Alles aus einem Hahn - Marktübersicht: Heiß- und Kochendwasseramaturen mit Boiler
Es tut sich was im Armaturenmarkt: Nach bescheidenen Verkaufszahlen in den letzten Jahren, erwarten die Anbieter von Heißwasserarmaturen für 2013 einen deutlichen Schub. Systeme mit und ohne Druck stehen zur Auswahl. Gestalterisch gilt: Die Deutschen mögen am liebsten alles aus einer Armatur.
Während bei den holländischen Nachbarn eine gut ausgestattete Küche ohne Heißwasser-Armatur gar nicht vorstellbar ist und auch die Skandinavier und die Briten sich in ansprechender Zahl an Heißwasserspendern erfreuen, dümpelte der Markt in Deutschland eher beschaulich vor sich hin. Gründe für die Zurückhaltung der Kunden gibt es einige: Landestypische Ess- und Kochgewohnheiten zählen dazu. Die Holländer zum Beispiel lieben den schnellen, lediglich mit heißem Wasser anzurührenden Snack zwischendurch, und der Engländer versteht was von der fachlich fundierten Tee-Zubereitung, greift dafür bei Kaffee aber oft auf die gekörnte Instant-Variante zurück. Stets Voraussetzung: möglichst unkompliziert und fix auf hohe Temperatur gebrachtes Wasser.
Doch inzwischen füllen auch in deutschen Supermärkten immer mehr heiße Tassen und andere gefriergetrocknete Fertiggerichte die Regale. Der Trend zum Convenience-Food ist mindestens genauso ausgeprägt wie die Lust am zelebrierten Kochhappening. Während die kulinarische Großveranstaltung oft gar nicht genug kriegen kann vom ausgefeilten Küchenequipment, reicht der Ein-Happen-im-Stehen-Fraktion oft eine Mikrowelle mit Pizza-Funktion. Und wenn es nach Quooker, Clage, Grohe, Blanco, Dornbracht und Naber geht, eben ein Armaturensystem, das auf Knopfdruck sehr heißes bis kochendes Wasser liefert. Denn damit sind Fertiggerichte oder die Tasse Tee im Handumdrehen verzehrbereit.
Von heiß bis kochend
Die Formulierung „sehr heißes bis kochendes Wasser“ ist von Vorsicht geprägt. Und das hat Sinn. Denn wer sich diesem Nischensegment des Armaturenmarkts allzu sorglos nähert, läuft Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten. Die Grenze ist klar gezogen: 100°C. Es gibt Anbieter wie Quooker, Naber und Grohe, die sehr darauf pochen, dass in ihren Druckbehältern Wasser vorrätig gehalten wird, welches die 100°C-Marke überschritten hat. Und es gibt Anbieter wie Dornbracht, Clage und Blanco, die der Meinung sind, dass einige Grad weniger als 100°C immer noch ausreichen.
Wer mehr als 100°C heißes Wasser vorrätig halten will, benötigt dafür einen Druckbehälter. Diese Technik ist naturgemäß aufwendiger als die drucklose Variante. Und damit meist etwas teurer. Allein der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber belassen wir es für alle Varianten bei der Bezeichnung Heißwasserarmatur. Wohl wissend, dass es einen Unterschied gibt zwischen kochendem und nicht kochendem Wasser.
