IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 08/2005, Seite 66 ff. DEUTSCHER KUPFERTAG 2005 |
Hygienisch mikrobiologische Risiken
von Großgebäude-Wasserinstallationen
Dr. med. Thomas Kistemann*
In den letzten Jahrzehnten haben wir uns an einen sehr hohen Standard der Wasserbereitstellung und -nutzung in Gebäuden gewöhnt. Wie Strom und Wärme wollen wir Trinkwasser überall dort vorfinden, wo wir es wünschen. Die explosionsartige Entwicklung der Gebäudeinstallation birgt jedoch wasserhygienische Risiken, die lange Zeit wenig Beachtung fanden. Zu ihrer Vermeidung bedarf es einer sorgfältigen, auf regelmäßigen Schulungen fundierten Umsetzung der Empfehlungen in den einschlägigen technischen Regelwerken. Fehler bei Planung, Errichtung und Inbetriebnahme von Großgebäudeinstallationen können hohe Folgekosten und Betriebsbeeinträchtigungen verursachen.
Seit etwa 150 Jahren werden in Deutschland zentrale Wasserversorgungen betrieben. Der Versorgungsgrad liegt inzwischen, mit gewissen regionalen Unterschieden, bei weit über 95% der Bevölkerung. Das Risiko der Verbreitung von Infektionskrankheiten durch Wasser, welches prinzipiell bereits in der Antike bekannt war, wurde mit der Errichtung zentraler Wasserversorgungen schmerzlich wiederentdeckt: Im Falle einer Kontamination waren in kürzester Zeit große Bevölkerungsgruppen betroffen. In der Folge gewann die Wasserhygiene, deren Ziel die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser von hygienisch einwandfreier Qualität und Quantität ist, als systematische Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Nicht zuletzt die vor über 100 Jahren von Robert Koch eingeführte hygienisch-mikrobiologische Überwachung der Trinkwasserqualität mittels Koloniezahlbestimmung und Untersuchung auf Fäkalindikatoren (E. coli, Coliforme u.a.) führten zur Beherrschung der damals wichtigsten, fäkal-oral wasserübertragenden Infektionskrankheiten Cholera, Typhus und Ruhr.
Warmes Wasser zum Duschen - heute eine Selbstverständlichkeit in deutschen Haushalten. |
Neue Verhältnisse
In der Zwischenzeit haben sich die Bedingungen der Wassernutzung, insbesondere in Großgebäuden, grundlegend geändert. Die Veränderungen beziehen sich auf die Hausinstallationen, die Wasserverwendungen und die Nutzer selbst:
- Statt eines "Wasserkranes" je Gebäude oder Etage umfasst eine moderne Hausinstallation zahlreiche Entnahmestellen, praktisch ohne Einschränkungen und überall dort, wo Nutzer dies wünschen.
- Infolgedessen hat sich das Installationssystem von einer einfachen, einzelnen Steigleitung je Gebäude zu einem komplexen Netz mit zahlreichen Abgängen, Verzweigungen und Ringleitungen entwickelt.
- Viele unterschiedliche Materialien (Metalle, Kunststoffe, Verbundrohre) und Verbindungstechniken (Schrauben, Löten, Kleben, Pressen) werden, teilweise nebeneinander, verwendet.
- Zusätzlich beinhaltet eine moderne Hausinstallation neben den starren Wasserleitungen zahlreiche Bauelemente wie z.B. Panzerschläuche, Ventile, Schieber, Filter, Dosiergeräte, Rückflussverhinderer, Ausdehnungsgefäße, Speicher, Druckerhöhungsanlagen sowie Mess- und Regelinstrumente.
- Die Tendenz zum Trockenausbau führt dazu, dass Wasserleitungen in Schächten und Hohlräumen anstatt im Mauerwerk verlegt werden und damit den atmosphärischen Temperaturschwankungen stärker ausgesetzt sind.
