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Betrieb von geschlossenen Kalt- und Kühlwasserkreisläufen

Anwendungserfahrungen mit der BTGA-Regel 3.003 und die geplante Überführung in die VDI/BTGA-Richtlinie 6044 „Vermeidung von Schäden in Warmwasser-, Kaltwasser- und Kühlkreisläufen – Kaltwasser- und Kühlkreisläufe“

Modulfilter mit starken Korrosionsablagerungen.

Einteilung von Anlagenarten nach Sauerstoffeintrag. (BTGA e.V)

 

Seit vielen Jahren steigt der Kältebedarf für die Gebäudeklimatisierung und für die industrielle Prozesskühlung rasant: Laut der Studie „Energiebedarf für Kältetechnik“ des VDMA aus dem Jahr 2020 ist die Anzahl der Kältesysteme allein im Zeitraum 2009 bis 2017 um 16 % gewachsen. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Energieeffizienz sowie die Anschaffungs- und Betriebskosten der installierten Anlagen gestiegen. Das Ergebnis sind kompakt konstruierte, komplexe Anlagen, in denen eine Vielzahl unterschiedlicher Werkstoffe verbaut ist.

Durch Fehler bei der Planung, der Installation oder im Betrieb von geschlossenen Kalt- und Kühlwasserkreisläufen kann es zu Betriebsstörungen kommen, die Effizienzverluste verursachen und aufwendige Instandsetzungsarbeiten notwendig machen. Oft kann es bereits kurz nach Beginn des bestimmungsgemäßen Betriebs zu starken Korrosionserscheinungen kommen, die ihre Ursache entweder in der chemischen Zusammensetzung des Umlaufwassers oder in mikrobiologischen Prozessen haben.

Eine brauchbare Richtlinie für den Betrieb geschlossener Kalt- und Kühlwasserkreisläufe existierte lange Zeit nicht. In der Praxis wurde daher oft die VDI-Richtlinie 2035 „Vermeidung von Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen“ auch für Kältesysteme angewendet. Das führte häufig zu falschen Betriebsempfehlungen.

Die im April 2017 veröffentlichte BTGA-Regel 3.003 „Wassergeführte Kalt- bzw. Kühlwasserkreisläufe – zuverlässiger Betrieb unter wassertechnischen Aspekten“ hat die vorhandene Richtlinienlücke zunächst geschlossen und trägt zum sicheren Betrieb von Kalt- und Kühlwasserkreisläufen bei. Nach drei Jahren Praxiserfahrung wird aktuell auf der Basis dieser BTGA-Regel die VDI/BTGA-Richtlinie 6044 „Vermeidung von Schäden in Warmwasser-, Kaltwasser- und Kühlkreisläufen – Kaltwasser- und Kühlkreisläufe“ erarbeitet. Da sich die Arbeiten im zuständigen Richtlinienausschuss dem Abschluss nähern, soll ein Blick auf die zukünftige VDI/BTGA-Richtlinie 6044 geworfen werden. Gegebenenfalls kann es abweichend zu diesem Artikel zu finalen Anpassungen im Richtlinienausschuss kommen.

Anwendungsbereich der neuen VDI/BTGA-Richtlinie

Im Vergleich zur bisherigen BTGA-Regel 3.003 wird der Anwendungsbereich der neuen VDI/BTGA-Richtlinie 6044 weitestgehend unverändert bleiben: So ist auch die VDI/BTGA 6044 im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) innerhalb von Gebäuden und auf Grundstücken anzuwenden und gilt für geschlossene Kalt- und Kühlwasserkreisläufe mit einer maximalen Umlaufwassertemperatur von ‹ 40 °C.

Nicht im Anwendungsbereich dieser Richtlinie sind Anlagen, in denen Wasser zum Kühlen verdunstet. Für diese Anlagen ist die VDI-Richtlinie 2047 „Rückkühlwerke (VDI-Kühlturmregeln)“ Blatt 2 anzuwenden. Außerdem zählen Kreisläufe mit Kühlschmierstoffen und Anlagen mit einem Gesamtvolumen (Kalt- und Kühlwasserkreislauf) ≤ 1000 Liter ohne Berücksichtigung des Volumens des eventuell vorhandenen Pufferspeichers nicht zum Anwendungsgebiet. Selbstverständlich kann die Richtlinie auch bei Anlagen mit einem Kreislaufvolumen ≤ 1000 Liter freiwillig angewendet werden.

