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Hydraulischer Abgleich ohne Rechnen

Grenzen des Verfahrens B im Vergleich mit digitalen adaptiven Systemen

Bild 1: Das System von blossom-ic übernimmt permanent auf der Basis der eigenen Messdaten die Prüfung, ob die jeweilige sollinnentemperatur- und die außentemperaturabhängige Raumheizlast mit der bereitgestellten Raumheizleistung übereinstimmt. (blossom-ic)

Raumtemperaturen in einem Einfamilienhaus, über 24 Stunden ermittelt. (ratiodomo)

Dr.-Ing. Martin Donath war u.a. Mitglied im Normenausschuss der DIN EN 15378 „Inspektion von Heizungsanlagen, Teil Analyseverfahren“, und wirkte mit bei der aktuell im Entwurf vorliegenden DIN 94679-4 „Hydraulische Systeme in heiz-, kühl- und raumluft-technischen Anlagen. Temperaturbasierte Alternativen zum hydraulischen Abgleich“. Bild: ratiodomo

 

Dr.-Ing. Martin Donath beschäftigt sich seit Jahren mit der messwertbasierten Analyse des Betriebsverhaltens von Energieanlagen. Die Fokussierung auf das Verfahren B widerspricht seinen Erfahrungen bei der Verbesserung der Energieeffizienz von hydraulischen Systemen im Bestand. Digitale, adaptive Systeme könnten viel besser hydraulisch abgeglichene Betriebszustände in allen Lastsituationen sichern und monitoren. Ein Gastbeitrag.

Bekanntlich wird bei geförderten Heizungssanierungen seit Januar 2023 ein hydraulischer Abgleich nach Verfahren B gefordert, was eine korrekte raumweise Ermittlung der Heizlast voraussetzt. Dazu sind Raumlasten und Heizflächen sowie Massenströme, Voreinstellungen der Ventile und Heizkurven zu ermitteln. Entsprechend der Berechnungsdaten sind dann die entsprechenden Einstellungen im Rahmen der Installation vorzunehmen. Ein messwertbasierter Funktionsnachweis wird seitens des Fördermittelgebers nicht gefordert. Das Verfahren B ist vielmehr ein einmaliger Vorgang, der den hydraulisch abgeglichenen Zustand im Auslegungsfall sichern soll, dessen Ergebnis aber nicht geprüft wird. Dabei ist sicher nachvollziehbar, dass gerade im Bestand die Ermittlung der Raumlasten nur annähernd erfolgen kann. Jede Berechnung im Bestand ist schließlich auf Vereinfachungen und Annahmen angewiesen. Herstellerangaben, z. B. über Ventilkennwerte, beinhalten unvermeidbare Toleranzen. Bei der handwerklichen Umsetzung treten naturgemäß Fehler und Irrtümer auf. Es bleibt damit offen, ob die geforderten Schritte zum gewünschten Ergebnis geführt haben.

Digitale adaptive Systeme für den Abgleich in Echtzeit

Inzwischen werden zunehmend digitale adaptive Systeme entwickelt, die als „Verfahren des temperaturbasierten hydraulischen Abgleichs“ bezeichnet werden. Derartige Systeme sind in der Lage, Raumheizlasten im Bestand über die funktionsbedingt generierten, spezifischen Messwerte in den Regelstrecken zu ermitteln. Dazu stehen je nach Regelkonzept gemessene und zueinander in Bezug gesetzte Medientemperaturwerte, Heizflächentemperaturen, Differenzdrücke, Ventilpositionen oder Volumenströme zur Verfügung. So übernimmt beispielsweise das blossom-ic-System permanent auf der Basis der eigenen Messdaten die Prüfung, ob die jeweilige sollinnentemperatur- und außentemperaturabhängige Raumheizlast mit der bereitgestellten Raumheizleistung übereinstimmt.

So wird bei jedem Aufheizvorgang der Gradient (Anstieg der Temperaturänderung) bei der Aufheizung der Räume miteinander verglichen. Dabei handelt es sich u. a. um Thermostate im Informationsverbund, die über entsprechende Regelalgorithmen bei Verwendung der vorhandenen Temperaturmesswerte sichern, dass das System in allen Lastsituationen und auch bei Nutzereingriff en immer im hydraulisch abgeglichenen Zustand arbeitet. Damit entsteht für jeden Raum wiederum analog der Gebäudekennlinie eine Raumkennlinie, mit der die korrekte Dimensionierung der Heizfläche und die Einstellparameter der Heizung geprüft werden. „Abweichler“ werden markiert und z. B. über das Display des Mobiltelefons dem Nutzer mitgeteilt.

