Chance für nachhaltige Gebäude
EPBD – die EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
Nach über drei Jahren intensiver Diskussionen wurde die Richtlinie (EU) 2024/1275 des europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden am 24. April 2024 in Kraft gesetzt. Die Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die hier festgelegten Mindestanforderungen in nationales Recht umzusetzen. Für Deutschland wird dies im Wesentlichen über eine Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfolgen. Folgende Aspekte sind neu und bieten aus Sicht des Autors weitergehende Chancen für die zukünftige Auskleidung der Mindestanforderungen an Neubauten und Bestandsgebäude.
Lebenszyklusemissionen
Laut EPBD sollten die Lebenszyklusemissionen von Gebäuden nach und nach berücksichtigt werden. In Gebäuden sind beträchtliche Mengen an Rohstoffen verbaut und damit jahrzehntelang Ressourcen gebunden. Die Gestaltungsoptionen und die Wahl der Materialien haben sowohl bei neuen Gebäuden als auch bei der Sanierung starken Einfluss auf die Lebenszyklusemissionen. Die Lebenszyklusbilanz sollte deshalb nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Renovierungen berücksichtigt werden, indem in die nationalen Gebäuderenovierungspläne (nach deutscher Lesart wohl die integrierten Sanierungsfahrpläne) der Mitgliedstaaten Strategien zur Verringerung der Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen aufgenommen werden.
Aus deutscher Sicht gibt es hier insbesondere bei der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) noch sehr viele offene Fragen. Die Industrie und der Verordnungsgeber sind aufgerufen, hinreichende Instrumente ohne großen Bürokratieaufwand zu erarbeiten.
Anforderungen an das Innenraumklima
Weiterhin sollen bei Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden neben den bisher schon berücksichtigten Aspekten der Kosteneffizienz zusätzlich klimatische Bedingungen berücksichtigt werden. Dies betrifft unter anderem die Anpassung an den Klimawandel, lokale Bedingungen sowie das Innenraumklima.
Letzteres wird in der EBPD an sehr vielen Stellen hervorgehoben. Es ist darauf zu achten, dass zukünftig neben den Anforderungen an die Gebäudeeffizienz auch Anforderungen an das Innenraumklima gestellt werden. Die EPBD versteht unter Innenraumklima die thermische Behaglichkeit im Sommer und im Winter sowie die Innenraumluftqualität mit den Parametern CO2, Außenluftwechsel und Feinstaubgehalt, die Innenraumakustik und die Beleuchtung. Die Optimierung des Energiebedarfs darf dabei nicht zu Lasten des Innenraumklimas gehen. Im Gegenteil, bei Sanierungsmaßnahmen soll auch die Innenraumqualität verbessert werden.
Energetische Inspektionen
Energetische Inspektionen von TGA-Systemen über 70 kW (Summe Heiz- und Kühlleistung) müssen zukünftig neben Heizungs- und Klimaanlagen auch die Lüftungsanlagen beinhalten. Die Innenraumklimaparameter sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Entsprechende Mängel müssen im Inspektionsbericht dokumentiert werden. Die regelmäßige Wartung und Inspektion von Heizungsanlagen, Lüftungsanlagen und Klimaanlagen durch qualifiziertes Personal trägt zu einer aus ökologischer, sicherheitstechnischer und energetischer Sicht erheblich verbesserten Leistung bei. Über ihre Lebensdauer muss die gesamte Heizungs-, Lüftungs- oder Klimaanlage in regelmäßigen Abständen einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden. Anlagen mit einer Leistung über 290 kW sind alle 3 Jahre zu überprüfen, Anlagen über 70 kW alle 5 Jahre.
Die Prüfung sollte insbesondere vor einem Austausch oder einer Modernisierung durchgeführt werden. Dabei ist im Hinblick auf einen möglichst geringen Aufwand für die Gebäudeeigentümer und -mieter darauf zu achten, dass Inspektionen und das Ausstellen von Energieausweisen so weit wie möglich miteinander verbunden und verzahnt werden. Integrierte Sanierungsfahrpläne sollen auf dem Energieausweis aufbauen, der wiederum die Inhalte der energetischen Inspektion berücksichtigen muss. Solch eine Durchgängigkeit wird bisher in Deutschland so nicht gefordert. Hierzulande stehen die Dienstleistungen völlig frei nebeneinander.
