Was mache ich, wenn …?
Fragen aus dem Alltag an die DIN 18040-2
Neben der beruflichen Weiterbildung eignen sich Schulungen, um das eigene Fachwissen aufzufrischen und Arbeitsabläufe zu trainieren. Was sind die wichtigsten Fragen aus der Praxis, wenn es um die barrierefreie Anpassung eines Bestandsbades geht? Martin Schäpermeier, Trainer und Anwendungstechniker bei Kaldewei, sowie PR-Manager Marcus Möllers, teilen ihre Erfahrungen.
„Die Vermittlung von technischem Know-how zur Installation von Produkten“ nannten laut einer Umfrage in Westeuropa etwa 700 teilnehmende SHK-Betriebe als wichtigste Thematik (38 %) für Schulungen. Durchgeführt wurde die Studie von der Marketingberatung USP Marketing Consultancy1) und in Deutschland von BauInfoConsult2), einer Agentur für Marktanalysen in der Baubranche, vorgestellt. Demnach wurden weiter genannt: Schulungen zu neuen Gesetzen und Vorschriften sowie zu neuen Technologien und deren Inbetriebnahme.
Dabei gab es unterschiedliche Schwerpunkte. Betriebe aus Großbritannien wünschten zur Installation von Produkten (56 %) Schulungen, die aus Frankreich zur Mängelbehebung (58 %), die aus den Niederlanden zur Durchführung von Wartungen (36 %). Die teilnehmenden Betriebe aus Deutschland wünschten besonders oft technische Produktschulungen (35 %) – ein Bereich, in dem die Hersteller naturgemäß stark sind. Wie zum Beispiel Kaldewei aus dem westfälischen Ahlen, Hersteller von Sanitärobjekten aus Stahlemaille. Kaldewei schult in Webinaren und in Präsenz, derzeit zu drei Schwerpunkten: Abdichtung, barrierefrei und Badplanung. Welche Inhalte im Bereich barrierefrei vermittelt werden und welche Fragen den Teilnehmenden besonders wichtig sind, erläutern Trainer und Anwendungstechniker Martin Schäpermeier und PR-Manager Marcus Möllers.
Schlauchbad barrierearm
„Da ist oft die Frage: Was mache ich, wenn ich nicht DIN-gerecht barrierefrei bauen kann?“, sagt Schäpermeier. Im Neubau lassen sich barrierefrei nutzbare Wohnungen gemäß DIN 18040-2 planen und realisieren. Was die Vorgaben der DIN 18040-2 im Bestand angeht, bewegen sich die Beteiligten in einer Grauzone, auch, wenn es um die Beantragung von Fördergeldern geht. „Wir sprechen idealerweise vom 2x2-Badezimmer (‚barrierefrei‘ heißt laut DIN mindestens 180 cm x 220 cm) mit 120 cm x 120 cm Bewegungsfläche – in der Dusche, vor der Dusche, vor der Toilette, vor dem Waschtisch“, sagt Schäpermeier. „Dabei haben viele Bäder im Altbau eine ganz andere Geometrie. Es sind Schlauchbäder, 1,40 m x 3,80 m oder noch schmaler, z. B. 1,20 m breit und 3,50 m lang, mit der Toilette ganz hinten in der Ecke.“
Hier weist der Trainer auf ein wichtiges rechtliches Detail hin. „Es gibt einen schönen Merksatz: ‚Eine DIN ist keine Rechtsnorm!‘ Es ist eine private technische Regelung mit Empfehlungscharakter.“ Das heißt, eine DIN ist bindend, wenn Geschäftspartner sie in den Vertrag aufnehmen oder wenn ihre Einhaltung gesetzlich vorgeschrieben ist.
In jedem Fall sind die Vorgaben der DIN 18040-2 hilfreiche Planungsgrundlagen, weil sie die Ergonomie des sitzenden, rollenden, auf eine Gehhilfe gestützten Körpers mit eingeschränktem Bewegungsspielraum oder begrenzter Sinneswahrnehmung umsetzen in Norm-Bewegungsradien, Höhenvorgaben für das Anbringen von Sanitärobjekten etc. Aber in einen Bestandsbau mit einem Schlauchbad von 1,10 m Breite passt keine Duschfläche von 1,20 m. „Das geht nunmal nicht“, sagt Schäpermeier. „Die Pflegekasse weiß das natürlich auch“. Es gilt, vor Vertragsabschluss aufzupassen. „Wenn der Investor oder Bauherr ausschreibt: ‚Bad barrierefrei‘, ist das eine gesetzliche Definition. Dann MUSS die Tür nach außen aufgehen und 90 cm lichte Breite haben, die Duschfläche 120 x 120 cm haben und zwischen der Toilette und der Wand müssen mindestens 20 cm sein.“ Besser sei die Formulierung „barrierearm in Anlehnung an die DIN 18040“. „Dann kann ich sagen, „ich mach all das, was möglich ist, aber manche Dinge gehen eben nicht! Wenn ich ’ne Wand hab’ von 80 cm Breite und setz’ eine Toilette auf die Wand, dann KANN ich zu beiden Seiten keine 20 cm Platz lassen.“
Die DIN berücksichtigt die Situation im Altbau durch die Vorgabe, die Bewegungsflächen planerisch zu überlagern. Man sei schließlich nicht überall gleichzeitig, in der Dusche, vor der Dusche, vor der Toilette, vor dem Waschtisch. Beispielhaft sei dieser Planungsfall: Schlauchbad, ein Gussfallrohr hinten in der Ecke, Toilette davor. „Die Toilette muss dort bleiben, aber wir wollen flach duschen“, sagten die Bauherren in einem Beispiel. Die Überlagerung der Bewegungsflächen erlaubt es, die Duschfläche mitten ins Badezimmer zu setzen. „Bei einer emaillierten Duschfläche ist das kein Problem, das Material ist Glas, begehbarer Boden, ähnlich wie eine Fliese.“ Dann kam noch der Wunsch: „Bitte noch `ne Waschmaschine mit rein“. Die Lösung am Ende: Ganz vorne der Waschtisch („Wir haben überlegt: Was macht man besonders oft im Bad? – Händewaschen“), dann die Waschmaschine, vielleicht ein Einbauschrank dahinter, dann die Duschfläche und ganz hinten das WC.
