Brandschutz & Schallschutz in der Gebäudeinstallation [Seite 1 von 2]
Neun häufige Fragen zur Materialwahl von Abflussrohren
Rund 70 000 Gebäudebrände mit etwa 350 Toten jährlich einerseits und die gerichtliche Stärkung des Anspruchs auf Schallschutz andererseits machen deutlich: Baulicher Brand- und Schallschutz sind zentrale Themen bei der Gebäudeplanung und Gebäudesanierung. Die durch das gesamte Bauwerk führenden haustechnischen Abwasseranlagen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Neben konstruktiven Aspekten kommt vor allem der Materialwahl der Abflussrohre große Bedeutung zu – sowohl hinsichtlich der Sicherheit im Brandfall als auch für den Wohn- und Arbeitskomfort durch Schallreduzierung.
Planungsingenieure, ausführende Haustechniker und SHK-Großhändler stehen oftmals vor einer gar nicht so leicht zu treffenden Entscheidung. Bei der Wahl des passenden Materials stellen sie sich in der Regel immer wieder dieselben Fragen. Welche das sind, hat Daniel Schulz, Leiter Technik & Marketing bei Saint-Gobain Pam Building Deutschland, zusammengestellt und beantwortet sie hier.
1. Deutsche und europäische Baustoffklassen: Wie unterscheiden sich die Prüfkriterien?
Grundsätzlich helfen Brandschutzklassen, Materialien nach ihrem Brandverhalten einzuordnen; und die Landesbauverordnungen regeln, welche Baustoffklassen wo in der Gebäudekonstruktion zum Einsatz kommen dürfen. Auf nationaler Ebene erfolgt die Klassifizierung nach DIN 4102- 1 [1], von nichtbrennbar (A1) bis leichtentflammbar (B3). Im Zuge der Harmonisierung wurde auf europäischer Ebene die DIN EN 13501-1 [2] beschlossen.
- Brandklasse A1: Nichtbrennbarkeitsprüfung nach DIN EN ISO 1182 [3] und DIN EN ISO 1716 [4]: kein Beitrag zum Brand,
- Brandklasse A2: Nichtbrennbarkeitsprüfung nach DIN EN ISO 1182 und DIN EN ISO 1716, zusätzlich SBI (Single Burning Item Test: Test an einem einzelnen brennenden Gegenstand): kein Beitrag zum Brand,
- Brandklassen B, C und D: Entzündbarkeitsprüfung nach DIN EN ISO 11925-2 [5], zusätzlich SBI-Prüfung: sehr begrenzter, begrenzter, hinnehmbarer Beitrag zum Brand.
- Brandklasse E (Mindestanforderung): Entzündbarkeitsprüfung nach DIN EN ISO 11925-2; das Produkt entzündet sich bereits bei kleiner Flamme (ein noch hinnehmbares Brandverhalten?),
- Brandklasse F: Einbau nicht zulässig.
Größter Unterschied zur DIN 4102: Die europäische Norm ist in ihrer Einteilung differenzierter, mit Nebenklassen für die Rauchentwicklung („s“ für smoke) – von s1 für keine Rauchentwicklung bis s3 für unbegrenzte Rauchentwicklung – und das Abtropfverhalten („d“ für droplets) – von d0 für kein Abtropfen/Abfallen bis d3 starkes Abtropfen/Abfallen (Tabelle 1).
95 Prozent der Brandtoten ersticken am Rauch bzw. erliegen einer Rauchvergiftung. Der Vergleich der Baumaterialien nach europäischer Norm ist deshalb sinnvoll.
Die deutsche und die europäische Brandschutzklassifizierung gelten parallel, wobei für Baustoffe, die nach 2001 zugelassen wurden, nur die DIN EN 13501-1 [2] Anwendung findet. Aktuell ist es also noch nicht für alle Bauprodukte Pflicht, eine Klassifizierung nach europäischer Norm zu veröffentlichen.
2. Welche Rolle spielen Abwasserleitungen für den feuersicheren Raumabschluss?
Die Musterbauordnung (MBO) teilt Bauwerke in Gebäudeklassen ein und spezifiziert in § 31 MBO insbesondere bei Gebäuden der Klassen 4 und 5 – das heißt, ab 7 m bzw. 13 m Höhe – klare Anforderungen an den Brandschutz der raumabschließenden Bauteile:
- In Gebäudeklasse 5 müssen die raumabschließenden Bauteile feuerbeständig, in Gebäudeklasse 4 zumindest hochfeuerhemmend ausgelegt sein,
- Gemäß DIN 4102-2 [6] müssen feuerbeständige Bauteile einem Brand 90 Minuten standhalten, hochfeuerhemmende Bauteile 60 Minuten.
Diese Vorgabe hat auch Konsequenzen für Abwasserleitungen und ihre Abschottungen zwischen den Nutzungseinheiten: Gemäß Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) von 2015, Ziffer 4.1, müssen sie die gleiche Feuerwiderstandsfähigkeit aufweisen, um einen sicheren Brandabschluss zu gewährleisten.
3. Warum betrifft die Brandschutz-Ausführung von Flucht- und Rettungswegen auch das SHK-Handwerk?
Gemäß § 14 der Musterbauordnung (MBO) dürfen in Flucht- und Rettungswegen nur geeignete Baustoffe verwendet werden. Da im Gegensatz zu älteren Gebäuden heute kaum mehr Grundleitungen unter der Bodenplatte verlegt werden, sondern aufgrund der einfacheren Wartung Sammelleitungen unter der Kellerdecke üblich sind, müssen SHK-Installateure die Brandlasten der haustechnischen Leitungen berücksichtigen. Abwasserrohre aus Kunststoff sind hier u. a. aufgrund der Rauchentwicklung und des Abtropfverhaltens mit deutlich höheren Auflagen für die Abschottung verbunden als Gussrohre.
4. Sind in einem offenen I90-Installationsschacht Abwasser-Mischinstallationen möglich?
Planer und Installateure benötigen Brandschutzlösungen, die eine sichere und gleichzeitig wirtschaftliche Durchführung von Rohrleitungen durch Bauteile ermöglichen. I90-Installationsschächte sind noch immer typische Konstruktionen in Brandschutzkonzepten, doch bei falschen Ausführungsdetails kann die Haustechnikplanung zu erheblichen Brandschutzmängeln führen.
Insbesondere die Abwasser-Mischinstallation wirft häufig Fragen auf: Nach derzeitigem Stand der Prüfungsordnung des DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) ist ein Materialwechsel zwischen Kunststoff und Guss in offenen I90-Schächten nicht möglich. Selbst eine erfolgreiche Prüfung würde daher nicht zu einer gültigen Zulassung durch das DIBt führen. Sofern keine reine Guss-Installation zum Einsatz kommt, sind deshalb auch im Schacht Deckenabschottungen notwendig. Abschottungen in einem offenen Schacht befinden sich nicht mehr auf Deckenhöhe, sondern es wird die ganze Schachtwand in einer F90-Qualität gebaut. Somit handelt es sich streng genommen immer um eine Schachtwandabschottung. Auch aus diesem Grund können keine bestehenden Lösungen für Abwasser-Mischinstallationen angesetzt werden. In Summe sind Abschottungen bei F90-Schächten immer in der Schachtwand zu platzieren. Deckenabschottungen sind die üblichen Abschottungsprinzipien und diese werden beim F90-Schacht nicht eingesetzt.
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