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Agentenbasiertes Energiemanagement - Aktuelle Forschungen auf dem Gebiet der Verteilnetze

Laut der Bundesnetzagentur produzieren seit Ende 2011 die PV-Anlagen knapp 25 Gigawatt Nennleistung in Mittelspannungs- und Niederspannungsnetze. Die Tendenz ist weiter steigend. An Tagen mit starker Wind und/oder Sonneneinspeisung besteht die Gefahr einer Umkehr der Lastflussrichtung - bottom up - ins überlagerte Netz und damit von lokalen Spannungsüberhöhungen. So kam es laut einer Hochrechnung des Internationalen Wirtschaftsforums für Regenerative Energien am Mittag des 25.05.2012 zu einer Einspeisung von 22000 MW ins Netz. Dies entspräche der Stromproduktion von 20 AKW oder dem Kohledioxidausstoß aus rund 40 großen Steinkohlekraftwerken, so die Sachverständigen.

Agentenbasierte Struktur im DEZENT.

Das Projekt PV-Integrated.

Wirkleistungseinspeisung.

PV-Netzeinspeisung mit und ohne Eigennutzung.

PV-Netzeinspeisung mit Eigennutzung und thermischem Puffer.

Kapazität für Einspeisung von PV-Anlagen ins Netz.

 

Diese fluktuierende, dezentrale Einspeisung kann durch das Überschreiten von maximalen Leistungsströmen und der Verletzung zulässiger Spannungsbänder die betrieblichen Grenzwerte des Netzes bedrohen. Der stetige PV-Ausbau in Deutschland verändert die Energieflüsse im Stromnetz. Dies führt vermehrt zu Energieflüssen bottom-up und damit zu Gefährdungen des Spannungsbandes im Netz.

Agenten-Energiemanagement

Eine Möglichkeit, zukünftig Verteilnetze zu kontrollieren, stellt das agentengeführte Energiemanagement dar. Diese Agenten sind multifunktional und übernehmen je nach ausgerüsteter Software – vergleichbar mit einer FritzBox – über einen selbstlernenden Algorithmus eine weitgehend automatisierte Führung von Mess-, Berechnungs, Steuerungs-,  und Kommunikationsfunktionen. Ein sogenannter Slack-Agent, der in einer Ortstation eines Teilnetzes sitzt, misst die vorhandene Spannung. Ein anderer Agent berechnet lokal die Zustände und kommuniziert diese Berechnungen den Agenten benachbarter Teilnetze. An dem gemeinsamen Knoten des Stringnetzes erfasst ein Agent auf dem übergeordneten Teilnetz die Zustände und berechnet, in Echtzeit, die bestmögliche Reaktion. Aktoren, sowohl auf der 0,4-kV-Ebene als auch auf der 20-kV-Ebene, wirken den Veränderungen der Netzspannung, z.B. über den Einsatz von blindleistungsgeführten Wechselrichtern, einer zeitlichen Steuerung der Aufladung der Akkus von Elektroautos, aber auch durch Interkonnektoren zwischen benachbarten Teilnetzen zur effizienteren Regulierung von Überschüssen auf unterer Spannungsebene – mittels dezentralen Speichern – entgegen. Der Prozess wird solange fortgesetzt, bis keine Abweichungen gemessen werden. Durch den verteilten Ansatz des Multi-Agenten-Systems können viele Prozesse parallel durchgeführt werden, sodass eine sehr kurze Reaktionszeit auf sich ändernde Einspeisesituationen erreicht werden kann.

