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Abriss- statt nur Abwrackprämie

Fast schon chronisch ist mittlerweile der Modernisierungsstau in deutschen Heizungskellern, der sich trotz hoher Energiepreise nicht aufzulösen scheint. Die gegenwärtige jährliche Austauschrate für Heizungsanlagen kann mit 3% beinahe als komatös beschrieben werden. Und schlimmer noch: In jeweils acht von zehn Häusern werden die alten Kessel meist bis zum bitteren Ende genutzt. Offenbar ist bei deren Besitzern die Botschaft noch nicht angekommen, dass sich der Austausch veralteter Heizkessel bei den derzeitigen Energiepreisen schon nach etwa fünf Jahren rechnen kann. Somit wundert es auch nicht, dass die meisten Wärmeerzeuger hierzulande eher den technischen Stand der Museumsreife besitzen. Lediglich 13% der Heizungen spiegeln den Stand der Technik wider.

Markus Münzfeld, Redakteur IKZ-HAUSTECHNIK

 

Ansätze und Versuche, den Modernisierungsstau aufzulösen, gibt es bereits seit Jahren - mit teilweise mehr oder weniger Erfolg. Vielversprechend ist z.B. der "Heizungs-Check", mit dem geschulte SHK-Betriebe seit dem Frühjahr 2008 Komplettüberprüfungen von Heizungsanlagen durchführen können, um so den Kunden die Augen für Modernisierungsmaßnahmen zu öffnen. Damit allein konnte der "Komapatient" bisher jedoch nicht geweckt werden.
Eine Erfolg versprechendere Maßnahme - die leider in dieser Form nur in Sachsen und im Saarland umgesetzt wurde - zeigte sich mit der Abwrackprämie für Heizkessel. So wurden allein in Sachsen durch diese Aktion von Mai 2009 bis Mitte Februar dieses Jahres rund 22000 Anträge zum Kesseltausch gestellt. Wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln seien die Förderungen weggegangen und hätten bei etwa 27 Mio. Euro Prämie das rund Fünffache an Investitionen ausgelöst, heißt es in einer Mitteilung. Ein Erfolg, der bei einer bundesweiten Umsetzung den schlummernden Riesen förmlich aus seinem Schlaf reißen würde. Dies belegt auch eine noch junge Umfrage des Marktforschungsinstituts Emnid. Demnach würden 39% der Eigenheimbesitzer bei einer Kesselprämie sofort ihre alte Heizungsanlage erneuern lassen.
Als neuer Ansatz zum Durchbruch des Sanierungsstaus verabschiedete Ende Januar dieses Jahres der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) und der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) eine gemeinsame Resolution. In dem Papier schlagen die beiden Verbände u. a. vor, dass das Marktanreizprogramm verstetigt und auf ein Gesamtvolumen von 1 Mrd. Euro pro Jahr aufgestockt werden sollte. Darüber hinaus müssten, um Investitionshemmnisse im Mietwohnbereich abzubauen, die Interessen zwischen Besitzer und Mieter ausgeglichen werden. Last but not least sei eine umfassende Informations- und Werbekampagne der Bundesregierung notwendig, die die Vorteile einer Sanierung bekannt macht (wir berichteten bereits unter www.ikz.de, Suchwort: Wärmekonferenz). Alles zusammen eine bestimmt effektive Maßnahme - aber nur in den Fällen, wo die Gebäudesubstanz nicht einem schweizer Käse ähnelt, sprich: nicht sanierungsüberfällig ist.
Fast im Dornröschenschlaf liegend und damit modernisierungsüberfällig ist aber ein Großteil der westdeutschen Immobilien. Und dies ist kein Wunder. Denn seit der Wiedervereinigung wurden vorrangig Gebäude in den neuen Bundesländern mithilfe des Solidaritätsausgleiches saniert. Eine brisante Situation, die sich u.a. auch das Nachrichtenmagazin Focus (Heft Nr. 05/10) zum Thema machte. Wie das Blatt berichtete, bräuchten allein die alten Bundesländer bis zum Jahr 2020 mehr als eine halbe Billionen (500 Mrd.) Euro für dringend erforderliche Neubauten, z.B. für Schulen, Krankenhäuser, Sportstätten, Verkehrswege und Abwasserkanäle. Und im privaten Bereich? Hier sieht die Situation nicht besser aus. Das beklagt auch die Sanitärindustrie. Wenn man bedenkt, dass einer VDS-Studie zufolge jedes zweite Bad älter als 15 Jahre und jedes vierte Bad sogar älter als 25 Jahre ist, lässt sich das immense Investitionspotenzial erahnen.
Welch marode Zustände. Zumindest in NRW geht man aber nun andere Wege, um den altersschwachen Gebäuden zu Leibe zu rücken: Abriss- statt nur Abwrackprämie lautet hier die Devise. So zahlt das Land erstmals für den Abriss nicht mehr zeitgemäßer Mietshäuser aus den 60er- und 70er-Jahren, in Verbindung mit einem anschließenden Neubau, pro Wohnung bis zu 10000 Euro. Für das laufende Jahr seien dafür 2 Mio. Euro und bis 2013 rund 19,5 Mio. Euro im Fördertopf. Eine Maßnahme, die bundesweit wünschenswert ist. Denn dann kommt nicht nur der Heizungsstau wieder in Fahrt, sondern die gesamte Baubranche, die aufgrund der Auftragsschwindsucht seit Jahren schon komatös am Tropf hängt.

Markus Münzfeld
Redakteur IKZ-HAUSTECHNIK
m.muenzfeld@strobel-verlag.de

 


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