Die neue DIN 1986-100
Planung und Ausführung von Entwässerungsanlagen
Im September 2016 erschien die aktualisierte Fassung der Norm DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“. Teilweise gelten damit gravierende Änderungen. Betroffen ist beispielsweise auch die Bemessung von Schmutzwasseranlagen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche weiteren Bereiche von der Überarbeitung betroffen sind und warum die Korrekturen erforderlich waren.
Die Überarbeitung der Norm war aufgrund von Anfragen, Fehlerbehebungen sowie nicht eindeutigen Formulierungen und neuen Entwicklungen in der Entwässerungstechnik erforderlich. Gegenüber DIN 1986-100, Ausgabe Mai 2008, wurden folgende gravierende Änderungen vorgenommen:
- Die Änderungen DIN 1986-100 / A1, Ausgabe Juli 2014 und DIN 1986-100 / A2, Ausgabe Dezember 2014, wurden in diese konsolidierte Fassung der Norm eingearbeitet und die Norm redaktionell überarbeitet.
- Die Änderung DIN 1986-100 / A2, Ausgabe Dezember 2014 – Ausnahmeregelung nach Abschnitt 5.3.1 für die Entwässerung von Auffangflächen von Kühlaggregaten von Kälteanlagen nach § 19 (4) AwSV – wurde in den normativen Anhang C übernommen.
- 5.10 (Balkone und Loggien): Das generelle Verbot für den Anschluss von Abläufen zur Entwässerung von Balkonen und Loggien an Regenwasserfallleitungen von Dachentwässerungen wurde aufgehoben, und der Anschluss unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.
- 6.2.1 (Fremdeinspülung): Der Anschluss von gegenüberliegenden Anschlussleitungen für fäkalfreies und fäkalhaltiges Schmutzwasser auf gleicher Rohrsohle an einen Doppelabzweig wird zugelassen.
- 6.5.1 (Lüftung der Entwässerungsanlage, Allgemeines): Bei der Mündung der Lüftungsleitung über Dach dürfen keine Abdeckungen mehr eingesetzt werden.
- In 14.2 (Regenwasseranlagen) und 14.9 (Überflutungs- und Überlastungsnachweise) wurden die Anforderungen an die Planung und Berechnung entsprechend der Grundstücksgrößen bzw. Fließzeiten bis 15 Min. verständlicher neu gefasst.
- Tabelle 9 (Abflussbeiwerte) ist vollständig überarbeitet.
- Die Anforderungen der europäischen Entwässerungsnormen DIN EN 12056-1 bis 12056-3 und teilweise DIN EN 12056-4 sowie DIN EN 752 wurden berücksichtigt.
- Die in Anhang A genannten Regenreihen in Deutschland wurden an die neuen „Starkniederschlagshöhen für Deutschland“, erschienen mit KOSTRA-DWD-2010, angepasst.
Die Anwendungsbereiche der Entwässerungs-Normen im Überblick
Die DIN EN 12056 gilt nur für „Entwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“. Der Anwendungsbereich der DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden“ erstreckt sich auf die Grundstücksentwässerung und die öffentliche Kanalisation bis zum Klärwerk. Die in Deutschland maßgebende Norm DIN 1986-100 gilt nach wie vor für die Gebäude- und Grundstücksentwässerung, d. h. bis zur Grundstücksgrenze. Für den öffentlichen Bereich gilt weiterhin die DIN EN 752. Baurechtlich bildet die Grundstücksgrenze in Deutschland die Grenze zwischen der Bauordnung und dem öffentlichen Bereich.
Balkone und Loggien in Abschnitt 5.10
Das generelle Verbot für den Anschluss von Abläufen zur Entwässerung von Balkonen und Loggien an Regenwasserfallleitungen von Dachentwässerungen wurde aufgehoben. Wenn Balkone und Loggien keine geschlossene Brüstung haben, kann auf getrennte Fallleitungen für die Dach- und Balkonentwässerung verzichtet werden. Hierbei müssen mindestens 50 % der Brüstung als freier Ablauf zur Verfügung stehen, damit das Wasser im Überflutungsfall ungehindert abfließen kann. Abläufe von Balkonen und Loggien im Erdgeschoss sollten aus Sicherheitsgründen getrennt an die Regenwassergrundleitung angeschlossen werden. Abläufe von Terrassen sollten wegen Überflutungsgefahr möglichst erst nach einem Entspannungspunkt (Hofablauf oder Schacht mit offenem Durchfluss und Lüftungsöffnungen) an die weiterführende Regenwassergrundleitung angeschlossen werden.