Bild 2 zeigt beispielhaft die Raumtemperaturen in einem EFH über 24 h mit Nachtabsenkung und Aufheizphasen. Diese Messdaten bilden die Grundlage für die iterativ arbeitenden Algorithmen zur messwertbasierten Bestimmung der Raumheizlasten. Die Gradienten der Aufheizphase sind hier im Zeitraum von 06:00 Uhr bis 07:00 Uhr gut erkennbar.

Der digitale hydraulische Abgleich ist ein wichtiger Baustein

Wenn man noch dazu berücksichtigt, dass statt des zeitaufwendigen „Verfahrens B“ im Bestand nur der Wechsel der Thermos tate ohne die Notwendigkeit spezieller Fachkenntnisse mit anschließender Erfolgskontrolle und das auch bei laufendem Betrieb alternativ möglich ist, sollten die Systeme des digitalen hydraulischen Abgleichs als erstrebenswerter Beitrag zur Beschleunigung der energetischen Optimierung der Heizungen verstanden werden.

Ein Interview auf der nachfolgenden Seite.

Autor: Dr.-Ing. Martin Donath, geschäftsführender Gesellschafter der ratiodomo Ing-GmbH aus Nienhagen

www.ratiodomo.de
www.blossomic.de

 

Nachgefragt

IKZ: Welche Vorteile versprechen digitale Systeme für den automatischen hydraulischen Abgleich dem SHK-Fachmann?

Dr.-Ing. Martin Donath: Beim hydraulischen Abgleich im Bestand muss zunächst die Datenaufnahme der Gebäudehülle, der Komponenten und des Verteilsystems erfolgen. Danach sind die erforderlichen Berechnungsschritte durchzuführen. Sind keine voreinstellbaren Ventile installiert, müssen diese in der Regel ausgetauscht werden. Demgegenüber reicht bei einem digitalen System der Wechsel des Th ermostatkopfes aus, was ohne Unterbrechung des Heizbetriebs erfolgen kann. Dieser Schritt erfordert nur einen Bruchteil der Zeit. Fehler wie Unter- oder Überdimensionierungen der Heizflächen, Störungen in der Verteilung durch Ablagerungen oder klemmende Ventile sowie ständiges Arbeiten nahe am Schließpunkt „merkt“ das System am abweichenden Heizverhalten des zugehörigen Heizkörpers. Dann muss natürlich eine entsprechende Nachkontrolle und Fehlerbeseitigung erfolgen. Diese Kontrollfunktion wird automatisiert immer ausgeübt.

IKZ: Rechnen Sie damit, dass automatische Systeme für den hydraulischen Abgleich irgendwann zum Standard werden?

Dr.-Ing. Martin Donath: Entscheidend sind die Rahmenbedingungen, die politisch gesetzt werden. Davon hängt die Zahl der Anbieter ab. Ich bin mir völlig sicher, dass die Unternehmen der Branche sehr schnell in der Lage sind, bei entsprechenden Voraussetzungen passende Systeme anzubieten, die zum Standard werden.

Im Übrigen ist das Th ema nicht neu. Wie eine automatisierte Optimierung ablaufen kann, haben wir bereits im Jahre 2012 im Rahmen eines Projektes der Deutschen Bundesstift ung Umwelt aufgezeigt1).

IKZ: Die DIN 94679-4 „Hydraulische Systeme in heiz-, kühl- und raumluft technischen Anlagen. Temperaturbasierte Alternativen zum hydraulischen Abgleich“, liegt derzeit im Entwurfsstadium vor. Inwiefern ist diese Norm für den Anwender interessant?

Dr.-Ing. Martin Donath: Diese Norm beruht auf dem vereinbarten aktuellen Stand Technik und bestimmt den Standard des digitalen hydraulischen Abgleichs. Sie bietet deshalb für Hersteller, Fachunternehmen, Anwender und natürlich Entscheider in Politik und Verwaltung eine wesentliche Handlungsgrundlage. Ich empfehle für vertiefende Informationen, sich dazu mit dem Auftraggeber, dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie bzw. dem Auftragnehmer, dem Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden, in Verbindung zu setzen.

IKZ: Das BAFA fordert bei den Einzelmaßnahmen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude einen Nachweis des hydraulischen Abgleichs über das VdZ-Formular. Wie erfolgt die Nachweisführung bei automatisch arbeitenden digitalen Systemen?

Dr.-Ing. Martin Donath: Dazu wird im VdZ-Formular für Verfahren B unter „Bemerkungen“ ein mit dem BAFA abgestimmter Passus eingetragen: „Der hydraulische Abgleich wurde mit dem System Hera+ von blossom-ic (wissenschaft licher Nachweis der HLK Stuttgart und Gutachten der ITG Dresden – mindestens gleichwertig zu Verfahren B) durchgeführt. Alle Heizkreise im Haus werden über das Gateway gesteuert.“ Mit dieser Bemerkung gelten die Anforderungen zum Nachweis seitens des BAFA als erbracht.

 


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