Änderungen, Verschärfungen und Konkretisierungen - Nach der Neufassung der Richtlinie VDI/DVGW 6023 steigen die Anforderungen an TGA-Planer, SHK-Fachbetriebe und Betreiber
Bereits seit 1999 gibt es in Deutschland die VDI-Richtlinie 6023 "Hygiene in Trinkwasser-Installationen". Sie enthält Vorgaben zur Planung, Montage, Inbetriebnahme und Betriebsweise von Trinkwasser-Installationen. Im April dieses Jahres wurde gemeinsam von VDI und DVGW eine Neufassung des Werkes herausgegeben. Wir stellen die Änderungen, Verschärfungen und Konkretisierungen des Regelwerkes kurz und bündig vor.
Betroffene Personengruppen
In der Einleitung der Richtlinie hat der VDI/DVGW die Personengruppen genannt, die zum einen in der Zeitspanne von der "Planung bis zur Abnahme" und "nach erfolgter Abnahme und somit Übernahme durch den Auftraggeber" die Anforderungen an die Trinkwasser-Installation festlegen. Konkret werden Planer, Ingenieure, Hygieniker, Architekten, ausführende Unternehmen und Lieferanten genannt. Alle Beteiligten müssen sich der hohen Bedeutung der Trinkwasserhygiene bewusst sein. Es gilt nach wie vor der Grundsatz, dass vorsorgende/planende, benutzende/betreibende und erhaltende/pflegende Handlungen und Maßnahmen gleichwertig sind.
Erweiterter Anwendungsbereich
Neu in der Einleitung der Richtlinie ist die Erweiterung auf die mobilen Anlagen, insbesondere auf die Kauffahrteischiffe. Darunter werden Handelsschiffe bezeichnet, bei denen eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Auch auf Schiffen (inkl. Binnenschiffen) ist die Infektionsgefahr durch Trinkwasser bekanntermaßen groß, weil hier erhöhte Konzentrationen an Krankheitserregern vorkommen können, aus den gleichen Ursachen (Stagnation, zu niedrige Warmwassertemperaturen, erhöhte Kaltwassertemperaturen, mangelnde Isolierungen) wie bei fest installierten Trinkwasserversorgungsanlagen innerhalb von Gebäuden.
Die VDI/DVGW 6023 kann grundsätzlich auf alle Trinkwasser-Installationen angewendet werden, d. h. nicht nur auf gewerblich oder öffentlich genutzte Gebäude, wie z. B. Kliniken, Hotels, Frei- und Hallenbäder oder Sporteinrichtungen, sondern auch auf alle anderen Wasserversorgungsanlagen (z. B. auf Einfamilienhäuser). Alle in der Richtlinie genannten Vorgaben gelten sowohl für Neubauten als auch für bestehende Gebäude, insbesondere im Fall von Nutzungsänderungen, Rückbau und Erweiterung. Darunter fallen also alle Sanierungen von Trinkwasser-Installationen in Altbauten.
Begriffsdefinitionen
Im dritten Abschnitt sind viele Begriffe definiert, die in der Richtlinie gelten. Einige Begriffe sind neu hinzugekommen und einige Formulierungen sind besonders hervorzuheben, so z. B. der bestimmungsgemäße Betrieb. Zum bestimmungsgemäßen Betrieb gehört eine regelmäßige Kontrolle und Funktion der Trinkwasser-Installation, die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen und der Betrieb mit zugrunde gelegten Nutzungshäufigkeiten und Entnahmemengen. Auch auf die Einhaltung der Temperaturen und die Vermeidung von Stagnationen ist zu achten. Sowohl die Inhaber einer Trinkwasser-Installation als auch die Mieter und Nutzer müssen diese Vorgaben beachten. Der Begriff des bestimmungsgemäßen Betriebes hat sich inzwischen weitgehend etabliert. Er ist deshalb so wichtig, weil in der Richtlinie die Einhaltung sowohl vom Planer und Installateur bei der Planung, Montage und Inbetriebnahme als auch vom Inhaber und auch vom Mieter oder Pächter einer Trinkwasser-Installation bei der Nutzung stets gefordert wird.