Fremdeinspülung nach Abschnitt 6.2.1
Aufgrund von abwassertechnischen Versuchen wurde der Anwendungsbereich von Doppelabzweigen 87° bis 88,5° in Schmutzwasserfallleitungen erweitert. Hiernach darf der Anschluss von gegenüberliegenden Anschlussleitungen für fäkalfreies und fäkalhaltiges Schmutzwasser auf gleicher Rohrsohle und bei jeweils gleicher Nennweite der Anschlussleitungen über Doppelabzweig mit Innenradius oder 45°-Einlaufwinkel erfolgen.
Durch diese Erweiterung des Anwendungsbereiches besteht nun die Möglichkeit, gegenüberliegende Anschlussleitungen für fäkalfreies und fäkalhaltiges Schmutzwasser ohne komplizierte Leitungsführung an eine Fallleitung anzuschließen.
Lüftung der Entwässerungsanlage nach Abschnitt 6.5.1
„Endrohre von Lüftungsleitungen über Dach sind nach oben offen mindestens mit dem Querschnitt der Lüftungsleitung auszuführen. Abdeckungen dürfen nicht eingesetzt werden.“ Abdeckungen und Hauben behindern die Be- und Entlüftung von Entwässerungsanlagen in sehr starkem Maße. Wie von zahlreichen Praktikern in den letzten Jahren gefordert, wurde diese klare Anweisung aus der alten DIN 1986, Teil 1 wieder aufgenommen.
Bemessung von Schmutzwasseranlagen nach Abschnitt 14.1
Aufgrund häufiger Anfragen wurde im Abschnitt 14.1.2 folgender Zusatz eingebracht: „Ist der Wert des berechneten Schmutzwasserabflusses Qww bzw. des berechneten Gesamtschmutzwasserabflusses Qtot geringer als der Anschlusswert DU des größten angeschlossenen Entwässerungsgegenstandes, so gilt der Wert des größten angeschlossenen Entwässerungsgegenstandes DU.“
Anwendungsbeispiel: An eine Schmutzwasserleitung eines Wohnhauses sollen die in Tabelle 1 abgedruckten Entwässerungsgegenstände angeschlossen werden: Summe der Anschlusswerte ∑ DU = 9,7 l/s, Abflusskennzahl K = 0,5 (Wohnhaus).
Lösung: Schmutzwasserabfluss
Qww = K ∙ (∑ DU)0,5 = 0,5 ∙ (9,7)0,5 = 1,56 l/s
Ergebnis: Da der errechnete Schmutzwasserabfluss Qww mit 1,56 l/s kleiner ist als der größte Einzelanschluss mit 2,0 l/s (WC mit 6,0 l Spülkasten), muss die Bemessung der Schmutzwasserleitung mit einem Schmutzwasserabfluss von 2,0 l/s durchgeführt werden.
Regenwasserabfluss nach Abschnitt 14.2.1
In der Vergangenheit war es bei großen privaten Grundstücken mit eigener Infrastruktur nicht immer klar, ob die Bemessung nach DIN 1986-100 oder nach den Regelwerken der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.) erfolgen sollte. Im Abschnitt 14.2.1 wird jetzt eine klare Abgrenzung vorgenommen. Die Bemessungsregeln nach DIN 1986-100 sind für Grundstücke bis zu einer befestigten Fläche bis etwa 60 ha (AE,b) oder Fließzeiten bis zum Anschlusspunkt an ein Gewässer oder den öffentlichen Anschlusskanal bis etwa
15 Min. anzuwenden. Die Berechnung von Au muss mit dem Spitzenabflussbeiwert Cs nach Tabelle 9 durchgeführt werden.
Abflussbeiwerte nach Abschnitt 14.2.3
Bei den bisher in der DIN 1986-100 benannten Abflussbeiwerten C handelte es sich um Spitzenabflussbeiwerte, die zukünftig auch als solche mit CS bezeichnet werden. Der Spitzenabflussbeiwert wird zur Bemessung der Regenentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden und der Grundleitungen benötigt. Zusätzlich wurde zur Berechnung von Regenrückhalträumen (VRRR) nach Gleichung 22 der neuen Norm noch ein mittlerer Abflussbeiwert Cm eingeführt. Dies war in Abstimmung mit der DWA erforderlich, da die Gleichung 22 aus dem DWA-Regelwerk A 117 stammt und hier der mittlere Abflussbeiwert Cm verwendet wird. In der Tabelle 9 der DIN 1986-100 sind die Abflussbeiwerte für CS und Cm angegeben.
