Der Klimawandel als unterschätzter Risikofaktor für die Trinkwasserhygiene
Kaltwasserzirkulation als aktive Maßnahme zur Temperaturhaltung
Das Jahr 2020 war das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. War es ein Ausreißer? Nein, denn neun der zehn wärmsten Jahre in Deutschland fallen in das 21. Jahrhundert. Diese Tatsache zeigt uns, dass zukünftig extreme Wetterereignisse, wie zum Beispiel Hitzewellen oder Dürren, häufiger auftreten werden. Aber warum beeinflusst der Klimawandel auch die Trinkwasserhygiene in unseren Gebäuden?
Grundlagen der Trinkwasserhygiene
Das Risiko des Wachstums und der Vermehrung von Legionellen in Trinkwasserinstallationen von Gebäuden wurde in der Vergangenheit in erster Linie im Trinkwasser Warm – besonders Trinkwassererwärmer und zugehörigen Warmwasser- bzw. Zirkulationsleitungen – gesehen. Die Trinkwasserverordnung regelte daher im §14 die gesetzliche Untersuchungspflicht auf Legionellen nur für Großanlagen zur Trinkwassererwärmung. Publikationen spätestens ab Mitte 2010 machen aber deutlich, dass erhebliche Kontaminationen mit Legionellen auch im kalten Trinkwasser (PWC) erwartet werden müssen. Und das kommt nicht von ungefähr.
Einfluss innerer Wärmelasten
In Installationsbereichen beispielsweise sorgen neben warmgehenden Leitungen der Sanitär und Heizungstechnik weitere Wärmequellen – etwa aus der Elektro- und Klimatechnik – für Lufttemperaturen, die erfahrungsgemäß deutlich höher liegen als 25 °C. Der Wasserinhalt einer hier installierten kalten Trinkwasserleitung würde selbst bei hochwertiger Dämmung gemäß DIN 1988200 in einer kurzen Stagnationsphase bis auf Umgebungstemperatur erwärmt werden. Um Temperaturen des kalten Trinkwassers ‹ 25 °C zu vermeiden, müssen in einem ersten Schritt die bisher üblichen Installationsgewohnheiten unter der Zielsetzung einer konsequenten thermischen Entkopplung der kalten Trinkwasserleitungen von Wärmequellen grundlegend verändert werden. Mit planerischen Maßnahmen muss dabei die Wärmeübertragung von Wärmequellen auf Kaltwasserleitungen reduziert bzw. unterbrochen werden. Dies lässt sich jedoch nicht immer ohne Weiteres realisieren, wie z. B. bei horizontalen Verteilungskonzepten in temperaturkritischen Zwischendecken. Hier kann bei zu geringem Wasserverbrauch die, vom kalten Trinkwasser aufgenommene Umgebungswärme nicht mehr abgeführt werden – die Temperatur des kalten Trinkwassers steigt bis auf Umgebungslufttemperatur an.
Einfluss äußerer Wärmelasten
Häufig wird vernachlässigt, dass neben den zuvor aufgeführten inneren Wärmelasten auch äußere Wärmelasten einen erheblichen Einfluss auf die Erwärmung des kalten Trinkwassers haben können. Und hier nimmt der Klimawandel Einfluss. Äußere Wärmelasten treten in den Wintermonaten nicht auf, da die Raumlufttemperaturen in der Regel höher sind als die Außenlufttemperaturen. In den Sommermonaten kehren sich die Verhältnisse um. In nicht klimatisierten Gebäuden nähern sich dadurch in den Sommermonaten auch die Lufttemperaturen in den Installationsräumen den jeweils vorherrschenden Außenlufttemperaturen an. Daraus lässt sich ableiten, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers eher in den Sommermonaten kritische Grenzen erreicht und auch überschreitet als in den Wintermonaten.
Alle vorbeschriebenen passiven Maßnahmen zur thermischen Entkopplung, die im Winter wirksam sind, verlieren in den Sommermonaten weitgehend an Bedeutung. Eine unzulässige Temperaturerhöhung des kalten Trinkwassers im Winter und im Sommer über eine vorgegebene Temperatur (z. B. 25 °C) kann daher nur mit einem aktiven Prozess, z. B. durch temperaturgeführtes Spülen oder durch eine aktive Kühlung verhindert werden. Eine Big Data Analyse von Messwerten aus in Betrieb befindlichen Anlagen bestätigen diese These.
Die Auswirkung der Außenluft- und Bodentemperaturen auf die Spülvolumina eines nicht klimatisierten Krankenhauses zeigt ein Beispiel aus der Praxis (Bild 1).
In dem Gebäude löst ein System bei dem Überschreiten einer Kaltwassertemperatur von 24 °C automatisch einen Spülvorgang aus, der mit Erreichen von 20 °C beendet wird. Mit dieser Maßnahme wird das Ziel verfolgt, die Temperatur des Kaltwassers unter den vorgeschriebenen 25 °C zu halten. In den Wintermonaten wird die Auslösetemperatur nur selten erreicht. Das spiegelt sich in den fehlenden Spülprozessen zur Temperaturhaltung wider. Sobald sich die Außenlufttemperaturen in den Sommermonaten erhöhen, sorgen die äußeren Wärmelasten für einen deutlichen Anstieg der Umgebungslufttemperaturen im Gebäude. Mit den steigenden Außenlufttemperaturen steigt zusätzlich die Bodentemperatur, die maßgeblich die Hauseintrittstemperatur des Trinkwassers beeinflusst. Die hohen Temperaturen sind ursächlich für den massiven Anstieg der Spülvolumina auf bis zu 16 000 l/Tag.