Ein weiterer wichtiger Begriff ist der des Raumbuchs. Darunter versteht man ein abgestimmtes Dokument für ein Gebäude mit schriftlich festgehaltener Nutzungsbeschreibung der einzelnen Räume. Besonders für hygienerelevante Gebäude, z. B. Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Hotels, Sport- und andere Freizeiteinrichtungen, ist ein Raumbuch zu erstellen. Für ein Einfamilienhaus muss es dagegen nicht unbedingt erstellt werden. Der Begriff des Raumbuchs wurde auch in der DIN 1988-200 (Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe, Punkt 3.8 Planungs- und Ausführungsunterlagen) aufgenommen.
Abkürzungen
Im vierten Abschnitt sind drei englische Abkürzungen genannt für Trinkwasser-kalt (PWC: potable water cold), Trinkwasser-warm (PWH: potable water hot) und Trinkwasser-Zirkulationsleitung (PWH-C: potable water hot circulation). In Planungsunterlagen werden diese Abkürzungen immer häufiger in dieser Schreibweise verwendet.
Vermeidung von Biofilmbildung
Biofilme sind organische Ablagerungen, in denen sowohl Bakterien, Pilze als auch Viren vorkommen. Diese Organismen können immer wieder aus dem Biofilm in den "freien Wasserkörper" gelangen und zu Infektionen beim Verbraucher führen. Biofilme kommen in Rohrleitungen, Speichern, Armaturen und auch Wasserbehandlungsgeräten vor. Zur Vermeidung und Einschränkung einer Biofilmbildung sind im fünften Abschnitt Maßnahmen genannt, die einzuhalten sind:
Vermeidung von Überdimensionierung: Hier ist eine Überdimensionierung bei Rohrleitungen und Warmwasserspeichern gemeint. Bei Überdimensionierungen findet kein ausreichender Wasseraustausch statt. Bei der Planung sind die Gleichzeitigkeitsfaktoren daher zu berücksichtigen, bei Sanierungen kann aufgrund eines veränderten Nutzungsverhaltens das Volumen der Warmwasserspeicher verringert werden. Wichtig ist, dass ein häufiger Wasseraustausch in der Trinkwasser-Installation stattfindet.
Vermeidung einer Stagnation: im stehenden Wasser können sich Mikroorganismen hervorragend vermehren, wenn die anderen Einflussfaktoren (Temperatur, Nährstoffe, Sauerstoff, pH-Wert) für die Organismen optimal sind. Von daher muss eine Stagnation unbedingt vermieden werden durch regelmäßigen Wasseraustausch und dem Einbau von Zirkulationspumpen. Saisonal bedingte Stagnationen kommen z. B. im Hotelbereich, in Schulen und Sporteinrichtungen vor.
Hydraulischer Abgleich des Zirkulationssystems: dieser Abgleich ist notwendig, damit das Warmwasser mit 60°C möglichst nah an jede Zapfstelle innerhalb des Gebäudes herangeführt wird.
Verwendung von Installationswerkstoffen, von denen möglichst wenig verwertbare Nährstoffe abgegeben werden: die Anforderungen an Kunststoffe, z.B. KTW, sind zu beachten.
Sachgerechte Inbetriebnahme und die Vermeidung von Temperaturen, bei denen Mikroorganismen wachsen können: Bei Inbetriebnahme sind die vorgegebenen Temperaturen einzustellen und auch zu belassen. Nach der Inbetriebnahme muss der bestimmungsgemäße Betrieb erfolgen, vor allem die regelmäßige Wasserentnahme.
Rückbau oder die Trennung von nicht mehr genutzten Anlagenteilen oder Leitungen unmittelbar am letzten durchströmten Abzweig der Anlage. Häufig diskutierte Leitungslängen von max. 5 x d oder 10 x d sind nicht zulässig. Auch in "kurzen" Leitungsabschnitten ohne eine Entnahme stagniert Wasser, in dem sich Mikroorganismen dann ungehindert vermehren können wodurch die Trinkwasser-Installation ständig mit Organismen infiziert wird.