Regenwasserabfluss über Notentwässerung nach Abschnitt 14.2.6
Zum besseren Verständnis bei der Ermittlung der Überflutungshöhen von Notentwässerungen enthält die neue Norm jetzt zwei Darstellungen. Eine Darstellung zur Ermittlung der Überflutungshöhen für Notentwässerungen bei geschlossener Attika über Notabläufe (25a) und eine zweite Darstellung für Notentwässerungen mit Öffnungen in der Attika (25b).
Rechteckige Notüberläufe nach Abschnitt 14.5.2
Im Abschnitt 14.5.2 befanden sich im Diagramm zur Bemessung von rechteckigen Notüberläufen falsche Angaben. Das Diagramm zur „Bemessung des Abflussvermögens von frei angeströmten rechteckigen Überläufen“ wurde komplett überarbeitet.
Überflutungs- und Überlastungsnachweise nach Abschnitt 14.9
Im Abschnitt 14.9.2 der DIN 1986-100 wird unmissverständlich gefordert, dass die hydraulisch mit Teilfüllung bemessenen Regenwasserleitungen der Grundstücksentwässerungsanlage nicht für die Speicherung der Rückhaltevolumen aus der Überflutungsprüfung bzw. der Berechnung des Regenrückhalteraumes (VRRR) in Ansatz gebracht werden dürfen. Diese möglichen Speichervolumen in den teilgefüllten Leitungen sollen als stille Reserve zur Verfügung stehen.
Bei kleinen Grundstücken bis 800 m2 abflusswirksamer Fläche muss auch bei Verwendung von Versickerungsanlagen kein Überflutungsnachweis durchgeführt werden, sofern die Versickerungsanlage nach DWA-A 138 mit T = 5a und dem entsprechenden Berechnungsregen nach
KOSTRA-DWD-2010 bemessen ist. Vorausgesetzt wird hierbei, dass aufgrund der Geländebeschaffenheit und architektonischer Gebäudeplanung kein Wasser bei Überstau der Anlage in das eigene Gebäude oder Nachbargebäude eindringen kann und behördlich keine anderen Regelungen bestehen.
Regenspenden in Deutschland im Anhang A
Die im Anhang A der DIN 1986-100 genannten Regenreihen in Deutschland wurden an die „Starkniederschlagshöhen für Deutschland“, entsprechend
KOSTRA-DWD-2010, angepasst. Die bisher in der Tabelle A.1 aufgeführten Städte wurden um die Städte Solingen und Wuppertal ergänzt.
Hinweis: Die Jährlichkeit des Berechnungsregens für die Entwässerung von Dachflächen muss unverändert mindestens einmal in 5 Jahren (T = 5 a) betragen.
Ausnahmeregelung nach Abschnitt 5.3.1 im Anhang C
Im Gegensatz zum Abschnitt 6.4 der Euronorm DIN EN 12056-3, Ausgabe Januar 2001, darf in Deutschland grundsätzlich kein Regenwasser in Schmutzwasserfallleitungen eingeleitet werden. Dies gilt gemäß Abschnitt 5.3.1 der neuen DIN 1986-100 nicht für die Entwässerung von Auffangflächen von im Freien aufgestellten Kühlaggregaten von Kälteanlagen nach § 19 (4) AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) mit einem maximalen Regenwasserabfluss ≤ 1,0 l/s über Dachabläufe mit DN 50 an eine Schmutzwasserfallleitung ≥ DN 100. Die entsprechenden Anforderungen für die Planung und Ausführung gemäß der Ausnahmeregelung sind im Anhang C der Norm enthalten.
Autor: Bernd Ishorst,
IZEG Informationszentrum
Entwässerungstechnik Guss e.V., Bonn
Bilder: IZEG