Neben Hitzewellen und ihren oben beschriebenen Auswirkungen sorgt der Klimawandel für ein weiteres Problem: Wasserknappheit. (Bild 2).
Dr. Thomas Deutschländer, Leiter des Bereichs Klimaanalyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD) führte auf der virtuellen Klimapressekonferenz des DWD am 9. März 2021 dazu aus: „Das vergangene Jahr war mit einer Niederschlagsmenge von 705 l/m2 im Flächenmittel für Deutschland 10,6 % zu trocken. Besonders niederschlagsarm war das Frühjahr mit einem Defizit von 43 %. So lag die nutzbare Feldkapazität – oft auch Bodenwasservorrat genannt – im April mit rund 68 % markant unter dem vieljährigen Mittel von etwa 87 %.“
Unter dem Aspekt der Wasserknappheit stellt sich die Frage, ob Spülmaßnahmen zur Temperaturhaltung des kalten Trinkwassers in den Sommermonaten noch ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind und ob die notwendigen Volumina zukünftig überhaupt noch zur Verfügung stehen werden. Zur Beantwortung wurden Simulationsrechnungen aufgestellt, die zeigen, dass kurze, intensive Spülmaßnahmen, die dem reinen Wasseraustausch dienen, zur dauerhaften Absenkung der Temperaturen in Stockwerks/ Ringleitungen weniger geeignet sind. Denn die Wassertemperatur steigt nach einem Spülvorgang innerhalb von weniger als 2 Stunden wieder auf Umgebungslufttemperatur an (Bild 3).
Idealerweise muss der Spülvolumenstrom bei einer vorgegebenen Sollwerttemperatur für das kalte Trinkwasser genau die Wärmemenge abführen, die über die Oberfläche der Rohrleitung aufgenommen wird. Das bedeutet, dass die Abfuhr der entsprechenden Wärme nur dann effektiv erreicht werden kann, wenn mit sehr geringen Volumenströmen bei niedrigen Hauseintrittstemperaturen über einen längeren Zeitraum gespült wird.
Das Ergebnis legt auch dar, dass dezentral durchgeführte Spülmaßnahmen mit automatisch auslösenden Entnahmearmaturen oder Spülkästen mit Hygienspülfunktion zur dauerhaften Absenkung der Temperaturen in Stockwerks- und Verteilleitungen problematisch sind. Denn die Häufigkeit der Spülungen würde zu einer massiven Störung des Endnutzers führen. Bei solchen Gegebenheiten kann eine aktive Kühlung des Trinkwassers im Kreislauf die Einhaltung der geforderten Temperaturen zu jedem Zeitpunkt und zu jeder Jahreszeit sicherstellen.
Aktive Maßnahmen zur Temperaturhaltung im Kaltwasser
Der Aufbau einer Kaltwasser-Zirkulation ähnelt dem Aufbau einer Warmwasserzirkulation. Über einen Kaltwasserkühler wird dem erwärmten Kaltwasser die Wärme entzogen und abgeführt. Spezielle Zirkulationsregulierventile sorgen für den hydraulischen Abgleich mehrerer Zirkulationssysteme (Bild 4).
Anders als in Warmwasser- und Zirkulationssystemen ist auf Grund der geringen Temperaturdifferenzen zwischen der Umgebungsluft und dem kalten Trinkwasser der Wärmeeintrag – und damit auch die Leistung des erforderlichen Kälteaggregates – relativ gering. Aus diesem Grund sind auch die zur Temperaturhaltung erforderlichen Volumenströme in Kaltwasser-Zirkulationssystemen eher gering und die Zirkulationsregulierventile weisen andere KV-Bereiche auf. Um bei länger andauerndem Zirkulationsbetrieb ohne Wasserentnahme der Aufkonzentration der Wasserinhaltsstoffe entgegenzuwirken, weisen die Ventile zusätzliche Spülfunktionen auf, um gezielt Wasserwechselmaßnahmen zur Stagnationsvermeidung durchzuführen.
Fazit
Zukünftig muss in den Sommermonaten mit Wassereintrittstemperaturen in das Gebäude › 20 °C und Raumlufttemperaturen › 25 °C gerechnet werden, die für einen längerfristigen Anstieg der Temperatur des kalten Trinkwassers über 25 °C sorgen. Damit eine vorgegebene Temperaturgrenze für das kalte Trinkwasser zu jedem Zeitpunkt vom Betreiber eingehalten werden kann, bedarf es eines aktiven Prozesses. Da auch manuell ausgelöste oder temperaturgeführte Spülprozesse limitiert sind, empfiehlt sich als leistungsfähige und kostengünstige Alternative zur automatischen Temperaturhaltung die Kühlung des kalten Trinkwassers. Mit der definierten Durchströmung aller Leitungsteile im Kemper Hygiene System (KHS) kann zu jeder Zeit – auch in den Sommermonaten – eine vorgegebene Temperatur des kalten Trinkwassers (z. B. ‹ 20 °C) vor jedem Armaturenanschluss sichergestellt werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen zur Temperaturhaltung entstehen. Gemeinsam mit der Zirkulation des Warmwassers bis unmittelbar vor die Entnahmestellen kann eine durch die Trinkwasserhygiene geforderte Temperaturhaltung sowohl im kalten als auch im erwärmten Trinkwasser sichergestellt werden.
Autoren:
Timo Kirchhoff M. Eng.,
Prof. Dr. Lars Rickmann,
Prof. Bernd Rickmann,
Prof. Dr. Ca
Bilder: Kemper