Start-ups vernetzen lernende Gebäude
Junge Technologieunternehmen können die Bauwirtschaft voranbringen — Messe digitalBAU 2022
In der Immobilie der Zukunft wird die Gebäudetechnik anhand von Nutzungsdaten auf Basis von Wahrscheinlichkeiten geregelt. Unter anderem entwickeln Start-ups die Software. Einige sind als Mitglied in einem Aachener Wirtschaftsverein kommenden Februar auf der Messe in Köln.
Die Immobilie der Zukunft ist ein lernendes Gebäude, sind die Verantwortlichen im Verein AACHEN BUILDING EXPERTS (ABE) überzeugt. Das 2016 gegründete Kompetenznetzwerk für innovatives Bauen unterstützt nach eigenen Angaben die Digitalisierung in Bauwesen, Architektur und Gebäudetechnik. Inhaltliche Schwerpunkte sind Smart Building, Building Information Modeling (BIM), sowie Materialien und Prozesse, z. B. ressourceneffizientes und kreislaufgerechtes Bauen und Textiles Bauen. Eines der Ziele ist auch, Studierende anzusprechen, daher sind beide Aachener Hochschulen, RWTH und FH, neben IHK und Handwerkskammer Mitglied im Verein. Grundsätzlich steht der Verein auch Mitgliedern außerhalb der Region offen. „Vor allem werden Start-ups miteinander und mit etablierten Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche vernetzt und deren Kollaboration gefördert“, betont ABE-Geschäftsführer Goar T. Werner. Ganzheitliche digitale Lösungen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks hinweg würden immer wichtiger. Produktivität und Effizienz, Nutzungsmöglichkeiten und Nachhaltigkeit seien die Wertversprechen dieser neuen Klasse von Immobilien. Am Markt gebe es bereits viele technische Innovationen, jedoch seien sie meist Insellösungen und nur selten kompatibel. Startups, die hier Lösungen anbieten, würden immer wichtiger. Dabei seien sie es, die dazu beitragen würden, dass die Mehrwerte von intelligenten Gebäuden gehoben werden könnten, so Werner.
Start-ups, die Lösungen für die Gebäude- und Immobilienbranche entwickeln, werden seitens der Investoren als PropTechs (für „Property Technology“, Technologien für Immobilieneigentum) bezeichnet. Es sind junge Unternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern, ihre Unternehmenskultur entspricht nicht der in etablierten mittelständischen Unternehmen, daher die Verzahnung über den Verein. Die Lösungen jedoch, die sie anbieten, können innovativ sein und den Markt voranbringen. Im Bereich der Gebäudeausrüstung können diese bei der Hardware oder der Software ansetzen.
Netzwerk für Komplettlösung
In diesem Zusammenhang verweisen die ABE auf ein Gebäude in Hamburg, den „Hammerbrooklyn.DigitalPavillon“ (Kurzlink zur Webseite: bit.ly/3Hsiy63). Der ehemalige Pavillon der USA auf der Weltausstellung EXPO 2015 in Mailand wurde im Stadtteil Hammerbrook zwischen Hafencity, Deichtorhallen und Großmarkt wiederaufgebaut und Anfang 2021 als Teil des zukünftigen Hammerbrooklyn.DigitalCampus eröffnet. Derzeit trägt es den Titel „intelligentestes Gebäude der Welt“, der zuvor bereits „The Edge“ in Amsterdam oder „The Cube“ in Berlin zugesprochen worden war. WiredScore, ein Zertifizierungsunternehmen für digitale Gebäudekonnektivität, vergibt diese Auszeichnungen. Die Realisierung des Digital. Pavillon wäre ohne die Zusammenarbeit von komplementären digitalen Start-ups nicht denkbar, betont ABE. Die PropTechs aedifion GmbH, wtec GmbH und Pinestack hätten die digitale Ausstattung als Komplettlösung geliefert. Einige von ihnen hätten Auszeichnungen erhalten, auch von ABE, und seien im Zuge dessen bei ABE-Veranstaltungen aufeinander aufmerksam geworden.
