Nicht länger „jeder Handgriff ein Prototyp“
Die IKZ-Redaktion zu Gast bei der Rainer Hagemann GmbH in Kassel
Geplant war die Umstellung des Lagers. Kurz darauf wurde zusätzlich der Umstieg auf eine neue Unternehmenssoftware erforderlich. Obendrauf kamen die großen Veränderungen der letzten Jahre. Wie ein SHK-Betrieb in Kassel eine spannende Phase in Richtung Zukunft erfolgreich bewältigt hat, erfuhr die IKZ-Redaktion beim Besuch vor Ort.
Ihr Studienwunsch lautete Architektur. Eine Ausbildung zur SHK-Anlagenmechanikerin, ein Studium der Versorgungstechnik und die erfolgreiche Führung eines Unternehmens sind es geworden. Vor 20 Jahren übernahm Dipl.-Ing. Kirsten Hagemann, heute Adams in Kassel-Niederzwehren das SHK-Unternehmen ihres Vaters, die Rainer Hagemann GmbH. Nach drei Jahren stieg Studienkollege Dipl.-Ing. Ingo Weiß mit ein. Die beiden sind schon seit geraumer Zeit gleichberechtigte Teilhaber der GmbH. Die Aufgabenbereiche haben sie aufgeteilt. Kirsten Adams verantwortet die Bad schiene, Ingo Weiß den Bereich Heizung. „Früher habe ich beides gemacht, Bad und Heizung, aber heute haben wir 6-Ziffern-Preislisten, die richtig dick sind. Dann war es auch jeweils vom Fachlichen so viel, dass man gesagt hat, man kann nicht komplett Bäder gut machen und Heizung und Kundendienst.“
Das Unternehmen ist gut vernetzt, vor Ort mit den Kollegen aus der Innung („in Kassel kennt man sich und man hilft sich auch aus“) und bundesweit über die Erfa-Gruppe „badundheizung“.
Die Rainer Hagemann GmbH ist fast ausschließlich in der privaten Sanierung in Kassel und Umgebung tätig – keine Ausschreibungen, nur ein paar Hausverwaltungen. Den Kundenstamm hat Rainer Hagemann, der 1970 das Unternehmen gründete, kontinuierlich aufgebaut. Als Anfang der 1990er-Jahre Betriebe aus dem Kasseler Raum Aufträge in den neuen Bundesländern akquirierten, blieb er in der Region. Heute sind sie zu 25 im Unternehmen. Im Büro arbeiten neben den Geschäftsführern zweieinhalb Kräfte in der Buchhaltung, ein SHK-Meister am Telefon organisiert die Kundendiensttermine.
Werbung und Ausbildung
Bis heute ist die Mund-zu-Mund-Propaganda der beste Werbeträger. „Man sagt, 2 % des Umsatzes muss Marketingbudget sein, da sind wir bei weitem nicht.“ Eigene Werbemaßnahmen beschränken sich auf den Heimatverein und die Sportvereine. Über die Erfa-Gruppe „badundheizung“ haben sie eine Homepage, die regelmäßig aktualisiert wird und eine Kundenzeitschrift , 3500 Exemplare mit Themen der Branche und eigenen Inhalten, die ausliegen und versendet werden.
Wenn Kirsten Adams bei einer Badberatung nachfragt: „Wie sind Sie denn auf uns gekommen?“ und hört „Sie haben das Bad bei meiner Arbeitskollegin gemacht“‘, dann ist klar: „Die Interessentin weiß, wie wir arbeiten, sie weiß, dass es das Bad nicht für 10 000 Euro gibt.“ So hat das Unternehmen eine gute Auftragsquote, phasenweise mit Wartezeiten bis zu einem halben Jahr.
Auszubildende gewinnt das Unternehmen ganz klassisch über die Zusammenarbeit mit den umliegenden Schulen. Ein Schnupperpraktikum vor Vertragsabschluss gehört dazu. „Dadurch haben wir eigentlich eine Null-Abbrecherquote“, sagt Kirsten Adams, und „auch sehr gute Auszubildende, die Qualität ist über die Jahre immer besser geworden.“ Derzeit sind zwei Fachabiturienten und ein Studienabbrecher im Azubi-Team. Dass die handwerkliche Ausbildung in Akademikerkreisen verstärkt Akzeptanz findet, ist Kerstin Adams ein Anliegen.
Problematisch sei, dass der Pkw-Führerschein heutzutage nicht mehr selbstverständlich dazugehört. Aktuell hat die Rainer Hagemann GmbH zwei Junggesellen ohne Führerschein. Andere Kollegen beobachten diesen Trend auch. Eine Herausforderung in der Zukunft wird die Fachkräftesicherung. Die langjährigen Mitarbeiter aus der Babyboomer-Generation bleiben nicht mehr lange, ihr Wissen muss übergeben werden. „Wenn Sie drei Kundendienstmonteure haben mit so einem Erfahrungspotenzial, dann muss man frühzeitig ansetzen, jemand Neues zu haben.“
Kosten und Kleinteile
Sehr akkurat setzen die beiden Geschäftsführer Instrumente der Unternehmensführung ein („in den Dingen haben wir in den letzten Jahren viele Hausaufgaben gemacht“). Die Gewinn- und Verlustrechnung kommt monatlich vom Steuerberater, Aufträge werden nachkalkuliert. Der Stundensatz liegt bei 77 Euro. Da sich die Kostenentwicklung rein über den Wareneinsatz nicht mehr darstellen lässt, setzt die Rainer Hagemann GmbH auf Transparenz.
