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Wie kommt das Wasser vom Dach?

Große Flachdächer lassen sich mithilfe der Druckströmung sehr effizient entwässern

Bild 1: Freispiegel entwässerung.

Bild 2: Druckentwässerung.

Tabelle: Dimensionierung von Fallleitungen bei Füllungsgraden 0,33 und 0,70 in Freispiegelanlagen bei Verzügen größer und kleiner 10°.

Bild 3: Verzug von Anschlussleitungen mit unterschiedlichem Gefälle.

Bild 4: Flachdachentwässerung im Normalbetrieb sowie im Extremfall über die Notentwässerung.

Bild 5: Beispiele für Fachdachabläufe, die den „Regenwasserabfluss“ sicherstellen.

Bild 6: Beispiele für Fachdachabläufe, die die „Regenwasserabfluss über Notentwässerung“ bei Druckströmung sicherstellen.

 

Ein Flachdach sieht nur aus, als sei es flach. Tatsächlich weist es ein Gefälle zwischen 2° und 5° auf. Kleine Dächer werden konventionell, also über Freispiegelleitungen, entwässert. Bei großen hingegen greift man auf die Druckentwässerung zurück. Mit ihr sind zahlreiche Vorteile verbunden.

Wasser ist der Physik treu und versucht immer, nach „unten“ zu gelangen. Somit könnte man denken „Wo ist dann das Problem?“. Aber hier geht es um die sichere, schadfreie Regenentwässerung von Flachdächern. Bei diesem Unterfangen gilt es eine Reihe von Normen und Vorschriften zu beachten. Die DIN 1986-100 [1] beschreibt in Verbindung mit DIN EN 752 [2] und DIN 12056 [3] die Regenentwässerung von Gebäuden im Wesentlichen.

Systeme im Überblick Freispiegelsystem oder Druckströmung

Zur Auswahl stehen zwei Systemarten, die als „Freispiegelentwässerung“ und „planmäßig vollgefüllt betriebene Dachentwässerungsanlagen (Druckströmung)“ bezeichnet werden.

Freispiegelentwässerung

Die Freispiegelentwässerung (Bild 1) ist die herkömmlichste Art der Regenentwässerung. Dabei fließt das Regenwasser über Dachabläufe oder -rinnen durch teilgefüllte Leitungen bis in die öffentliche Kanalisation. Das gesamte Rohrleitungssystem ist im Gefälle verlegt. Innerhalb von Gebäuden darf der Füllungsgrad der Regenwasserleitungen nach DIN 1986-100 max. 0,7 (h/d = 0,7) betragen. Dieser Füllungsgrad ist für eine hinreichende Be- und Entlüftung der Leitungen erforderlich.

Druckströmung

Die planmäßig vollgefüllt betriebene Dachentwässerungsanlage arbeitet mit Druckströmung nach dem Schwerkraftprinzip (Bild 2): Regenwasserleitungen werden vollgefüllt und mittels geodätischem Höhenunterschied betrieben. Dabei ist der Höhenunterschied zwischen Dachablauf und Rückstauebene (Übergang auf Teilfüllung) gemeint. Durch die Mindest-Fließgeschwindigkeit von 0,5 m/s und die intermittierende Funktion ist sogar eine Selbstreinigung gegeben. Die DIN 1986-100 fordert für die Druckströmung einen rechnerischen Nachweis, der das Abflussvermögen der jeweiligen Dachabläufe ohne Lufteintrag berücksichtigt. Hinweis: Werden Leitungen im Nachgang geändert, ist eine Nachberechnung vonnöten.

