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Energetische Inspektionen an Klimaanlagen:Durchführung nur durch "Fachkundige mit Hochschulabschluss"?

Untersuchungen zeigen, dass zum Teil große Energieeinsparpotenziale in Klimaanlagen vorhanden sind. Ursachen dafür gibt es viele, angefangen bei konzeptionellen Systemänderungen in den Klimaanlagen, falschen Betriebszeiten, Überdimensionierungen von Anlagenkomponenten und Luftvolumenströmen bis hin zu Funktionsstörungen. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) fordert daher in regelmäßigen Abständen die energetische Inspektion von Klimaanlagen. Diese Inspektionen dürfen aber nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden – verständlich, denn eine derartige Überprüfung einer Klimaanlage stellt hohe Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Ausführenden. Aus diesem Grund werden nach § 12 Abs.5 der EnEV „insbesondere“ die Personen als Fachkundige ausgewiesen, die über einen berufsqualifizierenden Hochschulabschluss verfügen. Schließt dies z. B. einen Heizungs- und Lüftungsbauermeister mit Praxiserfahrung von der Durchführung einer energetischen Inspektion aus?

 

PRO

Dipl.-Ing. Heiko Schiller, Inhaber des Ingenieurbüros Schiller Engineering, Hamburg

 

Größere Klimaanlagen sind in Deutschland in der Regel raumlufttechnische Anlagen, die auch der Außenluftversorgung dienen und damit nicht vorrangig zur Kühlung sondern zur Sicherstellung von Raumluftqualität und Abfuhr von Schadstoffen errichtet werden. Sie werden nach komplexen branchenbezogenen Regelwerken, Normen und Richtlinien individuell ge­plant und installiert. Dabei werden weitere Fachgebiete tangiert, wie beispielsweise Schallschutz, Brandschutz, Hygiene und Bauphysik. Die fachgerechte Planung setzt vertiefte Analysen der Nutzung und der organisatorischen Abläufe in den jeweiligen Gebäuden voraus. Aufgrund des Installationsvolumens der RLT-Anlagen entstehen starke Abhängigkeiten mit den Rohbau- und Ausbaugewerken, sodass die gewerkeübergreifende Koordinierung bei der Planung einen hohen Stellenwert einnimmt. Zum Einsatz gelangen teils umfangreiche Berechnungsverfahren, z. B. für die Ermittlung der Kühllasten, die Bilanzierung von Außenluftvolumenströmen, Druckverlust- und Schalldruckpegelberechnungen.
Zusammengefasst verlangt die EnEV mit der Inspektion nach § 12:
• eine Überprüfung und Bewertung aller Einflüsse, die für die Anlagendimensionierung verantwortlich sind und
• eine Bewertung der Effizienz der eingesetzten Komponenten.
Insbesondere für den erstgenannten Punkt, die Überprüfung der Anlagendimensionierung, müssen entsprechende Kenntnisse vorhanden und die Berechnungsmethoden für eine stichprobenartige Anwendung beherrscht werden. Die Qualifikationen für die Inspektion decken sich mit denen, die für die Fachplanung erforderlich sind. Sie sind Bestandteil der Hochschulausbildung, und Fachplanungsleistungen werden in der Praxis überwiegend von Ingenieuren erbracht. Aus diesen Gründen sollte eine energetische Inspektion von Klimaanlagen vorrangig von Fachkundigen mit Hochschulabschluss durchgeführt werden. Die EnEV formuliert die Anforderungen an die Fachkunde in einer „Insbesondere“-Aufzählung. Die Liste beinhaltet Kombinationen aus Hochschulabschlüssen unterschiedlicher technischer Fachrichtungen mit praktischer Berufserfahrung. Im Vergleich zu den Ausstellungsberechtigungen von Energieausweisen wurde der Personenkreis enger gefasst, und es werden verordnungsseitig auch keine qualifizierenden Schulungsmaßnahmen vorgesehen. Im Gegenzug zu den hohen Qualifikationsanforderungen verzichtet der Verordnungsgeber auf detaillierte Handlungsanweisungen in Form von weiteren Normen, Richtlinien oder Ähnlichem.
Das Wort „insbesondere“ im § 12 der EnEV impliziert auch, dass Abweichungen möglich sind. Mit der niedrigen 12-kW-Grenze der EnEV werden natürlich auch sehr kleine Klimaanlagen angesprochen, die vom Fachhandwerk geplant und errichtet werden. Hier kann es sein, dass der spezialisierte Handwerksmeister besser qualifiziert ist als der eher generalistisch ausgebildete Ingenieur. Nach meiner Interpretation des § 12 kann es sich aber nur um Einzelfälle und nicht um den Regelfall ganzer Berufsgruppen handeln. Der rechtliche Rahmen ist verhältnismäßig eng begrenzt. Und Ausnahmen widerlegen nicht die Regel.
Die Inspektion darf nicht mit Prüfvorgängen zum Funktionserhalt im Rahmen der Wartung verwechselt werden. Der Aspekt des Funktionserhalts wird im § 11 der EnEV behandelt und spricht weitere Berufsgruppen an. Für regelmäßige Funktionsprüfungen wäre das 10-Jahre-Intervall des Inspektionsparagraphen § 12 viel zu lang.