Quooker, der Pionier
Als Pionier auf dem Gebiet der Heißwasserarmaturen gilt das Unternehmen Quooker. Am Heimatmarkt Holland beträgt der Marktanteil annährend 100%, wie Erik Spelt, Leiter Marketing und Vertrieb von Quooker Deutschland, berichtet. Dies sei historisch gewachsen, schließlich blickt das Unternehmen bereits auf 40 Jahre Erfahrung zurück. Ein Traum für jeden Marketingstrategen: Ähnlich wie bei Tesa und Tempo für Klebestreifen und Papiertaschentücher, spricht man in den Niederlanden von einem Quooker, wenn man eine Heißwasserarmatur meint. Seit fast fünf Jahren arbeitet das Unternehmen daran, diese mentale Kopplung auch in Deutschland in den Köpfen der Kunden zu verankern. Doch was bei den westlichen Nachbarn seit den 1970er-Jahren beständig an Fahrt gewinnt und sich längst auf dem Überholstreifen befindet, traut sich in Deutschland bislang nicht recht runter von der Einfädelspur. Weltweit hat Quooker nach eigenen Angaben rund 250000 Heißwasserarmaturen verkauft. Das Unternehmen ist in zehn europäischen Ländern aktiv. In Deutschland dürfte sich die Zahl der jährlich installierten Systeme herstellerübergreifend auf 2000 bis 3000 beschränken. Selbst Optimisten zweifeln, dass es mehr als 5000 im Jahr sind. „Und davon 1500 entlang der holländischen Grenze“, vermutet Naber-Marketingleiter Manfred Staaks. Das Nordhorner Unternehmen Naber ist seit gut zwei Jahren mit einem eigenen Heißwassersystem namens Hotspur am Markt, gefertigt vom holländischen Unternehmen Itho Daalderop.
Durchbruch in 2013
Für dieses Jahr erwarten alle befragten Anbieter einen deutlichen Schub nach vorn. „2013 wird der Durchbruch auf dem deutschen Markt sein“, ist auch Erik Spelt überzeugt. Seine Einschätzung basiert weniger auf Hoffnung als auf Fakten. In seinem Fazit zur Küchenfachmesse Living Kitchen sagte er: „Die Menge der bestellten Armaturen hat unsere schon optimistische Planung bei Weitem übertroffen, und im Vergleich zur Living Kitchen 2011 hat sich die Anzahl der Bestellungen sogar verdreifacht.” Ähnlich optimistisch zeigt sich Blanco. Das Unternehmen aus Oberderdingen, seit mehreren Jahren nationaler Marktführer im Vertrieb von Küchenarmaturen, erweitert das Angebot an Heißwassersystemen seit vergangenem September um Blanco Hot. Lars Kreutz, Geschäftsleitung Vertrieb Deutschland, sieht das mittelfristige Potenzial von Heißwassersystemen bei etwa 20000 bis 25000 Stück. „Im ersten Schwung“, wie er betont. Grundsätzlich könne er sich vorstellen, dass der Markt sogar deutlich mehr Dynamik gewinnen kann.
Mit dem Markteinstieg von Blanco hat sich ein förderlicher Wettbewerb entwickelt, der allen Anbietern nutzt. Schließlich werde mehr über das System an sich gesprochen, bestätigt Manfred Staaks. Und Vertriebsexperte Lars Kreutz ergänzt: „Einen Markt allein machen zu wollen, ist sehr schwierig.“ Eine Aussage, die seine Kollegen bei Quooker, Naber, Grohe, Dornbracht und Clage sicher bereitwillig unterschreiben werden.
Streit der Systeme
Trotz dieser Eintracht herrscht seit der Präsentation von Blanco Hot eine bislang ungewohnte Diskussionsfreudigkeit im Markt. Denn Blanco hat sich im Gegensatz zu den holländischen Drucksystemen bewusst gegen eine Kochendwasser-Variante entschieden und zusammen mit Partner Stiebel Eltron eine drucklose Lösung präsentiert. Die System-Vorteile liegen für Lars Kreutz auf der Hand: Weniger hohe technische Voraussetzungen, einfachere Montage, geringerer Preis. Dafür nimmt Blanco in Kauf, dass das Wasser nicht über ca. 97°C erhitzt wird. An dieser Marke regelt die Heiztechnik die Erwärmung automatisch ab. Für Lars Kreutz ist der Unterschied zur Kochendwasser-Variante ohnehin gering. „Auf dem Weg in die Tasse verliert jedes Wasser einige Grad Temperatur.“ Das Resultat sei also fast identisch.