Eine Druckentwässerung unterliegt grundsätzlich diesen Kriterien:

  • Dachabläufe für planmäßig vollgefüllte Regenentwässerungsanlagen müssen vom Hersteller nach DIN EN 1253-2 geprüft sein,
  • Das Abflussvermögen der Dachabläufe ist abhängig von der Druckhöhe und muss vom Hersteller angegeben werden,
  • Einzelwiderstandsbeiwerte der Abläufe müssen ebenfalls vom Hersteller angegeben werden,
  • Eine Druckströmung ist nur oberhalb der Rückstauebene zulässig,
  • Fallstränge: An einen Fallstrang sollten nicht mehr als 5000 m2 Dachfläche angeschlossen werden,
  • Erste Anlaufhöhe: Abstand zwischen Oberkante Dach bis Mitte der Anschlussleitung: mind. 0,4 m (ausgenommen waagerechte Dachabläufe),
  • Dachflächen mit unterschiedlichen Spitzenabflussbeiwert (CS) sollten nicht an einer gemeinsamen Druckströmungsfallleitung angeschlossen werden,
  • Dachflächen mit stark unterschiedlichem Höhenniveau (> 1 m) dürfen nicht über eine Druckströmungsfallleitung entwässert werden,
  • Länge der unterhalb des Daches verlegten Sammelleitung: max. 10 x der Fallleitungslänge,
  • Regenwassermenge pro Ablauf: mind. 1 l/s; die max. Werte sind dem Leistungsdiagramm des jeweiligen Ablaufs zu entnehmen,
  • Tiefpunkte auf dem Flachdach: In jedem Tiefpunkt muss mindestens ein Dachablauf vorgesehen werden,
  • Abstand zwischen zwei Dachabläufen: max. 20 m.

Für eine planmäßig vollgefüllt betriebene Dachentwässerungsanlage ist es von Vorteil, wenn eine Fallleitung nie in der Nähe eines Ablaufes platziert wird. Anschlussleitungen der Abläufe sollten mind. 0,6 m lang sein, bevor diese an eine Sammelleitung anschließt.

Wahl des Systems

Freispiegelentwässerung oder Druckströmung? Generell können beide Systeme für den „Regenwasserabfluss“ (Q) und für den „Regenwasserabfluss über Notentwässerung“ (QNot) zum Einsatz kommen. Doch sind mit der „planmäßig vollgefüllt betriebenen Dachentwässerungsanlagen (Druckströmung)“ gegenüber der „Freispiegelentwässerung“ Vorteile verbunden:

  • Kleinere Rohrdimensionen,
  • Platzsparend im Baukörper,
  • Verlegung ohne Leitungsgefälle,
  • Hohe Fließgeschwindigkeiten: selbstreinigend,
  • Niedrigere notwendige Deckenkonstruktion,
  • Erhebliche Reduzierung des Grundleitungssystems, weniger Erdarbeiten,
  • Kleinere Rohrdimensionen somit Einsparung von Schwitzwasserisolierung.
  • Auch „planmäßig vollgefüllt betriebene Dachentwässerungsanlagen (Druckströmung)“ sind Grenzen gesetzt. Daher haben Freispiegelentwässerungsanlagen ihre Daseinsberechtigung, wenn diese Fakten vorliegen:
  • Bei kleinen Dachflächen und folglich kleinen Wassermengen,
  • Bei Dachflächen mit starker Begrünung (ab CS = 0,4 oder kleiner),
  • Bei Dachflächen, die bis zum Kanalanschluss oder bis zum Leitungsende einen Höhenunterschied von kleiner 3 m aufweisen.

Tipp: Horizontale, kurze Verzüge mit einem Winkel von größer 10° dürfen nach DIN 1986-100 als Fallleitung mit einem Füllungsgrad von f = 0,33 bemessen werden. Damit kann eine Fallleitung deutlich verkleinert werden (Bild 3, Tabelle).

