IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 08/2005, Seite 86 ff.

RECHT-ECK

 

Die Vertragsstrafe im Bauvertrag

RA F.-W. Stohlmann Teil 1

Die Vertragsstrafe ist für die Auftraggeberseite ein probates Mittel, um Auftragnehmer zur fristgerechten Fertigstellung des vereinbarten Bauwerks zu bewegen. Aus diesem Grund nimmt die Zahl der Vertragsstrafenklauseln in Bauverträgen ständig zu, sodass es scheint, dass der Bauvertrag zum Hauptanwendungsfeld der Vertragsstrafenregelungen geworden ist.

Der Grund für die Beliebtheit von Vertragsstrafenklauseln auf der Auftraggeberseite lässt sich leicht nachvollziehen:

1. Sichert die Vertragsstrafe die fristgerechte Fertigstellung der Bauleistung als zusätzliches Druckmittel ab.

2. Ist sie in der praktischen Handhabung leicht durchzusetzen. Im Gegensatz zu Schadenersatzansprüchen bleibt dem Bauherrn bei der Vertragsstrafe der Nachweis erspart, dass ihm durch das vertragswidrige Verhalten des Bauunternehmers ein Schaden entstanden ist. Dies stellt in der Praxis eine erhebliche Erleichterung für die Bauherrenseite dar.

Anders als Schadenersatzansprüche ist die Vertragsstrafe unabhängig vom Nachweis eines konkreten Schadens zu zahlen. Sie ist demnach auch dann zu zahlen, wenn dem Bauherrn durch die Verzögerung gar kein Schaden entstanden ist.

Der Wegfall des Schadensnachweises und die Unabhängigkeit von einem tatsächlichen Schadenseintritt stellt nicht zu unterschätzende Vorteile für den Bauherren mit der Folge dar, dass für den durch die Höhe der Vertragsstrafe abgedeckten Schadensbereich das bei Schadeneratzansprüchen drohende Prozessrisiko grundsätzlich entfällt.

Eine Vertragsstrafe kann im Bauvertrag selbst oder gesondert von diesem für den Fall vereinbart werden, dass der Bauunternehmer seine vertragliche Leistung überhaupt nicht oder "nicht in gehöriger Weise" - insbesondere nicht fristgerecht - erbringt. Um letzteren, im Bauvertragsrecht praktisch relevantesten Fall der Vertragsstrafe bei nicht fristgerechter Fertigstellung der Bauleistung, soll es im vorliegenden Beitrag gehen.

Grundlage der Vertragsstrafe

Die gesetzliche Grundlage der Vertragsstrafe bilden die §§ 339 bis 345 BGB. Bei Bauverträgen auf der Grundlage der VOB/B kommt ergänzend § 11 VOB/B zur Anwendung.

Wie sich aus § 339 BGB entnehmen lässt, ist die Vertragsstrafe ein Versprechen des Schuldners dem Gläubiger gegenüber für den Fall, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, eine Geldsumme als Strafe zu zahlen. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bedeutet demnach, dass der Bauunternehmer sich dem Bauherren (Auftraggeber) gegenüber zur Zahlung einer Geldsumme für den Fall verpflichtet, dass er die vertraglich übernommene Bauleistung gar nicht, nicht vollständig oder "nicht gehörig" - insbesondere nicht fristgerecht - erbringt.

Abhängigkeit der Vertragsstrafe vom Bauvertrag selbst

Eine Vertragsstrafe kann nur dann "verwirkt" sein, d.h. der Betrieb nur dann zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe verpflichtet werden, wenn die Hauptverbindlichkeit - also der Bauvertrag - rechtswirksam begründet worden ist. Voraussetzung der Vertragsstrafe ist also das Bestehen eines wirksamen Bauvertrages; ohne diese rechtliche "Anbindung" an einen wirksamen Bauvertrag kann eine Vertragsstrafenvereinbarung keinen Bestand haben. Sie ist daher nicht losgelöst von einem Bauvertrag denkbar. Kommt demnach der Bauvertrag nicht zustande, ist er unwirksam, wird er nachträglich mit Erfolg angefochten oder infolge Rücktritts aufgelöst, so entfällt grundsätzlich auch der Anspruch auf die Vertragsstrafe. Diese rechtliche Abhängigkeit der Vertragsstrafe von der Entstehung und dem Fortbestand des Bauvertrages bezeichnet man als "Akzessorietät". Ihre Folge ist die rechtliche Unselbstständigkeit der Vertragsstrafe.

