Sorgenfalten trotz voller Auftragsbücher
Lange Lieferzeiten und Preissteigerungen bereiten SHK-Fachbetrieben derzeit Kopfzerbrechen
Handwerksbetriebe sehen sich zurzeit mit massiven Lieferengpässen und hohen Preissteigerungen konfrontiert. Kupferrohre und -fittings, Warmwasserspeicher, Dämmmaterialien und selbst KG-Rohre sind entweder kaum lieferbar oder deutlich teurer als noch vor wenigen Monaten. Wie denkt das Handwerk darüber, und was sagt die Industrie? Wir haben nachgefragt.
„Wir reden hier nicht über 5 oder 10 %. Teilweise 20 bis 30 % Aufschlag werden gefordert. Damit ist jede Marge bei einem Auft rag weg“, ärgert sich der Chef eines mittelgroßen SHK-Betriebs in NRW. Ein anderer sagt uns, dass XPS-Platten kaum erhältlich seien. „Selbst wenn du Geld hast, bekommst du die nicht.“ Diese Aussage mag überspitzt sein, sie zeigt aber die insgesamt schwierige Situation in Sachen Materialbeschaffung auf.
„Bei Kupferfittings lagen die Preiserhöhungen durchschnittlich zwischen drei bis vier Prozent im Jahr. Nun sind es jetzt bereits im ersten Halbjahr knapp 14 %. Diese Situation ist bei vielen Produkten zu verzeichnen“, ärgert sich ein anderer Betriebsinhaber. Und ein weiterer Unternehmer berichtet von langen Lieferzeiten bei Heizkörpern. Betrug die Lieferzeit üblicherweise zwei bis drei Wochen, so seien es aktuell sechs bis acht.
Lange Lieferzeiten gäbe es bei einigen Herstellern auch bei Warmwasser-Speichern, Wärmepumpen oder Heizungspuffern, so die Erfahrung der von uns befragten Handwerksunternehmen. Selbst 50-Liter-Ausdehnungsgefäße seien mitunter nicht lieferbar.
Eine folgenschwere Situation. Denn knappe Güter verteuern sich bekanntlich. Die Preiserhöhungen treffen vor allem die Betriebe, die im Objektgeschäft mit langen Projektlaufzeiten tätig sind. Unter Umständen gehen von der Auft ragsvergabe bis zum Baubeginn gleich mehrere Preiserhöhungen ins Land. Hat man hier nicht vorgesorgt, lässt sich das kaum auffangen. Lange Lieferzeiten bei Produkten oder Komponenten führen darüber hinaus zu Störungen im Bauablauf. Und unfertige Baustellen lassen sich bekanntlich nicht abrechnen.
Dass Waren nicht verfügbar sein sollen, wollte zumindest die GC-Gruppe auf unsere Anfrage hin nicht bestätigen. Vielmehr sei man, so ein Sprecher, „vollumfänglich lieferfähig“ und setze alles daran, für „Planungssicherheit bei den Kunden zu sorgen“. Die Lieferanten in den verschiedenen Produktgruppen gingen sehr unterschiedlich mit der Situation um. Man stehe deshalb vor der Aufgabe, „in dieser sehr unübersichtlichen Gemengelage und vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklungen Lösungen zu entwickeln.“ Ausführlicher wollte die Großhandelsgruppe auf unsere Anfrage nicht eingehen.
Inwieweit dieses Bekenntnis im Sinne des Handwerks umgesetzt wird, bleibt jedoch abzuwarten. Aktuell scheint jedenfalls mächtig Druck im SHK-Kessel zu sein.