Das FuE-Projekt DEZENT

In einem seit dem Jahr 2005 laufenden FuE Forschungsprojekt DEZENT unter Prof. Christian Rehtanz von der TU Dortmund, Leiter des Instituts Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft, wird so ein agentenbasierter Ansatz für ein dezentrales autonomes Energiemanagement untersucht. Als Orientierung für die Zerlegung der Optimierungsaufgabe in kleine Teilaufgaben dient im DEZENT-Projekt die hierarchische Struktur des Verteilnetzes. Heutige Verteilnetze sind typischerweise in drei Spannungsebenen, die Hochspannung 110 kV, die Mittelspannung 10-20 kV und die Niederspannung 0,4 kV, unterteilt.
Das Projekt hat zwei Ansätze. Der erste Teil in diesem Projekt ist rein marktwirtschaftlich orientiert. Den elektrischen Verbrauchern/Erzeugern, auf der 0,4-kV-Ebene, ist ein Softwareagent zugeteilt, der stellvertretend für die elektrischen Betriebsmittel und Akteure eines Verteilnetzes den Bedarf bzw. die erzeugte elektrische Energie unter Berücksichtigung individueller Preisvorstellungen mit anderen Softwareagenten misst und verhandelt. Dazu werden alle Agenten eines Teilnetzes zu einem Markplatzagenten, dem Balancing Group Manager, der die Verhandlungen organisiert, zusammengeschlossen. Ein Vertrag – zunächst auf 0,4-kV-Ebene – wird nach 10 Runden geschlossen, in denen jedes Mal die Preisvorstellungen angepasst werden. Es findet keine tatsächliche Kommunikation statt. Rückfragen werden nicht gestellt. Sollte keine Einigung erzielt oder die Überschüsse können durch den Bedarf nicht gedeckt werden, dann werden auf der übergeordneten Teilnetzebene alle noch ausstehenden Anfragen aus dem Niederspannungsnetz mit den Verbraucher-/Erzeuger-Agenten dieser Ebene verhandelt. Hier werden nicht nur die Überschüsse von der 0,4-kV-Ebene aufgenommen, es finden auch Einspeisungen von Windparks, größere PV-Anlagen, BHKWs oder Biogasanlagen statt sowie Bedarfe von Gewerbebetrieben/Fabriken. Über diesen Ansatz erschließt sich das Verhalten der einzelnen Verbraucher/Erzeuger auf den jeweiligen Spannungsebenen. Und es kann ein optimierter Energiefahrplan erstellt werden.
Erst dann, wenn nach Deckung der Bedarfe Überschüsse verbleiben – oder diese noch ungedeckt bleiben –, wird unter dem Einsatz der multi-funktionalen Agenten – s.o. – in Echtzeit und automatisiert, über sogenannte bedingte Verbraucher/Erzeuger, der Restbedarf gedeckt bzw. Energie gespeichert. Unter den bedingten Verbrauchern/Erzeugern können alle elektrischen Anlagen zusammengefasst werden, die in ihrer Energieaufnahme beeinflusst werden können. Darunter fallen z.B. Elektrofahrzeuge, die ihren Ladestrom anpassen können, BHKWs, Klimaanlagen, Wärmepumpen etc.
Auch hier wird, unter Berücksichtigung der marktwirtschaftlich günstigsten Speicher, von unten nach oben geregelt. Ihre Nutzung zur dynamischen Leistungssteuerung an den einzelnen Anschlüssen ermöglicht eine effizientere Nutzung der Verteilnetze. So kann durch eine Erhöhung der Ladeleistung von E-Autos die Ladedauer verkürzt werden. Durch ein teilweises und später wieder Anschalten der Aufladung der Akkus wird der Gleichzeitigkeitsfaktor vermieden. Die Effizienz von DSM- und DR-Verfahren lässt sich damit deutlich erhöhen, da ein größeres Potenzial zur Verfügung steht. Im Rahmen des Projektes wurde dazu ein neues Verfahren zur Lastflussberechnung entwickelt, das es ermöglicht, in kürzester Zeit eine effiziente Gegenmaßnahme zur Verminderung von drohenden Netzengpässen zu berechnen. Die Kenntnis über den notwendige Einsatz von den bedingten Verbrauchern auf jeder Ebene bis hin zu den Transportnetzen mittels dieser Kooperation aller Agenten zu einem Multi-Agenten-System ermöglicht eine koordinierte Nutzung aller erneuerbarer Systeme. Angefangen von den erzeugenden Energieanlagen, den Speichern und einem DSM und DR ohne eine Bedrohung der Betriebsgrenzen der Netze. Diese Optimierung ermöglicht neben einer Reduktion des Netzausbaus auf der Verteilnetzebene auch die Verringerung der Zahl der notwenigen Reservekraftwerke. Anders als in der Studie der BNetzA vom 31.08.2011 veranschlagt.