Voraussetzungen der Vertragsstrafe

Der ausführende Betrieb schuldet bei nicht fristgerechter Fertigstellung der von ihm geschuldeten Bauleistung nicht automatisch eine Vertragsstrafe, diese bedarf vielmehr einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung. Sie kann sowohl im Bauvertrag selbst als auch als so genannte Vertragsstrafenklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vereinbart werden. Die Vertragsstrafe kann auch bereits Bestandteil der Ausschreibung sein und so mit der Auftragsvergabe, also mit dem Zuschlag, wirksam werden. Die Vertragsstrafe kann jedoch auch nachträglich noch vereinbart werden.

Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass auch bei VOB-Verträgen eine Vertragsstrafe nicht automatisch Vertragsbestandteil ist. Vielmehr muss die Vertragsstrafe auch bei einem VOB/B-Vertrag ausdrücklich vereinbart werden. Dies folgt unmittelbar aus § 11 Nr. 1 VOB/B, der bestimmt, dass die §§ 339 bis 345 BGB Anwendung finden, sofern eine Vertragsstrafe vereinbart ist.

Für die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist es erforderlich, dass sich die Vertragsparteien über Grund und Höhe der Vertragsstrafe verständigen. Als Grund für die Vertragsstrafe muss die die Zahlungspflicht auslösende Pflichtverletzung - regelmäßig also die Fertigstellungsfrist, ab deren Überschreiten die Vertragsstrafe zu zahlen ist - festgelegt werden. Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe können die Parteien entweder einen pauschalen Geldbetrag oder einen prozentualen Anteil der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme festlegen.

Was bedeutet "Verwirkung" der Vertragsstrafe?

Die "Verwirkung" der Vertragsstrafe, also die Entstehung des Zahlungsanspruchs, setzt gemäß § 339 BGB voraus, dass der Betrieb mit seiner Leistungsverpflichtung in Verzug kommt. Ein solcher Schuldnerverzug liegt vor, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Erfüllungs- und Schadenersatzansprüche

Nachfolgend soll das Verhältnis der Vertragsstrafenansprüche zu sonstigen Ansprüchen des Auftraggebers, wie beispielsweise auf Erfüllung der Bauleistung sowie auf Ersatz des etwa durch Verzug des Betriebes entstandenen Schadens, dargestellt werden. Mit Blick auf die Vertragsstrafe ist hierzu einerseits zwischen dem Strafversprechen für Nichterfüllung (§ 340 BGB) und andererseits dem Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung (§ 341 BGB) zu unterscheiden.

Strafversprechen für Nichterfüllung - § 340 BGB

Das Strafversprechen für Nichterfüllung gem. § 340 BGB betrifft diejenigen Fälle, in denen die Vertragsstrafe dann "verwirkt" ist, wenn der Unternehmer die ihm übertragene Bauleistung nicht erfüllt. Der Auftraggeber kann die Vertragsstrafe demnach anstelle der Erfüllung verlangen. Er muss also zwischen der Erfüllung der Bauleistung einerseits und der Vertragsstrafe andererseits entscheiden. Beides nebeneinander (Erfüllung und Vertragsstrafe) kann er nicht verlangen. Fordert der Bauherr die Vertragsstrafe ein, so tritt diese an die Stelle des damit ausgeschlossenen Erfüllungsanspruchs. Da diese Konstellation der Vertragsstrafe in der Baupraxis kaum eine Rolle spielt, soll sie nicht weiter vertieft werden.

Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung - § 341 BGB

Der in der Baupraxis relevante Anwendungsfall der Vertragsstrafe ist das Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung nach § 341 BGB. "Nicht gehörige Erfüllung" bedeutet insbesondere die nicht fristgerechte Ausführung der vom Auftragnehmer geschuldeten Bauleistung.

a) Erfüllungsansprüche

Hat der Betrieb die Vertragsstrafe für den Fall versprochen, dass er die von ihm geschuldete Bauleistung nicht zum vereinbarten Termin fertig stellt, kann der Auftraggeber die Vertragsstrafe nach § 341 Abs. 1 BGB neben der Erfüllung verlangen. Anders als beim Strafversprechen wegen Nichterfüllung gem. § 340 BGB (vgl. oben) tritt hier der Vertragsstrafenanspruch neben den Erfüllungsanspruch.

b) Vertragsstrafenvorbehalt

In der Baupraxis scheitert die durch § 341 Abs. 1 BGB eröffnete Möglichkeit des Auftraggebers, die Vertragsstrafe bei nicht fristgerechter Fertigstellung der Bauleistung neben dem Erfüllungsanspruch zu verlangen, häufig am fehlenden Vertragsstrafenvorbehalt i.S.d. § 341 Abs. 3 BGB.

Nimmt der Auftraggeber die Erfüllung der nicht fristgerecht fertig gestellten Bauleistung an, kann er die Vertragsstrafe neben dem Erfüllungsanspruch nur dann verlangen, wenn er sich das Recht hierzu bei der Abnahme vorbehält (§ 341 Abs. 3 BGB). Versäumt er dies, so verliert er den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Dies wird in der Praxis häufig übersehen.

Der so genannte Vertragsstrafenvorbehalt ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Auftraggebers, durch die dieser bei der Abnahme unmissverständlich zu erkennen gibt, den Vertragsstrafenanspruch aufrechterhalten zu wollen. Der Vorbehalt muss grundsätzlich ausdrücklich erklärt werden, ein stillschweigender Vorbehalt ist regelmäßig nicht ausreichend. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Erklärung des Vorbehalts ist zu beachten, dass der Vorbehalt bei der Abnahme der Bauleistung ausgesprochen werden muss, nicht vorher und nicht nachher. Andernfalls verliert der Auftraggeber seinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe.

Bei VOB-Verträgen ist der Vorbehalt bei einer förmlichen Abnahme gem. § 12 Nr. 4 VOB/B vor Ende der Abnahmeverhandlungen zu erklären und in das Abnahmeprotokoll aufzunehmen. Es genügt die Aufnahme des Vorbehalts in einer formularmäßig vorbereitenden Abnahmeniederschrift; der Vorbehalt wird dann mit der Unterzeichnung wirksam. Bei fiktiver Abnahme muss der Vorbehalt gem. § 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B spätestens zu den in § 12 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B bezeichneten Zeitpunkten (12 Werktage nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung bzw. 6 Werktage nach Beginn der Benutzung) geltend gemacht werden.

Erfolgt der Vorbehalt nicht oder nicht rechtzeitig, so erlischt der Vertragsstrafenanspruch kraft Gesetzes, d.h. der Bauherr verliert seinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Der Verlust des Vertragsstrafenanspruchs tritt auch dann ein, wenn der Bauherr vom Vertragsstrafenanspruch selbst oder der Erforderlichkeit des Vorbehalts keine Kenntnis hatte.

c) Schadenersatzansprüche

Das Verhältnis des Vertragsstrafenanspruchs zu etwaigen sonstigen Schadenersatzansprüchen regelt § 341 Abs. 2 i.V.m. § 340 Abs. 2 BGB. Danach kann der Bauherr die Vertragsstrafe als Mindestbetrag des Schadens geltend machen, d.h., dass die Vertragsstrafe auf einen etwaigen Schadenersatzanspruch anzurechnen ist. Die Vertragsstrafe bildet somit den Sockel eines Schadenersatzanspruchs, der über die Höhe der Vertragsstrafe hinaus geltend gemacht werden kann. Der Anspruch beschränkt sich dann auf den die Vertragsstrafe übersteigenden Betrag.

Fortsetzung folgt


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