Nullschwelle, Licht und Farben
Als weitere Eigenschaft haben Gebäuden aus den 1950er- bis 1970er-Jahren oft nur eine Aufbauhöhe von 30 mm. „Da zuckt man fast zusammen, das ist ein Hauch von Nichts“, sagt Schäpermeier. Insbesondere, wenn im barrierefreien Bad ein ebener Fußboden nach dem Prinzip der „Nullschwelle“ realisiert werden soll, gibt er den Tipp, das gesamte Badezimmer um 70 mm anzuheben und vor dem Badezimmer eine Steigung anzubringen. Dann ließen sich eine Fußbodenheizung, die Abflussleitungen und die Ver- und Entsorgungsleitungen gut verlegen.
Bei der Planung barrierefreier Bäder sind noch eine Reihe weiterer Details zu beachten. Da ist der visuelle Effekt. Der Techniker ist selbst mit einer künstlichen Linse unterwegs und weiß aus Erfahrung: „Für jemanden mit einem grauen oder grünen Star ist ein weißer Waschtisch mit einer verchromten Armatur und einem Spot darüber keine gute Idee. Das verschwimmt alles.“ Besser seien eine farbige Armatur oder zu einer aus Chrom ein farbiger Waschtisch. LED-Leisten, eingebaut in eine Badewannenumrandung oder vor einer Stufe, seien nicht nur „nice to have“, sondern eine wichtige Orientierungshilfe. Und im Bereich der Pflegebedürftigkeit gilt es zu beachten, dass dunkle Flächen auf hellem Boden für einen Demenzkranken wie ein Loch wirken („Du wirst ihn niemals auf eine schwarze oder graue Duschfläche bekommen“). Bei Menschen im Alter verändert sich auch das Temperaturempfinden. „Sie verbrühen sich sehr schnell.“ Die DIN 18040-2 schreibt daher an Dusche und Waschplatz eine Einhebelarmatur, alternativ eine berührungslose Armatur vor, in Verbindung mit einer Temperaturbegrenzung.
Barrierefreie Planung soll Räume schaff en, die leicht an sich verändernde Bedürfnisse angepasst werden können. Für das Bad fordert die DIN 18040-2, die Wände bauseits so auszubilden, dass sie bei Bedarf mit senkrechten und waagerechten Stütz- und Haltegriff en nachgerüstet werden können. „Da, wo der Stützklappgriff später mal hinkommen soll, ’n Kalksandstein, ’n Ytongstein oder eine doppelte OSB-Beplankung hin, damit du später die Möglichkeit hast, das vernünftig zu befestigen.“
Wohlfühl-Ästhetik
„Eine Sache sollten wir ergänzen, sagt Marcus Möllers, „das ist diese ästhetische Herausforderung. Viele nehmen ein barrierefreies Bad sofort als behindertengerechtes Bad, als Krankenhaus- oder Pflegebad wahr.“ Dabei gebe es für das barrierefreie Bad wunderschöne Lösungen. „Und wenn man mal Menschen fragt, die darauf angewiesen sind, natürlich sagen die ‚hey, ich möchte mich in meinem Bad auch wohlfühlen. Ich verbringe da auch meine Zeit, und natürlich möchte ich mich da geborgen fühlen und es nett haben, gerade wenn ich Zuhause bin‘. Diese ästhetische Komponente wird noch viel zu selten umgesetzt.“ Das kann Schäpermeier nur bestätigen: „Du kennst meine Schockbilder dazu. Da sind ja Bäder bei, da wirst du als Gesunder krank, wenn du die siehst.“
Bilder: Kaldewei
1) Die Umfrage gehört zur Reihe „European Mechanical Installation Monitor“ der niederländischen Marketingberatungsfirma USP Marketing Consultancy. Mehrmals im Jahr werden etwa 2800 SHK-Betrieben aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien und Polen zu Themen befragt, hier z.B. zum Schulungsbedarf. Die Umfragen werden mit Quartalskürzel veröffentlicht, hier „Q4 2023, Training Needs, January 2024“ (Kurzlink: t1p.de/Usp-emim-q4-2023).
2) Unter dem Titel „Wie sag ich’s meinem Kunden? Die Top-Themen für SHK-Schulungen“ stellte im April dieses Jahres BauInfoConsul die Ergebnisse vor (t1p.de/BIC_zu_q4-2023).