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Das Projekt PV-Integrated

Mit der zunehmenden Einspeisung von Strom aus PV-Anlagen ergeben sich, insbesondere durch den Gleichzeitigkeitsfaktor, Gefahren der Verletzung der Spannungsgrenzen. Damit verbunden sein können großflächige Kurzschlüsse. Der Bundesverband der Erneuerbaren Energien rechnet in seiner Ausbauprognose „Stromversorgung 2020“ für das Jahr 2020 mit einer installierten Leistung von 40 GWp. In dem laufenden, von dem Bundesministerium für Umwelt- und Naturschutz geförderten Projekt der IWES Fraunhofer „PV-Integrated“, erforscht und testet das Institut neue Methoden in Netzplanung und Netzbetriebsführung, mit denen eine Erhöhung der Netzaufnahmefähigkeit für PV-Anlagen ermöglicht werden kann. Es gilt auch die Höhe der Netzausbaukosten, die zurzeit insbesondere die Niederspannungsebene betreffen, zu reduzieren. Projektpartner an dieser Untersuchung sind die SMA Solar Technology GmbH, die juwi Solar GmbH und die E.ON Bayern Solar.
Durch den systemischen Ansatz kommt das Projekt immer wieder zu Schnittstellen mit anderen Vorhaben, wie den Forschungsprojekten „Aktives, intelligentes Niederspannungsnetz“ – auch von der Fraunhofer IWES – und „Netze der Zukunft“ der TU München und der Hochschule München, bei denen sich die Beteiligten immer wieder austauschen. Der Projektpartner E.ON Bayern AG stellt einen Netzabschnitt in Bayern zur Durchführung von Analysen und Feldtests zur Verfügung. Intelligente Messverfahren – Smart Metering – ermöglichen es dabei, den realen Netzzustand zu erfassen. Das Projektgebiet liegt um das Umspannwerk Seebach bei Deggendorf in Niederbayern, einem Gebiet mit einer – auch für deutsche Verhältnisse – sehr hohen  PV-Durchdringung.
Zunächst wurden die tatsächlichen, verfügbaren Potenziale, die Erzeuger (insbesondere PV), Lasten und Speicher zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen besitzen, geprüft. Zum anderen haben sich die Forscher zu Beginn der Untersuchung zum Ziel gesetzt herausfinden, mit welchen Betriebsmitteln und mit welcher Betriebsführung – bei weiter steigender PVLeistung – ein technisch sicherer und kos­tengünstiger Netzbetrieb gewährleistet werden kann. Ein thematischer Schwerpunkt liegt in der lokalen Wechselrichterregelung, da diese ohne Kommunikation funktionieren und so für kleine Anlagen besonders gut geeignet ist. Auf den Informationsaustausch, wie bei IKT, wird in dem Projekt bewusst verzichtet, da diese Steuerungen meist über Internet erfolgen und damit anfälliger gegenüber Hacker-angriffen sind.
Im Wesentlichen geht es bei der lokalen Regelung um steuerbare Wechselrichter, die zur Spannungshaltung Blindleistung aufnehmen bzw. abgeben können. Durch die Verschiebung der Last ist es möglich, dass sehr viel mehr PV-Anlagen ins Netz einspeisen. Dabei muss sichergestellt werden, dass das System unter allen Umständen stabil bleibt und dass sich mehrere PV-Wechselrichter nicht gegenseitig ausregeln. Aber nicht nur die Blindleistungsregelung, sondern auch die Wirkleistungsregelung ist machbar. Bei der „Adaptive Blindleistungsregelung“, die bereits in Japan in der Praxis läuft, wird bei einer Verletzung der Betriebsgrenze diese am Netzanschlusspunkt zunächst durch den Bezug/die Abgabe von Blindleistung reduziert. Ist die Blindleistung nicht ausreichend, um die Spannung unterhalb der Schwellspannung zu senken, so wird zusätzlich zur Blindleistungsbereitstellung auch die Wirkleistungsabgabe reduziert. Zwar verringert sich dadurch die Vergütung, aber der Anlagenbesitzer kommt so einer zentralen Abschaltung zuvor. Und damit einer vollständigen Einspeisevergütung. Dieses Verfahren senkt nicht nur die Netzausbaukosten, sondern bietet dem Anlagenbetreiber einen geringeren Vergütungsverlust als bei der klassischen Anwendung.
Die SMA Technology AG, als Teilnehmer in beiden Projekten, prüft innovative, softwaregesteuerte Regelungsverfahren, mit denen die Anforderungen an einer stark ansteigende Einspeisung von PV-Anlagen erfüllt werden können. Einen Prototyp hat das Unternehmen, aber auch die Voltwerk elektronics GmbH, schon auf den Markt gebracht.
Die Einspeisung der Blindleistung stößt aber auch an ihre Grenzen. Zwar kann so die Spannung gehalten werden, aber irgendwann wird die Leitung gefährdet. Auch besteht bei der Einspeisung über blindleistungsgesteuerte Wechselrichter die Gefahr, dass der eine Wechselrichter, den benachbarten herunterregelt.
Die Laboruntersuchungen im IWES Systec fangen mit den einzelnen Wechselrichtertests erst gegen Ende dieses Jahres an. Das Prüflabor bietet mit einem ca. 80000 m² großen Freigelände genügend Platz für Solar- und Windenergieanlagen. Mit dem auf dem Gelände vorhandenen Netz können die Forscher verschiedene kritische Szenarien und Möglichkeiten zur Optimierung prüfen. Mit dem Feldtest, der in Interaktion mit dem Verbundprojekt „Aktives, intelligentes Niederspannungsnetz“ durchgeführt wird, ist nicht vor Mitte 2013 zu rechnen.
Zurzeit fordert der Gesetzgeber über das EEG 2012, Artikel § 6 und die VDE-AR-N 4105 Richtlinie für Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 30 kV eine Beteiligung am vereinfachten Energiemanagement. Hier hat der Anlagenbesitzer die Wahl zwischen einer Voreinstellung des Wechselrichters mit einer Drosselung von 30% oder einem ferngesteuerten, zentralen Befehl zur Reduktion der Wirkleistung – z.B. über UMTS oder IEC61850. Die SMA bietet mit der „Power-Reducer-Box“ einen Rundfunksteuerempfänger an, mit dem der Netzbetreiber den Wechselrichter abregeln kann.
An dieser Stelle haben sich viele Anlagenbesitzer, in dem Glauben, dass sich der Ertrag um dieselbe Höhe verringern würde, mit dem Rundfunksteuerungsempfänger für diese Möglichkeit der ferngesteuerten Reduktion der Wirkleis­tung entschieden. Allerdings haben Untersuchungen im Rahmen des Projekts ergeben, dass sich die Verluste bei der 70-%-Regelung tatsächlich im Bereich zwischen 2 – 4% belaufen. Auch ist nicht sicher, bei wie vielen Anlagen der unidirektionale Befehl zur Reduktion tatsächlich empfangen wird. Über die wenigen Messstationen, die in dem Verteilnetz vorhanden sind, lässt sich dies schwer feststellen. Hier wird in dem Projekt ganz aktuell darüber nachgedacht, was zu tun ist, wenn Hunderte von MW trotz Reduktionsbefehl einspeisen.
Auch durch einen Eigenverbrauch kann der Teil, der die 70% überschreitet, genutzt werden. Hier besteht jedoch großer Forschungsbedarf.