- Zahlreiche neue Wasserverwendungen sind, teilweise auch in privaten Haushalten, neben die ursprünglichen Nutzungen zum Trinken, Kochen, Baden, Waschen und Putzen getreten. Dazu zählen u.a. Duschen, Whirlpools, Wasch- und Reinigungsautomaten, Mundduschen, Luftbefeuchter, Klimaanlagen, Kaffee- und Espressomaschinen, gewerblich auch Getränkeautomaten, Eismaschinen, Kühlanlagen u.v.m. Im medizinischen Bereich ist u.a. an zahnärztliche Behandlungseinheiten, Ohrspüleinheiten, endoskopische Einheiten und andere medizintechnische Systeme zu denken.
- Der Anteil pflegebedürftiger, alter oder immungeschwächter Menschen nimmt auch im häuslichen Umfeld aufgrund der demographischen Entwicklung, des medizinischen Fortschritts und der tiefgreifenden Umgestaltung des Gesundheitswesens kontinuierlich zu.
Neue Risiken
Die genannten Entwicklungen können dazu beitragen, dass die mikrobielle Kontamination von Hausinstallationen und das Auftreten wasserbürtiger Infektionen begünstigt werden, wenn nicht entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden: Komplexe Installationsnetze mit vielen Stichleitungen, komplizierten Bauelementen und ungenügender Wärmeisolierung können über Stagnation, Erwärmung und Biofilmbildung zur Aufkeimung im Netz führen. Neue Anwendungen erhöhen das Risiko u.a. durch Aerosolbildung, Erwärmung, Stagnation in engen Schläuchen u.a.m. Und schließlich, ältere und infektdisponierte Personen sind in besonderer Weise durch wasserassoziierte Krankheitserreger gefährdet.
Insbesondere in Großgebäuden wie Krankenhäusern, Hotels und Freizeitzentren treffen regelmäßig viele der genannten Faktoren zusammen: komplexe Installationsnetze, hochspezielle Wasseranwendungen und gefährdete Nutzer.
In medizinischen Einrichtungen wird Wasser in vielfältiger Weise verwendet, hier z.B. im Reinigungsautomaten einer OP-Abteilung zur Aufbereitung von Narkoseinstrumentarium. |
In Kaltwassersystemen kann Pseudomonas aeruginosa geradezu als der Leitorganismus der Kontamination mit fakultativ pathogenen Mikroorganismen bezeichnet werden. Dieser klassische Wasserkeim befällt vorwiegend Menschen mit lokal oder allgemein geschwächter Infektabwehr. Die Übertragung erfolgt nicht über das Trinken, sondern über Haut- und Schleimhautkontakt, über Katheter und medizinisch-technische Geräte. Für die USA wurde geschätzt, dass jährlich 1400 Menschen an einer im Krankenhaus erworbenen, wasserbedingten Lungenentzündung durch Pseudomonas aeruginosa sterben.
Erst die Etablierung von Warmwassersystemen hat Legionellen die ökologische Nische geschaffen, in der sie zum Gesundheitsproblem werden konnten. Sie wurden erst vor knapp 30 Jahren entdeckt und vermehren sich bevorzugt bei Temperaturen von 20 - 45°C. Die Infektion erfolgt über Aerosole, z.B. beim Duschen. Man schätzt, dass in Deutschland jährlich 8000 Fälle der lebensbedrohlichen Legionärspneumonie auftreten. Neben Krankenhäusern sind Hotels wichtige Infektionsorte.