Im Hammerbrooklyn.DigitalPavillon sind nach Aussage der ABE alle technischen Komponenten des Gebäudes und die Daten aus den Anlagen und der Sensorik über eine Cloud-Plattform vernetzt. Diese betreibt die aedifion GmbH aus Köln. Mehr als 10 000 Datenpunkte der Gebäudeautomation werden ausgelesen und auf der Plattform gespeichert, weiterverarbeitet und analysiert. Auch die Gebäudetechnik wird dort zentral geregelt. Herstellerübergreifend lassen sich Werkzeuge zum Monitoring, zur ingenieurtechnischen Analyse und cloudbasierten Regelung einsetzen. Auf diese Weise würden Optimierungspotenziale oder eventuelle Ineffizienzen aufgedeckt, der so optimierte Betrieb spare bis zu 60 % Energie im Vergleich zu anderen modernen Gebäuden.
Eine weitere innovative Technologie ist „smartengine“, eine Infrastruktur für Gebäudeintelligenz und Lichtsteuerung. Herstellerneutrale LED-Leuchten werden über Standard-Netzwerkkabel mit Gleichstrom versorgt, wodurch die Notwendigkeit von LED-Treibern entfällt. Zugleich werden über eine offene API und BAC-Net/IP Stack die Daten multifunktionaler Sensoren an die Cloud-Plattform geleitet. So sind Verbrauchs- und Nutzungsdaten verfügbar, die unter anderem zur optimierten Steuerung von Licht, Heizung, Klimatisierung und Lüftung verwendet werden. Realisiert wurde smartengine im Digital-Pavillon durch das Start-up wtec GmbH, an dem seit einigen Monaten übrigens trilux beteiligt ist. Nach Angaben von wtec reduziert die Technologie die Verbräuche und kann Einsparungen von bis zu 30 % erzielen. Die Technologie sei bislang in über 500 Projekten, auf über 1,5 Mio. m2 ausgebauter Fläche, installiert worden.
Nicht zuletzt erfolgt auch die Interaktion der Nutzer mit dem Gebäude digital. Pinestack hat eine Smart-Building-App programmiert, mit der Berechtigte Funktionen wie den Zutritt zum Gebäude, die Aufzüge, Temperatur, Verschattung und Lüftung in den Räumen steuern können. Zudem lassen sich über die App Räume buchen oder Gastronomieangebote anzeigen.
Test der Komponenten
Das Beispiel Hammerbrooklyn.DigitalPavillon verdeutliche, so ABE, dass digitale Lösungen in Gebäuden ein gut eingespieltes Netzwerk erforderten. Zu diesem gehört im Fall des DigitalPavillon auch der Bauherr selbst, der Projektentwickler Art-Invest Real Estate (AIRE). Dieses Unternehmen betreibt in einer realen Büroumgebung ein Smart Lab und testet hier die Kompatibilität von Komponenten, die später als Gesamtsystem funktionieren sollen. Auch die digitale Ausstattung des DigitalPavillons habe das Smart Lab durchlaufen, so ABE. Gerade diese Vorab-Tests seien geeignet, bei Bauherren und Investoren Bedenken hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Startups zu zerstreuen.
Messe digitalBAU 2022
Die digitalBAU ist ein neues Messeformat für die Baubranche, eine Plattform für Software-Unternehmen und Industrie. 2020 wurde sie von der Messe München in Kooperation mit dem Bundesverband Bausoftware (BVBS) im Messezentrum in Köln erstmals durchgeführt. 270 Aussteller und mehr als 10 000 Besucher nahmen teil. Pandemiebedingt wurde sie von Mitte Februar dieses Jahres verschoben auf 31. Mai bis 2. Juni (IKZ berichtete). Begleitend finden in den Hallen fünf Foren statt, zudem stehe das Netzwerken noch stärker im Fokus, so die Messe München als Veranstalter. Mit einem eigenen Forum dabei ist auch ein Partner der Messe, der Bauverlag aus Gütersloh. Hier beleuchtet u. a. das Architekturbüro HPP das Thema „Modulares Planen und Bauen in der Praxis“. Bei dieser Veranstaltung gehe es um Digitalisierung auf allen Ebenen, im Handwerk, in der Planung, und um BIM, auch in den Kommunen.
Auch die AACHEN BUILDING EXPERTS sind offizieller Partner der digital-BAU, der Verein ist mit ausgewählten Mitgliedern auf einem Messestand vertreten.