Zum Beispiel wurden die Entsorgungskosten früher nie weiterberechnet. Heute sind die Entsorgungs- und die Kleinteilepauschale unerlässlich, und beim Rohrbruch werden neben den „zwei Formstücken und 30 cm Rohr“ auch der Einsatz der Stemmmaschine oder das Abdeckmaterial auf die Rechnung gesetzt. Im Wartungsgeschäft ist die Pauschale gestiegen. Dazu sind benötigte Teile deutlich teurer geworden. „Letztendlich sind Sie bei so einer ganz normalen Wartung inklusive Mehrwertsteuer bei 450 Euro.“ Die Entwicklung führt dazu, dass der Kunde in allen Belangen das optimale Level erwartet, bei den Fahrzeugen, beim Auftreten der Monteure und bei der Arbeit – vom ersten bis zum letzten Handschlag.
Neues Lager, neue Software
Qualitätsarbeit beim Kunden wird gestützt durch optimale Prozesse im Hintergrund. Daher entschieden sich Kirsten Adams und Ingo Weiß 2019, auf ein Lager mit festgelegten Plätzen und geordneten Abläufen umzustellen. Das Lagerprojekt war eine längerfristige Aufgabe. Die Vorüberlegungen, Planungen und Vorbereitungen waren im Frühjahr 2020 abgeschlossen. Beim Umbau des alten Lagers packten alle eine Woche lang mit an. Seither erfolgt die Teileverwaltung softwaregestützt. „Jedes Teil hat bei uns ein Fach und eine Scan-Artikelnummer“, sagt Kirsten Adams. An den Fächern und Boxen im Lager müssen festgelegte Prozesse eingehalten werden. Ein Merkspruch erleichtert die Entscheidung, wohin ein Teile gehört: „Hat’s kein Fach, gehört’s auch nicht ins Lager. Entweder, es kriegt dort ein Fach oder es geht retour.“
In jeder Box liegt ein Zettel mit Angabe der Mindestanzahl, die in der Box sein muss. Ist nur noch diese vorhanden, legt der Monteur den Zettel in einen Kasten und löst damit die Bestellung durch das Büro aus. Mittlerweile wirkt sich die Umstellung des Lagers positiv aus. Das rechtzeitige Bestellen, und die Tatsache, dass nicht verwendetes Material zurücksortiert wird, zeigen sich in den monatlichen Zahlen.
Umwälzende Zeiten
Aber wieder ein paar Jahre zurück. Das Lager kam gerade „ans Laufen“, da wurde das Softwarehaus verkauft, das die langjährig genutzte Kundenverwaltungssoftware betreute. Plötzlich stand noch ein großer Umbruch mit jeder Menge Zusatzaufgaben ins Haus. Ein Programm musste ausgewählt werden, der Funktionsumfang und die Arbeitsweise damit festgelegt („an den Zugriffsrechten für die Mitarbeiter haben wir zum Teil richtig gefeilt“).
Zur Einarbeitung in die Funktionen erhielt das Büro vorab mehrere Tagesschulungen. Die Monteure hat Ingo Weiß später selbst geschult, nachdem er sich tief in die Funktionen eingearbeitet hatte. Die Erfahrung bei der Arbeit mit einer neuen Software war, dass „sämtliche Arbeitsabläufe im Betrieb anders werden“, und dass man manchmal mit Vorgehensweisen auch an die Grenzen kam, weil die Software anders ausgelegt ist. Insgesamt haben sich die Arbeitsabläufe und der Zeitbedarf komplett geändert.
Alle Mitarbeiter bekamen Tab lets, mit denen jeder täglich digital seinen Monteurbericht führt. Vorbei die leidige Suche nach den Stundenzetteln. „Ach, der Mitarbeiter hat sie im Auto, hinterhertelefonieren …“ Heute trägt der Monteur noch vor Ort die Artikel ein, die er verbaut hat, macht Fotos, holt sich die Unterschrift des Kunden und sendet den Bericht. „Eigentlich kommen die Monteurberichte rein, wir gleichen sie auf Fachlichkeit und Richtigkeit und sie gehen als Rechnung raus“, sagt Kirsten Adams.
Gelebte Prozesse
Mittlerweile sind die digitalen Prozesse ein verlässlicher Standard. „Dinge, für die Sie früher Zeit brauchten, Lieferscheine einsortieren, zusortieren, kontrollieren, Eingangspreise kontrollieren“, sagt Kirsten Adams, die nur noch eingreifen muss, wenn am Bildschirm ein Dokument zur Kontrolle angezeigt wird.
Nach diesen anstrengenden Jahren lautet aktuell die Devise: Stabilisierung.
Dass nicht mehr „jeder Handgriffein Prototyp“ ist, sondern dass alle wissen: So ist das System. Wichtig ist, dass alle die neuen Prozesse leben. Einmal im Monat ist Mitarbeiterfrühstück im Besprechungsraum, dabei wird Aktuelles besprochen. Es gibt auch Treffen im kleineren Kreis. Dann geht es z. B. um das digitale Aufmaß oder den Monteurbericht als Grundlage der Abrechnung.
Ein Vorhaben, das schon länger in der Warteschleife steckte, soll als Nächstes umgesetzt werden. Geplant sind interne Schulungen mit dem Außendienst von Markenpartnern, einmal im Monat zwei Stunden lang. „Eigentlich hatten wir vor, Anfang des Jahres einen Jahresplan zu haben“, sagt Kirsten Adams. „Dann steht der Termin fest und alle wissen Bescheid. Wir hatten aber noch nicht die Kapazitäten. Das wird jetzt kommen.“