Verbundprojekt „Aktives, intelligentes Niederspannungsnetz“

Bisher reagiert der Netzbetreiber gegenüber dem Zubau der PV-Anlagen im NS-Netz durch die Installation zusätzlicher Trafostationen und zusätzliche Niederspannungskabel, um den entstehenden Spannungshub bzw. die Strombelastung der vorhandenen Kabel zu senken. Eine weitere Lösung der Spannungshaltung vor Ort, auf der 0,4-kV-Ebene, bietet ein regelbarer Ortstransformator. Tatsächlich ist, so die Forscher, die Kapazität der bestehenden Leitungen und Transformatoren bei Weitem noch nicht ausgenutzt. Zurzeit erlauben die Netzbetreiber für die Einspeisung Erneuerbarer Energieanlagen eine Abweichung des Spannungsbandes von 2% auf der Mittelspannungsebene und 2 – 3% auf der Niederspannungsebene. Wird diese Betriebsgrenze erreicht, dann dürfen keine neuen PV-Anlagen zugebaut werden. Tatsächlich wäre eine Spreizung des Spannungsbands von m.o.w. 10% möglich, von dem aber aufgrund der historischen Dimensionierung nur 5% für die dezentrale Einspeisung genutzt werden. In diesem, seit dem 01.08.2010 bis zum 31.07.2013 laufenden FuE-Forschungsvorhaben haben das Fraunhofer IWES zusammen mit der E.ON Mitte AG, der SMA Technology AG, der J. Schneider Elektrotechnik GmbH und dem KDEE hierfür eine technisch zuverlässige, kostengünstige und einfach implementierbare Lösung auf Basis einer regelbaren Ortsnetzstation entwickelt, die ­solch einen aktiven und intelligenten Betrieb des Niederspannungsnetzes ermög­licht. Sie ermöglicht bei der Transformation vom Mittelspannungsband in der Höhe von 20 kV eine Ausweitung des Spannungsbandes von 0,4 kV. Mittels einer 7-stufigen Regelung mit jeweils 2% kann eine Spreizung des Spannungsbandes in der Höhe von 14% erreicht werden. Da die Umschaltung im Betrieb erfolgen kann, wird einer fluktuierenden Einspeisung und der dadurch entstehenden fluktuierenden Spannung Sorge getragen.
 Über eine automatisierte Technik und intelligente Regelalgorithmen überwacht die Station mittels Messungen in Echtzeit das Netz. Bei Spannungsschwankungen, die ihre Quelle meist auf der Mittelspannungsebene haben, regelt die Station durch eine Umschaltung das Spannungsband wieder auf den Sollwert ein. Ab Mitte Juli wird in der Kommune Felsberg-Niedervorschütz ein Feldtest durchgeführt.

Autor:
Christian Finck

Bilder: Autor

 


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