Regenwasserabflussarten

Es wird zwischen zwei Regenwasserabflussarten unterschieden:

  • Regenwasserabfluss (Q),
  • Regenwasserabfluss über Notentwässerung (QNot)

Wenn bei Starkregenereignissen das Hauptentwässerungssystem an seine Grenzen stößt, sorgen Notabläufe und Notüberläufe für die sichere Ableitung der Regenmassen (Bild 4). Der „Regenwasserabfluss über Notentwässerung“ (QNot) ergibt sich aus der Diff erenz zwischen Jahrhundertregen und dem maximalen Abflussvermögen (Q) des Systems. In Ausnahmefällen wird sogar bei Gebäuden, die einen außergewöhnliche Schutz benötigen, auch die gesamte Jahrhundertregen-Wassermenge angesetzt, um die Leitung für den „Regenwasserabfluss über Notentwässerung“ zu dimensionieren.

Der Regenwasserabfluss (Q) wird über diesen Weg berechnet:

Der Regenwasserabfluss über die Notentwässerung (QNot) mithilfe dieser Formel:

Dabei gilt:
r(D,T) = Berechnungsregenspenden in (l/(s · ha). Diese wird unter Berücksichtigung der Niederschlagsdauer (D = 5) und Jährlichkeit (T), des Wiederkehrintervalls des Bemessungsregens ermittelt. Bei der Ermittlung dieser hier genannten Regenwasserabflussarten ist die maßgebende Niederschlagsdauer von 5 Minuten für Dachflächen relevant. – r5,5 = 5-min, 5-jährliche Wiederkehr – r5,100 = 5-min, 100-jährliche Wiederkehr wird auch als Jahrhundertregen bezeichnet Diese beiden Werte der Berechnungsregenspenden sind idealerweise aus KOSTRADWD-2010R heranzuziehen. Dort werden sie nach Postleitzahlengebieten ausgewiesen.

CS = Spitzenabflussbeiwert zur Bemessung der Dachentwässerung und Grundleitung. Er beschreibt die Dachgegebenheiten und hat keine Einheit, z.B.: CS = 1 für Foliendächer oder CS = 0,8 für ein Dach mit Kies.

A = Dachfläche (die zu entwässernde Dachfläche) in m2. Es ist die projizierte Dachfläche heranzuziehen; ggf. sind vorgelagerte aufgehende Wände ebenfalls zu berücksichtigen.

Wohin mit dem Wasser?

Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten. Meist wird der „Regenwasserabfluss“ in die Kanalisation abgeleitet wird. Der „Regenwasserabfluss aus Notenwässerung“ darf laut DIN 1986-100 „nicht an die Entwässerungsanlage angeschlossen werden, sondern muss mit freiem Auslauf auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen entwässert werden.“

Es sind in diesem Zusammenhang auch andere Kriterien abzuwägen, z. B.:

  • dezentrale Regenwasserbewirtschaftung zur Speicherung, Nutzung oder Versickerung von Regenwasser oder die Einleitung in oberirdische Gewässer,
  • Einleitung in die öff entliche Kanalisation mit evtl. Regenrückhaltung und Drosselung,
  • Sicherheit des Gebäudes und Grundstückes gegen Überflutung,
  • mit Überschreitung der Berechnungsregenspende muss mit Überflutung bzw. Überlastung der Regenentwässerungsanlage gerechnet werden, die hier nicht genauer betrachtet werden.

Fazit

Die Dachentwässerung mit Druckströmung ist ein System, das in Deutschland bereits seit etwa 40 Jahren mit Erfolg eingesetzt wird. Ihre Vorteile wurden hier erwähnt. Aber auch die Freispiegelentwässerung hat ihre Berechtigung, z. B. bei kleinen Dachflächen oder Satteldächer – und in den Fällen in denen das Drucksystem an seine physikalischen Grenzen stößt.

Literatur:
[1] DIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke; Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056
[2] DIN EN 752: Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden - Kanalmanagement
[3] DIN EN 12056: Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden

Autor:
Markus Purschke, Leiter PAMcademy bei Saint-Gobain HES

Bilder:
Saint-Gobain HES

www.saint-gobain-hes.de

www.pamglobal.de

 


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