 


 

CONTRA

Dr. Ulrich Möhl, Leiter Energiedienst­leistungen Germany and Central Europe bei YIT Germany GmbH, München

 

Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst die Vorgaben in § 12 der EnEV 2009 zu Ziel und Umfang der Energetischen Inspektion sowie zur dafür erforderlichen Qualifikation der Personen geprüft werden.
Die Inspektion umfasst danach „Maßnahmen zur Prüfung der Komponenten, die den Wirkungsgrad der Anlage beeinflussen, und der Anlagendimensionierung im Verhältnis zum Kühlbedarf des Gebäudes.“ Dies bedeutet, dass zum einen die energetische Effizienz der Gesamtanlage durch Messungen und Berechnungen und zum anderen die Möglichkeit der Optimierung durch den Abgleich des aktuellen Bedarfs mit dem aktuellen gebäudetechnischen und betrieblichen Istzustand sowie der damit verbundenen Einstellungen, insbesondere der Sollwerte, Betriebszeiten und Toleranzen der Regler, zu ermitteln ist.
Dies erfordert natürlich „Fachkenntnisse in der Planung und Auslegung von Klimaanlagen, bauphysikalische Kenntnisse des sommerlichen Wärmeschutzes, Kenntnisse der Regenerativen Energien und Kopplungsprozesse sowie der Anwendung ingenieurmäßiger Berechnungsmethoden (insbesondere Kühllast, Energiebedarf von Gebäuden und Anlagen). Notwendig sind ferner Grundkenntnisse auf dem Gebiet der Gebäudeautomation“, wie es in der Begründung zur EnEV lautet.
Auch wenn im Rahmen einer beispielhaften Aufzählung („insbesondere-Aufzählung“) ausschließlich Personen mit einem berufsqualifizierenden Hochschulabschluss in bestimmten Fachrichtungen als „insbesondere“ fachkundig angesehen werden, ist ein berufsqualifizierender Hochschulabschluss gemäß EnEV keine zwingende Voraussetzung.
Ungeachtet der Vorschläge der EnEV ist im Einzelfall ernsthaft zu hinterfragen, was einen Hochschulabsolventen mit Praxiserfahrung für die geforderten Tätigkeiten höher qualifiziert als beispielsweise einen Anlagenmechanikermeister für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder einen Kälteanlagenbauermeister mit Praxiserfahrung?
Sehr häufig wird der Fokus eines Hochschulabsolventen z. B. weniger auf der Durchführung derartiger Routinetätigkeiten sondern vielmehr auf Aufgabengebieten liegen, in denen er entweder die Breite seines technischen Wissens möglichst vollständig zum Einsatz bringen kann oder derartige Aufgaben eher steuert oder lenkt.
Zudem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich in der Praxis mangels belastbarer Daten oder wegen eines nicht bezahlbaren Aufwandes die in der zitierten Begründung der EnEV geforderte Qualifikation für die Lastberechnung auf geeignete Abschätzungen reduziert.
Maßgebend sind am Ende die Praxiserfahrungen z. B. aus der Instandhaltung von Klima- und Kälteanlagen, eine qualifizierende Schulung für die energetische Inspektion und die Verfügbarkeit der entsprechenden Mess-, Berechnungs- und Dokumentationswerkzeuge.
Bei der Halbwertzeit des technologischen Wissens, die heute mit zwei bis fünf Jahren angesetzt wird, sind die Praxis­erfahrung der vergangenen drei bis fünf Jahre, eine fortwährende Schulung sowie das Persönlichkeitsprofil ohnehin die mit Abstand am höchsten qualifizierenden Faktoren.

 

 


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