Hinweise zu Planung, Montage und Inbetriebnahme
Die Planung, Montage und Inbetriebnahme ist im sechsten Abschnitt ausführlich dargestellt. Neu in der gültigen Version vom April 2013 sind herausgehobene "Wichtige Hinweise". Für die Planung gilt grundsätzlich als wichtiger Hinweis: "Bei den allgemeinen Planungsregeln wird der bestimmungsgemäße Betrieb zugrunde gelegt, bei dem sichergestellt ist, dass an jeder Stelle der Trinkwasser-Installation ein Wasseraustausch durch Entnahme innerhalb von 72 Stunden stattfindet. Fehlender Wasseraustausch über mehr als 72 Stunden gilt als Betriebsunterbrechung." Dieser Hinweis mit der Angabe einer konkreten Stundenanzahl ist neu, aus Hygienesicht aber grundsätzlich zu begrüßen, denn längere Stagnationszeiten sind auf jeden Fall zu vermeiden. Während der Stagnation können sich Mikroorganismen optimal vermehren. Wichtig ist zukünftig, dass diese Hinweise auch in der Praxis umgesetzt, kontrolliert und protokolliert werden.
Weitere Planungsregeln (Auswahl):
- Offene Trinkwassersysteme: Der sogenannte Installationstyp B (Installationsteil, der nicht unter dem Druck aus der Versorgungsleitung oder einer Druckerhöhungsanlage steht), ist in Deutschland nicht erlaubt. Laut DIN 1988-200 ist der Installationstyp A vorgeschrieben.
- Bezug von Bauwasser und Rohrdimensionierung vor Beginn der Bauarbeiten: Auch in der Bauphase muss der Schutz des Trinkwassers gewährleistet sein und die Absicherung nach DIN EN 1717 erfolgen. Wird der Bauwasseranschluss nach Fertigstellung des Gebäudes weiter benutzt, müssen die Dimensionierung und der Werkstoff der Versorgungsleitung mit dem Wasserversorger abgestimmt sein.
- Überdimensionierungen bei Leitungen und Trinkwasserspeichern sind zu vermeiden. Nichtdurchströmte Leitungen und Apparate sind unzulässig, d. h. Bypass-Leitungen mit stehendem Wasser sind nicht erlaubt.
- Bestehende Löschwasserleitungen, nass, die an die Trinkwasser-Installation angeschlossen sind, können nicht hygienisch betrieben werden. Die VDI/DVGW 6023 weist darauf hin, dass diese nach dem aktuellen Regelwerk umzurüsten, zu betreiben und instand zu halten sind (wesentlich DIN 1988-600).
- Bei Nicht-Trinkwasseranlagen (z. B. Regenwasser) ist zu beachten, dass deren Komponenten, einschließlich der Rohrleitungen, nicht in die Trinkwasser-Installation eingebunden werden dürfen, wenn diese nicht mehr genutzt werden. Festlegungen zur Probennahmeeinrichtung sind aufgeführt.
- Bei den baulichen Anforderungen (Abschnitt 6.2) wird für Trinkwasser kalt eine Temperatur unter 25 °C gefordert. Neu ist die Empfehlung, Trinkwasser kalt unter 20°C zu halten.
- Rohrleitungen für zukünftige Gebäude dürfen verlegt, aber nicht angeschlossen sein (sie sind ungefüllt dicht zu verschließen). Auch hier gibt es einen neuen Hinweis: "Verringert sich der Wasserbedarf im späteren Betrieb, ist dennoch ein ausreichender Wasseraustausch sicherzustellen, nötigenfalls ist die Leitungsdimensionierung anzupassen".
