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Gefangen in der Bürokratie

 

Handwerk hat goldenen Boden. Ein Spruch, der vor Jahrzehnten, in den Zeiten des großen wirtschaftlichen Aufschwungs, uneingeschränkt seine Gültigkeit hatte. Sicher steckt in ihm auch heute noch ein Stück Wahrheit. Aber das Gold hat an Glanz verloren.
Der Fachkräftemangel spielt da­hinein. Er bereitet dem Handwerk große Sorgen. Er ist mitverantwortlich dafür, dass Aufträge nicht so zeitnah abgewickelt werden, wie es der Kunde erwartet und der Unternehmer wünscht. Das ist für beide Seiten unbefriedigend. Und für jeden Auftrag, und ist er noch so klein, verlangt der Staat – zumindest eine indirekte – bürokratische Dokumentation. Zu nennen sind da beispielsweise die Gefährdungsbeurteilung auf der Baustelle oder die regelmäßige Pflicht zur Prüfung elektrischer Geräte und Maschinen. Ganz oben auf der Prioritätenliste aber dürfte derzeit die ­DSGVO stehen, die Datenschutzgrundverordnung. Deren Umsetzung bindet wertvolle Betriebsressourcen.
Die Erkenntnis, dass Betriebe mit unnötige Bürokratie belastet werden, scheint in Berlin angekommen zu sein: Im aktuellen Koalitionsvertrag ist das Ziel fixiert, betriebliche Verwaltungsaufgaben abzubauen. Es trägt den hoffnungsvollen Titel „Bürokratieentlastungsgesetz“. Das ist zweifelsohne ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Torpediert wird diese Bemühung allerdings durch die ungebremsten Regelungsbestrebungen aus Brüssel. Ganz aktuell haben sich die Mitglieder des Verkehrsausschusses
im Europäischen Parlament auf die Einführung eines digitalen Tachographen für kleine Nutzfahrzeuge verständigt. Vor dem Hintergrund, dass mit dieser Pflicht eigentlich nur der Güter- und Personalfernverkehr besser kontrolliert werden sollte, ist das ein herber Schlag fürs Handwerk: Der Einbau kostet Geld. Hinzu kommen die Anschaffung von Kontrollkarten, der Kauf von Software zur Datenverwaltung sowie die regelmäßigen Wartungs- und Auslesepflichten. Was für ein Aufwand. Zahlreiche Ausnahmen lassen zwar vermuten, dass von dem neuen Vorhaben in erster Linie Handwerksbetriebe im grenzüberschreitenden Verkehr betroffen sind. Und doch ist damit der erste Schritt getan, die digitale Tachopflicht zu einem späteren Zeitpunkt auch auf innerstaatlichen Transportwegen und auf weitere Fahrzeuge auszudehnen. Die Handwerkslobby hat jetzt alle Hände voll zu tun: Sie muss den Verkehrsausschuss davon überzeugen, das Handwerk von der digitalen Tachopflicht auszuklammern.

Detlev Knecht
stv. Chefredakteur IKZ-HAUSTECHNIK
d.knecht@strobel-verlag.de

 


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