Ausgabe 7/2000, Seite 3


Aktuell


Auch das Gedächtnis muss geschult werden

Das Gedächtnis hat die Fähigkeit, Kenntnisse, Daten, Zahlen, Regeln, Namen, Formeln u.a. zu speichern. Dies spielt im Beruf und in Prüfungen eine entscheidende Rolle. Denn das Gehirn befähigt, das Erlernte ins Bewusstsein zurückzurufen.

Das Gedächtnis entscheidet mit über den Ausbildungserfolg. Manche Menschen können sich sehr gut Lernstoff merken, andere dagegen nicht. Gibt es Unterschiede in der Erbanlage? Entscheiden also die Gene darüber, ob wir etwas gut behalten können oder nicht? Die Gedächtnisforschung widerlegt diese These. Danach ist der Unterschied im menschlichen Gedächtnis nicht in der Erbanlage, sondern mehr in der Schulung und richtigen Anwendung des Gedächtnisses zu sehen.

Je nach dem, wie wir uns am effektivsten einen Lernstoff einprägen können, unterscheidet man:

Sehtypen: Gehören wir zu dieser Gruppe, können wir uns Gesehenes und Gelesenes lange und klar behalten.

Hörtypen: Diese Gruppe kann sich Gehörtes besser merken als z.B. Gelesenes. Beispiel: Ein Klassenkamerad erklärt uns die Gasgesetze.

Bewegungstypen: Gehören wir zu den Bewegungstypen, haben wir eine besondere Antenne für Erlebtes, Erprobtes, Erschaffenes.

Schließlich gibt es noch Personen mit spezifischen Merkfähigkeiten für z.B. Geburtstage, Telefonnummern, Namen, Menschen u.a.

Kann man das Gedächtnis trainieren?

Wie Tests beweisen, kann jeder Mensch sein Gedächtnis trainieren und damit verbessern. Denn es kommt hier vielmehr auf die Schulung und auf kluges Verhalten an als auf Veranlagung und Erbanlage. Es gibt Gesetzmäßigkeiten im Lernverhalten, die das Gedächtnis stützen. Halten wir uns daran, fällt es uns leichter, Lernstoff dauerhaft einzuprägen.

1. Gründliches Erfassen des Lehrstoffs

Wie die Erfahrung zeigt, ist die Aufnahmefähigkeit dann am besten, wenn der Lehrstoff gut strukturiert ist, richtig erfasst und voll verstanden wird. Was nur verschwommen aufgenommen wird, verblasst in der Erinnerung und ist bald ganz vergessen.

2. Konzentration

Eine wichtige Voraussetzung ist die strenge Konzentration auf den Lernvorgang. Ablenkungen sind Gift im Lernprozess und behindern je nach ihrer Stärke die Merkfähigkeit. Es ist falsch zu glauben, mit Musik ginge das Lernen besser. Nein, Geräusche, und dazu gehört auch die Musik, stören die Aufnahme. Derselbe Störeffekt geht auch von Nebeninteressen (Hobby) aus, die die Aufmerksamkeit manchmal sehr stark auf sich ziehen. Während des Lernens heißt es, sich zu konzentrieren, wer gegen diese Regel verstößt, mindert sein Aufnahmevermögen.

3. Lernrhythmus

So wie der Mensch nicht ununterbrochen essen kann, so kann auch das Gehirn nicht ständig etwas aufnehmen. Auch im geistigen Bereich gibt es eine Art Verdauung, genannt Verarbeitung, die für die Festigung sorgt. Wir brauchen nach der Arbeit eine schöpferische Pause, in der wir neue Kraft tanken. Unter Lernrhythmus versteht man die sinnvolle Folge von Lern-, Übungs- und Ruhephasen. Wir müssen während der gesamten Ausbildungszeit mitlernen. Denn kurz vor der Prüfung hat das Gehirn nur noch begrenzte Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen - das Gedächtnis streikt dann bei Überbelastung.

4. Verbesserung des Aufnahmevermögens

Es ist eine wesentliche Lernerleichterung, wenn wir von dem Lehrstoff schon einiges wissen und diese Vorkenntnisse mit dem neuen Lehrstoff verknüpfen. Es ist wichtig, solche Verbindungen und Brücken zu schaffen, denn sie erleichtern sehr die Merkfähigkeit.

5. Interesse entwickeln

Eine der stärksten Faktoren im Lern- und Merkprozess ist die Interessenstärke, die wir dem Lernstoff entgegenbringen. Aus dem Verständnis, das wir einem Gebiet entgegenbringen, erwächst das Interesse daran. Der Beruf gibt einem so viel, wie man ihm gegenüber Interesse zeigt.

6. Intensität des Lernens

Es kommt beim Lernen darauf an, dass möglichst viele Sinne (Verstand, Augen, Ohren, Nase) tätig werden. Auch das Wissen um die Wichtigkeit des Lernstoffs spielen bei der Intensität der Aufnahme eine Rolle. Wenn wir wissen, wie wichtig ein Stoffgebiet ist, das wir erlernen müssen, umso günstiger wirkt sich dies auf das Behalten aus.

7. Wiederholung

Tests haben gezeigt, dass der Mensch nach 24 Stunden etwa 25% und nach 3 Tagen fast 50% des neuen Lehrstoffs vergessen hat. Die Vergessenskurve verläuft günstiger, wenn der Lehrstoff wiederholt und durch Übungen gefestigt wird. Besonders die erste Wiederholung ist wichtig.

Es hat sich auch bewährt, den neuen Lehrstoff in Berichten zu wiederholen. Denn was man mit eigenen Worten formuliert und geschrieben hat, bleibt besser haften.

8. Einprägungswille

Einen starken Effekt auf das Gedächtnis hat der Wille des Lernenden. Denn was wir behalten wollen, bleibt erwiesenermaßen besser in unserem Gedächtnis. Diesen Willen sollten wir aufbringen.

9. Gute Form (Kondition)

Vom Sport wissen wir, welche große Bedeutung eine gute Kondition und die richtige Einstellung haben. Dort fällt die Leistung rapide, wenn der Athlet eine schwache Form zeigt. Dasselbe gilt für die Ausbildung. Wer morgens frisch, aufgeschlossen, lernbereit und fit erscheint, ist leistungs- und merkfähig. Wenn man es aber an der guten Kondition fehlen lässt, fällt man leicht zurück.

10. Entlastung des Gedächtnisses

Das Gedächtnis hat eine Leistungsgrenze und kann somit nicht beliebig belastet werden. Es heißt also damit zu haushalten. Wir können zum Beispiel unser Gedächtnis etwas entlasten, indem wir einerseits uns nichts Unnötiges einprägen und andererseits es von Ballast befreien. Aber auch durch Merkregeln, Formeln, Übersichten u.a. kann man Eselsbrücken bauen, mit denen man schnell und sicher Aufgaben lösen kann.

11. Buchtipp

Wer sich näher mit Lerntechniken beschäftigen möchte, sei das Taschenbuch "Wirkungsvoller lernen und arbeiten" empfohlen. Es vermittelt in verständlicher Form das Rüstzeug, um wirkungsvoller Lernen zu können. Der Leitfaden kostet 22,- DM und ist im Buchhandel erhältlich.


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