- Neu sind auch Festlegungen zur Befüllung und Dichtheitsprüfung: Eine Dichtheitsprüfung und das Befüllen der Trinkwasser-Installation ist nur zulässig, wenn spätestens 72 Stunden danach der bestimmungsgemäße Betrieb erfolgt (Abschnitt 6.9). Längere Stillstandzeiten sind nicht zulässig, es muss spätestens nach 3 Tagen eine Wasserentnahme an allen vorhandenen Entnahmearmaturen erfolgen! Vor der Befüllung mit Trinkwasser muss eine Hygiene-Erstinspektion durch fachkundige Personen erfolgen. Diese Inspektion umfasst die Prüfung der Unterlagen, Prüfung der Anforderungen des Raumbuchs und Prüfung der Anschlüsse von Feuerlöschleitungen bzw. Nichttrinkwasser-Installationen. Als zusätzlicher, fachlicher Nachweis wird hier eine Schulung nach VDI/DVGW 6023, Typ A gefordert.
Im Abschnitt 6.9.3 sind Festlegungen für Wasserfahrzeuge genannt: Vorgaben für die Befüllung von Schiffen mit und ohne eigene Wassergewinnungsanlagen. Eine Wassergewinnung im küstennahen Bereich, in Flüssen und auf stark befahrenen Schifffahrtsrouten ist aus Hygienegründen nicht erlaubt.
Betriebsunterbrechung
Der Abschnitt "Maßnahmen bei Betriebsunterbrechung" wurde neu formuliert. Eine Nichtnutzung von mehr als 72 Stunden stellt eine Betriebsunterbrechung dar und ist unbedingt zu vermeiden. Diese Frist kann auf maximal 7 Tage verlängert werden, aber nur in Gebäuden, die keinen besonderen Anforderungen unterliegen und bei denen die Trinkwasserbeschaffenheit über diesen Zeitraum erhalten bleibt. Eine längere Betriebsunterbrechung (> 7 Tage) ist ein nicht-bestimmungsgemäßer Betrieb. Neu geregelt sind auch die Maßnahmen bei einer Unterbrechung des Betriebes von mehr als sechs Monaten: Kontrolluntersuchungen nach der Trinkwasserverordnung (Trinkwasser kalt und warm), Untersuchung auf Legionellen, Maßnahmen nach DVGW W 557 (bei Belastungen) und zusätzlich Maßnahmen nach DVGW W 551 für den Warmwasserkreislauf.
Instandhaltung
Die Instandhaltungsplanung ist im Abschnitt 8.2 beschrieben. Anlagen und Apparate sind in sogenannte Instandhaltungsklassen (A, B und C) und in Bewertungsgruppen (1 bis 4) einzuteilen. Die Verantwortlichkeiten für die Trinkwasser-Installationen sind im Abschnitt 8.3 geregelt. In der Anlage A (Instandhaltung) ist eine Checkliste enthalten, die alle Komponenten einer Trinkwasser-Installation enthält und die für die Instandhaltungsplanung und auch für die Gefährdungsanalyse verwendet werden kann.
Schlussbemerkung
Die VDI/DVGW Richtlinie 6023 ist an vielen Stellen konkretisiert und neu formuliert worden. Die Zahl der Änderungen und neuen Textteile ist so bedeutend und hoch, dass alle Beteiligten (Planer, Installateure, Betreiber) gut beraten sind, Schulungen zur VDI/DVGW 6023 zu besuchen, denn die novellierte Trinkwasserverordnung fordert die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Teilnehmer, die nach erfolgreicher Prüfung ein Zertifikat erhalten, müssen ihre Qualifikation aus dem Sanitärbereich nachweisen. Die Schulung nach Typ A (zweitägig) ist für planende, verantwortlich errichtende und prüfende Tätigkeiten ausgerichtet, die Schulung nach Typ B (eintägig) für errichtende und instand haltende Tätigkeiten. Eine Schulung nach VDI/DVGW 6023 ersetzt nicht die nach den einschlägigen Vorschriften geforderte Qualifikation für Arbeiten an Trinkwasser-Installationen.
Autor: Dr.-Ing. Heinz Rötlich, Schulungsdirektor Europa bei der Judo Wasseraufbereitung GmbH, Winnenden