In den letzten Jahren ist bundesweit eine Reihe von Fällen bekannt geworden, bei denen neuerrichtete Hausinstallationen von oder innerhalb von Großgebäuden mikrobiell kontaminiert waren und sich als schwer sanierbar erwiesen. Zur Entdeckung dieser Fälle hat möglicherweise beigetragen, dass seit Inkrafttreten der neuen Trinkwasserverordnung im Jahr 2003 öffentliche Hausinstallationen (in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Gaststätten, Hotels etc.) generell, also auch wenn keine Probleme bekannt werden, durch das zuständige Gesundheitsamt überwacht werden müssen (§ 18 Nr. 1 TrinkwV). Explizit müssen die Anforderungen an die Beschaffenheit des Trinkwassers - so wie sie in der Trinkwasserverordnung formuliert sind - an der Entnahmestelle erfüllt werden (§ 8 Nr.1 TrinkwV).
Expertenhearings
Wegen der Häufung von Berichten über hygienisch-mikrobiologische Probleme mit neuen Hausinstallationen veranstaltete die Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes im März 2004 in Bonn eine Expertenanhörung zu dieser Thematik. Im März 2005 richtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Norwich (UK) ein internationales Hearing zur gleichen Thematik aus; die Ergebnisse werden u.a. Eingang in die Revision der WHO Guidelines for Drinking Water Quality finden.
Als Ergebnis der Bonner Anhörung wurde festgestellt, dass die Verursachung einer dauerhaften mikrobiellen Kontamination eines Hausinstallationssystems offensichtlich ein multifaktorielles Geschehen ist. Zu den relevanten Risikofaktoren zählen
- Nicht sachgerechte Planung (z.B. Überdimensionierung, lange Stichleitungen),
- Mangelhafte Installation (z.B. unsaubere Arbeiten),
- Nicht sachgerechte Dichtigkeitsprüfung (z.B. mit Wasser und ohne unmittelbar anschließende Inbetriebnahme),
- Nicht sachgerechte Inbetriebnahme (z.B. verzögerter Nutzungsbeginn, leerstehende Gebäudeteile),
- Nicht bestimmungsgemäßer Betrieb (z.B. Temperaturen über 20°C im Kaltwasserbereich, Stagnationsbereiche, Betriebsunterbrechungen).
Ein Expertenhearing kam zu der Feststellung, dass die wichtigsten Regeln zur Prävention und Kontrolle mikrobieller Kontaminationen in den existierenden einschlägigen technischen Regelwerken festgeschrieben sind. Entscheidend ist jedoch ihre konsequente Umsetzung in die Praxis. |
Qualifikation notwendig
Was kann zur Vermeidung von Risiken getan werden? Das Bonner Expertenhearing kam zu der Feststellung, dass die wichtigsten Regeln zur Prävention und Kontrolle mikrobieller Kontaminationen in den existierenden einschlägigen technischen Regelwerken (DIN, VDI-Richtlinien, DVGW-Arbeitsblätter, BHKS-Regeln, ZVSHK-Merkblätter) festgeschrieben sind. Entscheidend ist jedoch ihre konsequente Umsetzung in die Praxis! Einer angemessenen und regelmäßigen Schulung von Personen, die an Planung, Bau, Inbetriebnahme und Betrieb von Trinkwasserinstallationen, insbesondere in Großgebäuden, beteiligt sind, wurde insofern eine besonders große Bedeutung zugemessen.
Fazit: Um auch zukünftig die Annehmlichkeiten modernster, aufwendiger und innovativer Wassernutzungen ohne Angst vor Infektionsrisiken genießen zu können, muss der Hausinstallation als dritter Säule des in Deutschland bewährten Multibarrieren-Konzeptes der Trinkwasserversorgung größte Aufmerksamkeit zukommen. Die existierenden technischen Regeln müssen sorgfältig beachtet und umgesetzt werden und kontinuierlich an neue Technologien, Anwendungen und damit mögliche hygienische Risiken angepasst werden. Neue Konzepte der Qualitätssicherung (Water Safety Plans, WSP), deren Etablierung derzeit weltweit beginnt, sollten auch dazu genutzt werden, die Risiken in Hausinstallationen unter Kontrolle zu halten.
* Dr. med. Thomas Kistemann, stv. Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn
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