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Trügerische Sicherheit

Ob Kleidung, Spielzeug, Haushaltsgegenstände oder Elektrogeräte – der deutsche Markt wird mit chinesischen Waren regelrecht überschwemmt.

 

Längst haben die Produzenten aus dem „Land des Lächelns“ auch im heimischen Sanitär-Heizungs-Klima-Segment Fuß gefasst. Als Zulieferer von Bauteilen und Komponenten oder – weniger schön – als Raubkopierer. Plagiate in Form von Armaturen, Duschtempeln oder Heizlüfter werden regelmäßig vom Zoll beschlagnahmt und landen im Schredder. Und falls nicht, gelangen sie über irgendeine Ladentheke für wenig Geld in die Haushalte.
Neu ist diese Erkenntnis freilich nicht, aber sie stimmt bedenklich. Denn billig heißt nicht selten gefährlich. Ein Großteil der Produkte, von denen eine Gefahr für den Menschen ausgeht, stammt aus chinesischer Produktion. So zumindest steht es im Bericht „Gefährliche Produkte 2011“, den die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unlängst veröffentlichte. Unfälle, so heißt es in dem Papier, die zum Tode führten, ereigneten sich meist mit chinesischen Geräten und Maschinen.
Ein Stückweit Sicherheit soll die CE-Kennzeichnung bieten. Sie legt für zahlreiche Produkte Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen als Mindestanforderungen fest. Manch skrupelloser Hersteller, so heißt es, klebt das begehrte Zeichen aber auch ohne Zertifizierung auf das Produkt.
Apropos CE-Kennzeichnung: Auch im Gas- und Wasserfach wird der „Europäische Reisepass für Produkte und Maschinen“ sukzessive eingeführt. Gasgeräte sind bereits gekennzeichnet, ebenso Kupferrohre. Doch das hat auch seine Tücken. Ob beispielsweise ein Gasgerät in einem Mitgliedsstaat eingesetzt werden darf, ist nämlich nicht allein an der CE-Kennzeichnung, sondern nur an zusätzlichen Merkmalen wie etwa einem Nationalitätenkürzel abzulesen. Damit erklärt der Hersteller, dass das Gerät für die in dem benannten Bestimmungsland vorhandenen Versorgungsbedingungen – Gaskategorien und Eingangsdrücke – geeignet ist. Bei Kupferrohren verhält es sich ähnlich: Für den Einsatz im Trinkwasserbereich ist hierzulande zusätzlich ein DVGW-Zeichen erforderlich. Rohrdämmstoffe müssen zwar erst ab August 2012 mit dem CE-Kennzeichen versehen sein. Die Zulassung des Bauprodukts obliegt dann aber weiterhin den nationalen Zulassungsstellen. Fachhandwerker müssen künftig also auf die CE-Kennzeichnung und die bauaufsichtliche Zulassung achten.
Ohne nationale Anhängsel oder Zertifikate scheint das CE-Kennzeichen zumindest in sensiblen Bereichen wie der Gas- oder Trinkwasserinstallation wenig aussagekräftig. Ein Freibrief für eine unbeschwerte Installation ist es jedenfalls nicht. Doch das ist kaum bekannt. Trügerische Sicherheit nennt man das wohl.
Bei all dem Wirrwarr drängt sich der Vergleich mit den typischen Anwendernormen förmlich auf. Beispiele: Da gibt es auf der einen Seite die Europäische Norm DIN EN 12056 (Schwerkraft­entwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden) und auf der anderen Seite die in Deutschland geltende 1986-100. Oder die in Kürze als Paket in Kraft tretende DIN EN 806 (Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen) mit dem (weiterhin) nationalen Anhängsel der 1988er-Normenreihe und weiteren zu beachtenden Regelwerken wie das DVGW-Arbeitsblatt W551. Es gibt noch viele weitere Beispiele und noch mehr normative Querverbindungen. Verhindern lässt sich diese „doppelte Normung“ angesichts unterschiedlicher nationaler Installationsgewohnheiten kaum. Für die Unternehmen ist das ein großes Ärgernis, denn die „schwere Kost“ zu studieren kostet nicht nur viel Zeit, die Regelwerke kos­ten in Summe auch viel Geld. Mitunter lohnt sich da ein Normen-Abo, wie es etwa der Zentralverband Sanitär Heizung Klima für seine Mitglieder anbietet. Online hat der Nutzer Zugriff auf über 200 aktelle DIN-Normen aus dem Bereich der Haustechnik. Das Studium der Werke bleibt dem Fachmann freilich nicht erspart.

Und so bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass es für Planer und Anwender gleichermaßen immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten – trotz oder besser aufgrund der europäischen Harmonisierungsbestrebungen: Produkte mit CE-Kennzeichen, die zwar in den Warenverkehr gebracht, aber ohne DIBt- oder DVGW-Zulassung hierzulande nicht verbaut werden dürfen. Die Flut an europäischen Anwendernormen mit ihren nationalen Anhängen. Nicht zuletzt EU-Verordnungen wie die Ökodesign-Richtlinie (ErP = Energy-related Products), die über den Umweg der Industrie in die Praxis gelangt. Transparenz sieht anders aus. Aber wie heißt es so schön: Der europäische Gedanke zählt.

Markus Sironi
Chefredakteur
IKZ-HAUSTECHNIK
IKZ-Fachplaner
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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