Ergänzungen im Vergleich zur BTGA-Regel 3.003

Korrosionsvorgänge in Kalt- und Kühlwasserkreisläufen werden vorrangig durch das Vorhandensein von Sauerstoff im Umlaufwasser bestimmt. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Einteilung von Anlagenarten nach der Intensität des Sauerstoffeintrags.

Gerade in korrosionstechnisch offenen Anlagen kommt es besonders häufig zu Korrosionserscheinungen. Deshalb sollte nach Möglichkeit immer eine korrosionstechnisch geschlossene Anlage geplant werden. Ob eine atmosphärisch geschlossene Anlage als korrosionstechnisch offen oder geschlossen einzuordnen ist, hängt im Wesentlichen von der Zusatzwassermenge und den eingesetzten Werkstoffen ab. Außerdem sind nicht alle Werkstoffe miteinander kombinierbar. Die VDI/BTGA-Richtlinie 6044 gibt deshalb in Abhängigkeit des Hauptwerkstoffes die einsetzbaren Kombinationswerkstoffe in einer Tabelle vor. Aus dieser Einordnung der Anlagenart ergeben sich anhand einer umfassenden Richtwerttabelle die Mindestanforderungen des Füll-, Ergänzungs- und Umlaufwassers. Da im Gegensatz zu Heizungsanlagen viele Kalt- und Kühlwasserkreisläufe faktisch korrosionstechnisch offen ausgeführt werden, sind deutlich höhere Anforderungen an die Wasserqualität notwendig.

Inbetriebnahmeplanung

Neu hinzugekommen ist in der VDI/BTGA-Richtlinie 6044 das Thema „Inbetriebnahmeplanung“. Ziel der Inbetriebnahmeplanung ist es, bereits in der Planungsphase den Zeitplan und die Tätigkeiten des „Inbetriebnehmens“ exakt zu definieren. Dabei sollen die einzelnen Arbeitsschritte in den Bauablauf zeitlich integriert und für die Ausschreibung sachgerecht spezifiziert werden. Korrosionstechnisch relevante Risiken sollen identifiziert werden.

Da es in der Praxis zwischen Fertigstellung des Bauprojekts und dem Start des bestimmungsgemäßen Betriebs zu Stillständen kommen kann, ist schon bei der Inbetriebnahmeplanung abzuschätzen, welche möglichen Auswirkungen einzelne Projektphasen auf Korrosionsvorgänge haben.

Bereits in der Planung müssen ausreichend dimensionierte Anschlussstutzen vorgesehen werden, damit im Bypass Filtration, Anlagenmonitoring und sonstige Maßnahmen ohne Betriebsunterbrechung durchgeführt werden können. Zwischen der erfolgten Installation und dem Beginn des bestimmungsgemäßen Betriebs muss im Rahmen der Inbetriebnahme eine Druckprüfung erfolgen. Außerdem muss die Anlage gespült und befüllt werden. In der BTGA-Regel 3.002 „Geschlossene wassergeführte Heiz- und/ oder Kalt-/Kühlkreisläufe in Gebäuden – Druckprüfung, Spülen und Befüllen von Neuanlagen“ sind diese Prozesse umfassend beschrieben. Die zukünftige VDI/BTGA-Richtlinie 6044 wird auf diese BTGA-Regel verweisen.

Betriebsphase

Drei Monate nach Inbetriebnahme ist eine Analyse des Umlaufwassers vorzunehmen, da sich nach dieser Zeit ein Normalzustand des Systems in Bezug auf den pH-Wert eingestellt haben sollte. Dabei ist die Einhaltung der vorgegebenen Richtwerte zu kontrollieren.

Die erste Inspektion ist zwölf Monate nach Inbetriebnahme der Anlage durchzuführen und anschließend jährlich zu wiederholen. Dabei sind mindestens folgende Parameter zur überprüfen: 

  • pH-Wert (Vor-Ort-Bestimmung),
  • elektrische Leitfähigkeit,
  • Trübung (absetzbare Stoffe) durch Sichtprüfung,
  • Färbung durch Sichtprüfung,
  • Geruch,
  • Gesamthärte und
  • Frostschutz (bei Anlagen, die mit Frostschutz-Wassergemischen betrieben werden).

Einen wichtigen Stellenwert im Rahmen des bestimmungsgemäßen Betriebs erhält das Anlagenmonitoring. Insbesondere eine regelmäßige Messung des pHWerts kann helfen, Korrosionsvorgänge frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu stoppen. Bei größeren, nicht korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen ist ein kontinuierliches Anlagenmonitoring empfehlenswert.