Das wiederum wollen die Anbieter der Kochendwasser-Armaturen ganz und gar nicht gelten lassen und pochen auf die besonderen Vorteile von Wasser, das über die magische Grenze von 100°C erhitzt wurde. „Hygiene“, sagt zum Beispiel Erik Spelt. „Tee- und Essenszubereitung“, ergänzt Martin Staaks. Um nur zwei bewusst reduzierte Stichworte zu nennen.
Keine alleinige Wahrheit
Rein objektiv betrachtet haben beide Parteien recht, aber keiner die alleinige Wahrheit. Beispiel Hygiene: Es gibt Keime und Bakterien, die sterben bereits ab 72°C Wassertemperatur. Andere überleben sogar 100°C und sind bis zu 20 Minuten gegen 120°C Hitze resistent. Und damit an Individualtät nicht genug: Manche Bakterien sondern widerstandsfähige Sporen ab, die sich auch nach dem Tod des Mutterkeims noch immer im Wasser befinden. Die 100°-Marke ist sicherlich eine ganz besondere Trennlinie und für manche Anwendung von besonderem Wert, manchmal auch ein Muss. Allerdings: Trinkwasser hat in Deutschland Lebensmittelqualität. Ob der „Streit der Systeme“ hierzulande also vorrangig über die mögliche oder tatsächliche Keimbelastung geführt werden sollte, scheint aus Beobachtersicht fraglich. Zumal alle Beteiligten das identische Ziel haben: Überhaupt erst mal Kunden von Heißwassersystemen begeistern.
Sicherer als ein Wasserkocher
Sicherheit, Komfort und Platzersparnis auf der Arbeitsfläche sind Argumente für fest installierte Heißwasserarmaturen. Beim Thema Sicherheit können alle hier vorgestellten Heißwassersysteme punkten. Im Gegensatz zum lose auf der Arbeitsplatte stehenden Wasserkocher bzw. dem vor sich hin köchelnden Topf auf dem Kochfeld, verfügen Heißwasserarmaturen über spezielle Bedienelemente wie Druck-Drehknöpfe, die neugierige Kinderhände vor kaum lösbare Aufgaben stellen. Ebenfalls großer Wert wird auf die Isolierung von Boiler und wasserführenden Teilen gelegt. So bleibt alles ungefährlich kühl.
Angesichts teils vierstelliger Anschaffungskosten werden Heißwasserarmaturen wohl auf absehbare Zeit keine Mainstream-Produkte. Doch ab obere Mitte kann sich das verkäuferische Engagement bereits heute lohnen. Welches System in welcher Preiskategorie angeboten wird, verrät unsere mit vielen technischen Daten gespickte Vergleichstabelle auf den folgenden Seiten. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass die von den Anbietern genannten Preise teils erheblich von der Internetrecherche abweichen. Manche Systeme werden etwa in Web-Shops bereits für 500 bis 600 Euro angeboten. Aus welchen Quellen diese Ware stammt, bleibt wie so häufig bei diesem Vertriebsweg nebulös.
Die getesteten Geräte in kurz vorgestellt
Das „ZIP HydroTap“ von Clage besteht aus zwei Komponenten: die elektronische Spezialarmatur und das kompakte Untertischgerät. Die Armatur kann an einem Spülbecken installiert werden oder mit einem optional erhältlichen Tableau auch an beliebiger Stelle, z.B. auf einem Tresen oder einer Anrichte. Für die Installation sind eine Elektrosteckdose und ein Wasseranschluss erforderlich.
Mit den „Water Dispensern“ präsentiert der Armaturenhersteller Dornbracht Convenience-geeignete Produkte für die Serien Tara Ultra und Lot. Dabei handelt es sich um ein System aus Armatur, Wasserfilter und Heißwassertank. Auf Hebeldruck liefern die Water Dispenser 93°C heißes Wasser. Die Bedienung sei unkompliziert. Bedienhebel nach hinten: Kaltwasser, Bedienhebel nach vorne: Heißwasser.