Insbesondere bei der energetischen Inspektion ist der Vollzug absolut unzureichend. Den Meldungen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) ist zu entnehmen, dass derzeit jährlich weniger als 2500 energetische Inspektionen von Klimaanlagen durchgeführt werden. Es gibt in Deutschland ca. 200000 bis 400000 inspektionspflichtige Klimaanlagen, die Vollzugsquote liegt also – wie schon seit Jahren – unter 1 %. Das ist sehr bedauerlich, denn die energetische Inspektion ist ein wirksames Element, um die energetische Sanierung einzuleiten. Im April 2024 führten FGK und BTGA eine Umfrage unter den gelisteten Inspektoren durch. Sie ergab, dass mehr als 50 % der Inspektionen in Sanierungsmaßnahmen münden, die von den Inspektoren begleitet werden.
Darüber hinaus wird ab 2026 in Deutschland gefordert werden, bei der Inspektion einer installierten Lüftungsanlage auch ihre Größe und Leistungsfähigkeit unter typischen oder durchschnittlichen Betriebsbedingungen zu bewerten.
Anforderungen an Produkte
In Deutschland werden sehr oft zusätzliche und ergänzende Anforderungen an Produkte und Komponenten gestellt. So werden bei Lüftungsanlagen neben den notwendigen CE-Kennzeichnungen in vielen Fällen bauaufsichtliche Zulassungen für RLT-Geräte eingefordert. In mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofes wurde jedoch klargestellt, dass derartige Forderungen nicht mit den Prinzipien des gemeinsamen Marktes zu vereinbaren sind und eine Marktbehinderung bedeuten.
Die EPBD stellt jetzt auch klar, dass die Mitgliedstaaten beim Festlegen von Gesamtenergieeffizienzanforderungen an gebäudetechnische Systeme harmonisierte Instrumente einsetzen müssen. Dies sind insbesondere Prüf- und Berechnungsmethoden sowie Energieeffizienzklassen, die im Rahmen von Durchführungsmaßnahmen zur Ecodesign-Richtlinie 2009/125/EG entwickelt wurden, um die Kohärenz mit den damit in Zusammenhang stehenden Initiativen zu gewährleisten und eine potenzielle Fragmentierung des Marktes so weit wie möglich zu vermeiden. Bei den Produkten der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik sind nach Meinung des Autors alle notwendigen Produktanforderungen im europäischen Kontext geregelt und damit zusätzliche Anforderungen im Sinne des EU-Marktes rechtswidrig.
Einsparpotenziale
Technologien zur Einsparung von Energie, die sich in sehr kurzer Zeit amortisieren, beispielsweise die Rückgewinnung von Wärme aus Abluft oder Abwasser, werden derzeit insbesondere auch in Deutschland nicht ausreichend berücksichtigt. Lüftungsanlagen müssen zwar mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet werden, in den energetischen Referenzanforderungen der Gebäude sind aber immer noch reine Abluftanlagen oder – in den meisten Fällen – sogar die Fensterlüftung als energetische Referenz festgelegt. Die aufwändig erzeugte Heiz- und Kühlenergie wird also in der energetischen Referenz immer noch im wörtlichen Sinn „zum Fenster hinausgeworfen“. Dabei soll ein wichtiges Detail nicht unerwähnt bleiben: Mit einer manuellen Fensterlüftung kann in vielen Fällen keine ausreichende Innenraumluftqualität sichergestellt werden.
Schlussbemerkung
Zusammengefasst bietet die nationale Umsetzung der EPBD eine gute Chance, die Planung neuer Gebäude und auch die Sanierung wieder etwas technologieoffener anzugehen. Die in Deutschland derzeit favorisierte Wärmepumpe ist zwar ein wichtiger Baustein, aber es gibt so viele weitere Möglichkeiten, Gebäude nachhaltig und wirtschaftlich auf Effizienz zu trimmen. Auch sie sollten unbedingt berücksichtigt werden.
Autor: Claus Händel, technischer Geschäftsführer, Fachverband Gebäude-Klima e. V.