestotrotz könnte neben der Novellierung der F-Gase-Verordnung aber auch durch die REACH-Verordnung der Einsatz von fluorierten Kältemitteln künftig erschwert bzw. unmöglich werden.
Noch ist es jedoch nicht so weit: Die ECHA wird erst bis 2025 die 5600 Stellungnahmen prüfen, die von Firmen, Organisationen und Privatpersonen zum PFAS-Beschränkungsvorschlag eingereicht wurden. Anschließend übermittelt die ECHA einen Entwurf für ein PFAS-Beschränkungsverbot an die EU-Kommission. Mit einer Verabschiedung der REACH-Verordnung durch die EU-Kommission ist dann frühestens 2026 zu rechnen. Es könnte aber auch noch länger dauern. Die Verwendungsverbote würden dann nach einer 18-monatigen Übergangszeit greifen.
GEG und BEG
Kältemittel in Wärmepumpen werden auch im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) thematisiert. Mit § 71p im GEG schafft sich die Bundesregierung eine Option, den Einsatz natürlicher Kältemittel (wie Propan oder Kohlendioxid) in Wärmepumpen per Rechtsverordnung vorzuschreiben – ganz egal, was die europäische F-Gase-Verordnung an Möglichkeiten vorgibt. Dies ignoriert aus Sicht von VDKF und LIK die Tatsache, dass der geplante Wärmepumpenhochlauf in Deutschland ohne Wärmepumpenmodelle mit fluorierten Kältemitteln nicht gelingen kann. Die Verwendung von Kältemitteln in der EU wird durch die Novellierung der F-Gase-Verordnung schon in mehr als ausreichender Weise reguliert. Wohlgemerkt: § 71p ist derzeit keine rechtskräftige Vorgabe, sondern nur die Option hierfür.
Je nach eingesetztem Kältemittel werden Wärmepumpen in der BEG unterschiedlich gefördert. Für Wärmepumpen wird zusätzlich ein Förderbonus von 5 % gewährt, wenn als Wärmequelle Wasser, Erdreich oder Abwasser erschlossen oder ein natürliches Kältemittel eingesetzt wird. Ab 2028 fallen Wärmepumpen mit F-Gasen komplett aus der Förderung. Selbst wenn dann die F-Gase-Verordnung, §71p im GEG oder das PFAS-Verbot noch fluorierte Kältemittel zulassen. Ohne staatliche Förderung wird es wohl nur noch wenige Betreiber geben, die auf Wärmepumpen mit F-Gasen setzen werden.
F-Gase nach wie vor mit größtem Marktanteil
Der allergrößte Teil der Wärmepumpen im Bestand und auch der der neu installierten Geräte verwendet derzeit noch fluorierte Kältemittel. Eine auf der Tagung des Deutschen Kälte- und Klimatechnischen Vereins (DKV) im November 2023 von Dr. Marek Miara (Fraunhofer ISE) vorgestellte Auswertung der Förderanträge ergab, dass der Anteil von Propan-Wärmepumpen bei Neuanlagen bei ca. 25 % liegt. Weitere 25 % verwenden das F-Gas R32. Die fluorierten Kältemittel R410A, R134a, R407C, R454B und R454C machen den Rest aus, wobei R410A den größten Anteil hat. Dieser ist jedoch in den vergangenen drei Jahren um 40 % gesunken.
In den nächsten Jahren wird sich das Verhältnis weiter verschieben, da die Verwendung der treibhauswirksamen fluorierten Kältemittel durch die europäische F-Gase-Verordnung kontinuierlich eingeschränkt wird. Daher setzen zahlreiche Wärmepumpenhersteller verstärkt auf das Kältemittel Propan und bauen die Produktionskapazitäten deutlich aus.
Autor: Christoph Brauneis,
Beauftragter für Politik und Medien,
VDKF – Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe e.V.
www.landesinnung-kaelte-klima.de