Den „Grohe Red Boiler“ gibt es in zwei Größen: für 4 und 8l Wasser. Die kleine Version liefert ausschließlich kochendes Wasser. Für Küchen, die nur über einen Kaltwasseranschluss verfügen, kann der größere Boiler mit integrierter Mischung verwendet werden. Mit diesem können bis zu 6l kochendes Wasser oder bis zu 15 l Warmwasser mit einer Temperatur von 50°C auf einmal gezapft werden. Die Grohe Red „Mono“ Armatur kann mit jeder herkömmlichen Spültischarmatur kombiniert werden. Oder mit dem Grohe Blue System. Sie führt ausschließlich kochend heißes Wasser. Hingegen liefert die „Duo“-Armatur sowohl kochendes Wasser als auch gewöhnliches Mischwasser. Dabei wird das Leitungswasser mit einem Bedienhebel wie bei einem Einhandmischer geregelt. Die Betätigung des separaten Griffs für das heiße Wasser umfasst hingegen zwei Schritte (Zieh- und Drehbedienknopf).
Beim Zapfen von kaltem, heißem und kochendem Wasser setzt Naber auf das „Hotspur Boiler-System“ von Itho Daalderop. Und das jetzt auch in der 3-in-1-Variante: Die patentierte Ventiltechnik des Speichers in Kombination mit den wahlweise runden und quadratischen Auslaufformen der Armatur ermögliche entweder das Zapfen von kaltem, heißem oder kochendem Wasser. Und das aus einem einzigen Auslauf. Einsatzgebiete gibt es genügend: Wasser zum Gemu?sekochen, zum Tomatenhäuten oder für die Pastazubereitung, um eine Tasse Tee zuzubereiten oder Küchenutensilien zu desinfizieren. Darüber hinaus hat Naber auch eine reine Kochendwasser-Armatur als „Stand alone“-Modell im Programm. Die frei stehende Armatur kann an einem beliebigen Ort auf der Spu?le oder Arbeitsplatte montiert werden und verfügt über einen um 360° schwenkbaren Auslauf. Besonders praktisch: Der besonders flache Boiler kann liegend montiert werden. Das spart Platz im chronisch überfüllten Spülenunterschrank.
Warm, kalt, kochend – und alles mit einer Armatur. Auch Quooker setzt seit der LivingKitchen auf eine All-in-One-Lösung. „Fusion“ heißt die Neuentwicklung. Für ein Maximum an Sicherheit ist der Bedienknopf für das kochende Wasser mit einem Doppel-Druck-Dreh-Mechanismus ausgestattet. Zudem leuchtet beim Betätigen dieses Knopfes ein roter LED-Ring auf. Dank der patentierten Erfindung wechselt der „Fusion“ direkt von kaltem zu kochendem Wasser und wieder zurück. Zwei Modelle sind erhältlich: „Fusion Round“ mit einem runden und „Fusion Square“ mit einem geraden Hahnauslauf. Beide Modelle sind in verchromt glänzend und verchromt gebürstet lieferbar.
Die 2-in-1 Küchenarmatur „Blanco Hot“ verfügt neben dem üblichen Kalt-/Warmmischer über einen zusätzlichen Drehgriff mit eigener Heißwasserversorgung. Die Temperatur kann von 65°C stufenlos bis nahe dem Siedepunkt (97°C) eingestellt werden. Der Heißwasserhebel ist mit der Kindersicherung „Hot Lock“ mit kombiniertem Druck-/Drehmechanismus ausgestattet. Das Zapfen läuft „dampf- und spritzarm“ ab, so Blanco. Darüber hinaus soll das patentierte „anti-Drip-System“ die Bildung von Keimen verhindern, da nach dem Zapfen kein Wasser in der Leitung stehen bleibt. Es sorge zudem dafür, dass nach der Entnahme kein heißes Wasser nachtropft.
Die Marktübersicht als PDF im Anhang.
Autor: Dirk Biermann, Chefredakteur des Magazins Küchenplaner, das ebenfalls vom STROBEL VERLAG herausgegeben wird.
www.kuechenplaner-magazin.de
pdf "034_Markt.pdf" hier herunterladen.