Branche fühlt sich alleingelassen
„Preiserhöhungen sind zwar generell nachvollziehbar. Das heißt aber auch, wir alle müssen erforderliche Preissteigerungen an den Kunden weiterreichen können. Und dabei fühlen wir uns gerade allein gelassen“, sagt ZVSHK-Präsidenten Michael Hilpert. Verlässlichkeit in der Marktpartnerschaft sehe anders aus. „Völlig egal, worin die Gründe für die teils massiven Preissteigerungen liegen. Dass Hersteller und Großhandel sich hier kalt lächelnd zurücklehnen und im Zweifel das SHK-Handwerk die Suppe auslöffeln lassen, empfinde ich als offenen Affront.“
Die „außer Kontrolle geratene Preisspirale“ beschert aus Sicht des ZVSHK-Präsidenten der Branche zudem einen wachsenden Vertrauensverlust beim Endkunden. Er appelliert deshalb an Hersteller und Handel, die Preiserhöhungen „verträglich“ weiterzugeben und die Gründe dafür transparent zu machen. „Massive und überraschende Preissprünge können wir eben nicht an unsere Kunden weiterreichen. Wir sind die Gelackmeierten.“
Den Handwerksbetrieben empfiehlt er, die Angebote zu befristen oder sie zumindest mit einem Preissteigerungsvorbehalt zu versehen. Für Innungsbetriebe steht ein Merkblatt des ZVSHK mit Hinweisen und Tipps zum Download bereit.
Schwierige Lage für die Hersteller
Der Ärger im Handwerk ist nachvollziehbar. Doch auch die Industrie steht mächtig unter Druck. Beispielhaft zeigt Volker Mauel, Chief Security Officer (CSO) bei Reflex Winkelmann, die aktuellen Herausforderungen auf. Das Unternehmen produziert in mehreren Ländern Europas und ist wie die meisten Hersteller von funktionierenden Lieferketten abhängig. Er schreibt auf unsere Anfrage: „Bedingt durch die Corona-Pandemie haben die Stahlproduzenten im vergangenen Jahr, nach den abrupt sinkenden Aufträgen aus der Automobilindustrie, ihre Kapazitäten und damit ihre Angebotsmengen deutlich reduziert. Die ab Sommer 2020 steigende Marktnachfrage nach Stahl führte bereits im letzten Quartal des vergangenen Jahres zu einer angespannten Liefersituation der Stahlwerke, was seitdem die Stahlpreise auch für uns in ungewohnte Höhen schnellen lässt. Darüber hinaus sehen wir auch bei vielen weiteren in unseren Fertigungen verwendeten Rohstoffen, wie z. B. Kunststoffen, Membranen, PU-Schaum (für Speicherisolierungen), Messing, Kartonagen, etc. Herausforderungen in der Beschaffung aufgrund eingeschränkter Marktverfügbarkeiten sowie auch deutlicher Preiserhöhungen.“
Die bekannten Probleme im Bereich des Logistiksektors kämen erschwerend hinzu. Vor diesem Hintergrund sei man gezwungen gewesen, zum April 2021 einen Teuerungszuschlag von 5 % zu erheben. Aktuell zeichne sich noch keine Besserung, sondern eine weitere Anspannung der Lage ab.
„Die Situation ist insgesamt sehr kompliziert“, sagt Frank Jahns, Geschäftsführer Vertrieb Deutschland bei Stiebel Eltron, und warnt: „Wir müssen als Branche aufpassen, dass wir nicht zu viel über eine Verknappung von Materialien und Produkten sprechen – denn das führt dazu, dass sich immer mehr Beteiligte in der gesamten Warenwirtschaftskette vorsorglich bevorraten, was wiederum zu einer noch stärkeren Verknappung führt. Richtig ist allerdings, dass weltweit Vormaterialien, die in vielen Branchen benötigt werden, teilweise drastisch teurer wurden – Elektronikkomponenten wie Halbleiter beispielsweise kosten aktuell über das Zehnfache des üblichen Preises.“ Auch Feinbleche, Kunststoffe und Dämmmaterial seien um ein Vielfaches im Preis gestiegen und nur mit langen Lieferzeiten zu bekommen.