Alle mit der Anlage in Verbindung stehenden Unterlagen bei Planung, Installation und Betrieb sowie alle Betriebsparameter (z. B. Wasseranalysen) sind im Anlagen- bzw. Betriebsbuch zu dokumentieren.

Anforderungen an das Füll-, Ergänzungs- und Umlaufwasser

In Abweichung zur BTGA-Regel 3.003 werden in der VDI/BTGA-Richtlinie 6044 keine Richtwerte für Pseudomonaden und Gesamtkeimzahl angegeben. Die Bestimmung dieser Parameter in herkömmlichen Hygienelaboren führt in der Praxis nur sehr selten zu aussagekräftigen Ergebnissen. Inzwischen werden in Laboren Gen-Untersuchungen durchgeführt, durch die sich sehr viel deutlichere Einschätzungen ableiten lassen.

Werden bei Füll-, Ergänzungs- und Umlaufwasser die Vorgaben der Richtwerte nicht eingehalten, können unterschiedliche Maßnahmen zur Wasseraufbereitung und/oder Wasserbehandlung notwendig sein. Dazu wird es in der VDI/BTGA-Richtlinie eine umfassende Tabelle geben.

In nicht korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen, in denen nicht ausschließlich korrosionsbeständige Materialien verbaut wurden, ist die Dosierung eines Korrosionsschutzmittels notwendig oder zumindest empfehlenswert. Auch dazu wird es in der neuen Richtlinie eine Tabelle geben, in der konkreten Wirkstoffen eine konkrete Eigenschaft zugeordnet ist.

Hilfestellung bei Störungen

Die Praxis zeigt, dass bei vielen der bestehenden Kalt- und Kühlwasserkreisläufen die Empfehlungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht umgesetzt und eingehalten werden. In diesen Anlagen können vermehrt Störungen auftreten. Es wird unterschieden zwischen

  • Korrosion,
  • mineralischen Ablagerungen und
  • biologischen Ablagerungen.

Auch die VDI/BTGA-Richtlinie 6044 führt umfangreich mögliche Störungen und Maßnahmen zur Abhilfe auf. Im Vergleich zur bisherigen BTGA-Regel 3.003 wurden die Inhalte spezifisch ergänzt: Beispielsweise wurden zum Thema „Erosionskorrosion“ in Abhängigkeit des Werkstoffs Richtwerte für maximal zulässige Strömungsgeschwindigkeiten bei Korrosionsgefahr angegeben. Auch wurde die Liste möglicher Gegenmaßnahmen bei Korrosionserscheinungen deutlich erweitert. Darüber hinaus wird es ein separates Kapitel „Bedarfsgerechte Bioziddosierung“ geben, in dem konkret eine Vielzahl von Bakterien aufgeführt sind.

Anlagen in direkter hydraulischer Verbindung mit Warmwasser-Heizungsanlagen

Besonderheiten gelten beim Betrieb von kombinierten Heiz- und Kühlanlagen: Einerseits sind im winterlichen Heizfall Betriebsbedingungen vorhanden, die eine Einstufung nach VDI-Richtlinie 2035 Blatt 1 rechtfertigen. Andererseits ist der sommerliche Kühlfall durch Betriebsbedingungen gekennzeichnet, die mit denen in Kalt- und Kühlwasserkreisläufen vergleichbar sind. Aus Sicht des Richtlinienausschusses obliegt es daher dem Planer, im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, inwieweit eine parallele Betrachtung der Richtlinien erforderlich erscheint – unter Berücksichtigung der Herstellervorgaben.

Der Unterschied betrifft vor allem die Gesamthärte, die im Heizfall zu Schäden an den Wärmeerzeugern oder anderen Komponenten führen kann. Daher ist es empfehlenswert, diese Vorgaben der VDI-Richtlinie 2035 Blatt 1 im Hinblick auf die Gesamthärte des Füll-, Ergänzungs- und Umlaufwassers einzuhalten.

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag ist im BTGA-Almanach 2021 erschienen. Die 84-seitige Publikation stellt innovative Technologien und Lösungen für Energieeffizienz und Klimaschutz, Raumluftqualität und Pandemiebekämpfung vor und ist auf der BTGA-Website kostenfrei downloadbar.

www.btga.de

Autoren: Dipl.-Ing. Jan Heckmann, Vorsitzender des Richtlinienausschusses VDI/BTGA 6044 und Geschäftsführer derZ&H Wassertechnik GmbH, St. Wendel Dipl.-Ing. M.Eng. Stefan Tuschy, Mitglied des Richtlinienausschusses VDI/BTGA 6044 und technischer Referent des BTGA e.V.

 


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