Jahns weist darauf hin, dass man die Preise für die Systemtechnik – also Produkte aus den Bereichen Wärmepumpe, Lüftung und Speicher – nicht angehoben habe. „Die Verteuerungen bei einigen Materialien und Komponenten tragen wir hier komplett.“ Im Wärmepumpenbereich liege die Lieferzeit aktuell bei maximal drei Wochen, das sei durchaus im Rahmen.
Bei Durchlauferhitzern und Kleinspeichern habe man aufgrund der Mehrkosten für die Komponenten einen Teil der Mehrkosten moderat weitergegeben. „Wir haben einen Teuerungszuschlag im sehr moderaten niedrigen einstelligen Prozentbereich frühzeitig an unsere Partner im Großhandel kommuniziert. Aktuell erleben wir auch daraus resultierend Vorzieheffekt
Viele Großhändler decken sich mit deutlich höheren Produktmengen ein als normal, ohne dass die Nachfrage aus dem Markt im gleichen Umfang steigt.“
Die Beschaffung von Bauteilen stellte in den vergangenen Monaten auch den Hersteller Technische Alternative vor Probleme. „Kurzfristige Lieferverzögerungen konnten größtenteils über alternative Bezugsquellen ausgeglichen werden. Allerdings mussten teilweise Mehrkosten von 30 bis hin zu 300 % bei manchen Bauteilen hingenommen werden“, berichtet das Unternehmen. Laut Geschäftsführer Andreas Schneider hat man sich dazu entschieden, trotz der schwierigen Situation am Beschaffungsmarkt die Listenpreise nicht zu erhöhen: „Wir wissen, dass eine Preiserhöhung im laufenden Geschäftsjahr für unsere Kunden viel Aufwand und auch Ärger bedeutet. Das wollen wir ihnen in der ohnehin schwierigen Situation ersparen.“
Der Kunststoffrohrverband (KRV) beobachtet ebenfalls eine stark eingeschränkte Verfügbarbarkeit von Rohstoffen und Rohrwerkstoffen und signifikante Preissteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette bei PE, PP und PVC. Da die Verwendung von Recyclingmaterialien für Kunststoffrohranwendungen nur begrenzt möglich sei, könnten die Preissteigerungen nicht durch das Ausweichen auf Alternativmaterialien wie Rezyklaten abgefedert werden, heißt es.
Andere Gewerke, gleiche Sorgen
Zunehmende Lieferengpässe und deutliche Preissteigerungen treffen erwartungsgemäß nicht nur den Bereich Sanitär Heizung Klima. Und so zeichnet auch der Verband der Elektrohandwerke (ZVEH) ein düsteres Bild: „Halten die Engpässe an, droht den elektrohandwerklichen Unternehmen unter Umständen Kurzarbeit.“
Ein anderes Beispiel für Materialverknappungen und stark gestiegene Preisen findet sich beim Holz. So führen der hohe Bedarf an Rundholz in China und an wertvollem Schnittholz in den USA aktuell zu prekären Lieferengpässen bei den heimischen Holzbau-Betrieben. „Der Rohstoff Holz ist mittlerweile eine wertvolle und weltweit begehrte Handelsware, das wird uns derzeit schmerzlich bewusst“, sagt der Präsident von Holzbau BW, Gerd Renz. Corona-bedingte Werksschließungen in Ländern, die viele Baustoffe produzieren, machten sich bemerkbar, berichtet der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Markus Böll.
Entspannung ist nicht in Sicht
Angesichts weiterhin hoher Materialpreise für Stahl, Kupfer, Holz und andere Baustoffe dürft e eine Entspannung der Lage auf sich warten lassen, zumal Hersteller hierzulande und im benachbarten Ausland aufgrund der Pandemie einerseits sowie Lieferschwierigkeiten ihrer Zulieferer andererseits nur eingeschränkt produzieren können. Der vielfach zitierte „Flaschenhals Handwerk“ wird durch die aktuellen Beschaffungsprobleme ein stückweit enger – wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht?