IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 05/2005, Seite 72 f. UNTERNEHMENSFÜHRUNG |
Erfolgspotenziale erschließen
Sozial kompetentes Verhalten als Wettbewerbsvorteil
Die wirtschaftlichen Umstände fordern höchste Aufmerksamkeit. Also kommt es darauf an, sämtliche Möglichkeiten zu nutzen, um sich von den Mitbewerbern abzuheben, meint der Wirtschaftspublizist Hartmut Volk und erinnert an die gleichermaßen die Erfolg fördernde wie die nervliche Anspannung verringernde Wirkung sozial kompetenten Verhaltens.
"Intelligenz, Bildung und Wissen, Fleiß, Disziplin, Beharrlichkeit und Leistungsmotivation reichen keinesfalls aus, um Erfolg zu haben. Wir müssen wissen, wo unsere Mitmenschen zu packen sind!" Schnörkellos bringt Michael Kastner, Arzt und Psychologe, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund und Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie in Herdecke, auf den Punkt, was es in dieser schwierigen Zeit als Wettbewerbsfaktor zu entdecken und konsequent zu nutzen gilt: Die gewinnendere Kundenansprache durch nachhaltig überzeugenderes Verhalten.
Aber wo oder wie sind die Mitmenschen im Allgemeinen und Interessenten und Kunden im Speziellen "zu packen"? Wie lassen wir freundliches Geneigtsein bei Kunden als Überlebenshilfe im kannibalisierenden Wettbewerb entstehen? Wie bewahren wir es uns auf Dauer? Wie vermeiden wir, dass die "Gepackten" hinterher nicht das ungute Gefühl beschleicht, nur für die eigenen Absichten und Zwecke instrumentalisiert, über den Tisch gezogen, hinters Licht geführt oder sonstwie übervorteilt worden zu sein? Das Zauberwort für richtiges, positive Gefühle auslösendes "Packen" heißt für Michael Kastner Sozialkompetenz. Doch was ist das und wie verhält man sich entsprechend?
Sozialkompetenz ist die Fähigkeit, Kontakte zu anderen Personen herzustellen und aufrecht zu erhalten, Menschen für sich einzunehmen, Freunde zu gewinnen. Wobei das Vermögen wichtig ist, andere Personen wirklich wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse tatsächlich zu erkennen, sich in sie einzufühlen und durch angemessene Bestätigung und Wertschätzung ein Klima des konstruktiven Austauschs entstehen zu lassen.
Auf einen Generalnenner gebracht, verhält sich ein Handwerksmeister demzufolge sozial kompetent, wenn er - ohne seine unternehmerischen Ziele aus den Augen zu verlieren - selbstständig, umsichtig und nutzbringend handelt.
Selbstständig zum Beispiel, indem er sich nicht automatisch durch das Verhalten seines Gegenübers sein eigenes Verhalten sozusagen vorfabrizieren lässt. Beispielsweise, indem er nicht aufgrund enormer Beanspruchung und entsprechender nervlicher Anspannung reflexartig auf den berühmten groben Klotz den ebenso berühmten groben Keil setzt. So belastend beispielsweise erregte, nörgelnde oder um den Preis feilschende Kunden sind, unfreundliches Gegenhalten ändert sie kaum, ganz im Gegenteil.
Womit die Umsicht ins Blickfeld kommt. Umsichtig handelt, wer in sein Denken, Handeln und Trachten mehr als einen Aspekt oder eine Sichtweise einbezieht. Kurz, wer auch unter Druck und in Eile stets darauf achtet, etwas differenzierter und über den Tellerrand des Augenblicks und der momentanen Gefühlslage hinauszudenken. Denn das stiftet aller Erfahrung nach Nutzen; und zwar beträchtlichen. Unter anderem, weil dadurch dem heute doch recht problematischen Wesen Kunde das für den weiteren Verlauf einer Geschäftsbeziehung so wichtige Gefühl vermittelt wird, in guten, in den richtigen Händen zu sein.
Folglich handelt nutzbringend, wer konsequent darum bemüht ist, nicht nur die eigenen Vorstellungen, Absichten und Interessen zum Maß aller Dinge, Ziel allen Trachtens und Leitlinie des Handelns zu machen, sondern den eigenen Nutzen im gemeinsamen Nutzen sucht. Fachleute nennen dieses Vorgehen win-win-Strategie. Ihr Kennzeichen ist, dass sie nicht stets einen Gewinner und einen Verlierer schafft, sondern darauf abzielt, dass beide Seiten gleichermaßen zufrieden gestellt werden.
Dieses überlegtere Verhalten zahlt sich erfahrungsgemäß aus. Unter anderem dadurch, dass ich bei meinem Gegenüber keine Frustrati-onen auslöse und mir so zum Beispiel als Handwerksmeister oder Verkäufer keinen "üblen Nachreder" oder sonstwie im Leben keinen Gegner, unbeugsamen Widersacher oder ständigen heimlichen Saboteur meiner Arbeit schaffe. Oder indem ich bei beispielsweise Unstimmigkeiten über eine Reklamation bei Kunden Freude über einen gelungenen Interessenausgleich auslöse und mir so zu einer guten Nachrede, sprich einem guten Ruf verhelfe.
Marketingexperten wie der Kundenbindungsfachmann Professor Bernd Stauss von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, werden deshalb auch nicht müde da-rauf hinzuweisen, wie wichtig im heutigen Geschäftsleben die positive Empfehlung, eben die Weiterempfehlung ist. Eine kostengünstigere und einträglichere Werbemaßnahme gäbe es im kannibalisierenden Wettbewerb einfach nicht.
Um sich nun so verhalten zu können, braucht es einige "Werkzeuge", die je nach Bedarf einzeln oder in Kombination "zur Hand" sein sollten. Für die Experten sollte der "Werkzeugkoffer Sozialkompetenz" deshalb auf jeden Fall folgende "Teile" enthalten: kommunikative Fähigkeiten in Verbindung mit der entscheidend wichtigen Impulskontrolle und dem Vermeiden von vorschnellen Interpretationen. Beides, seinen Gefühlen unkontrolliert freien Lauf zu lassen wie die spontane Vermutung, was der Andere denkt oder meint, ist unbedingt zu vermeiden.
Weiter gehört in den Werkzeugkoffer Sozialkompetenz das Wissen, wie mit Konflikten umzugehen ist, verbunden mit der Bereitschaft, Konflikte offen anzusprechen. Ganz wichtig ist auch Empathie, ein gewisses Einfühlungsvermögen also; Sensibilität, Feinfühligkeit mithin, das berühmte Fingerspitzengefühl, das Gespür für Menschen und Situationen, für die Dinge hinter den Dingen, das Gemeinte hinter dem Gesagten.
Und, nicht minder wichtig, interpersonale Flexibilität, das (bereits erwähnte) Vermögen, andere Menschen im Allgemeinen und Kunden im Besonderen wirklich wahrzunehmen und sich auf sie einstellen zu können, ohne sich selber zu verbiegen, zu verleugnen, zu verstellen oder sich manipulativ zu verhalten. Und last but not least: Kooperations- und Koordinationsfähigkeit, die Fähigkeit zu zielorientierter Tätigkeit in Gruppe oder Team.
In ihrem Wesenskern ist Sozialkompetenz also Ausdruck des Wissens und Könnens, sich im zwischenmenschlichen Spannungsfeld nicht aufzuführen wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Sich sozial kompetent verhalten zu können, ist mithin, es kann nicht häufig genug gesagt werden, eine höchst nützliche weil das Leben nicht nur merklich erleichternde, sondern eben auch den Erfolg spürbar befördernde Eigenschaft. Letzteres vor allem auch, weil erst die Qualität des Auftretens und Verhaltens das rein fachliche Vermögen zu seiner vollen Geltung bringt. Sie können ein fachlich noch so qualifizierter Unternehmer, Vorgesetzter oder Verkäufer sein, kommen Sie bei Ihrer Belegschaft, Ihren Mitarbeitern, Ihren Kunden und überhaupt bei den Menschen, mit denen Sie es wie auch immer zu tun haben, nicht an, ist Ihr gesamtes Wissen, Können und Bestreben nur die Hälfte wert. Sie verschenken Chancen und Möglichkeiten. Und das ist in unserer schwierigen Zeit eine höchst gefährliche Großzügigkeit.
Literatur zum Thema |
Erfolgreich mit sozialer Autor: Michael Kastner, Soziale Kompetenz kann man lernen. Autoren: Rüdiger Hinsch/Simone Wittmann, |
Deshalb ist auch nur selten der beinharte Macher, der knallharte Durchsetzer und schon gar nicht der Typ, der über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen oder seine Interessen durchzusetzen, der Prototyp des oder der Erfolgreichen schlechthin. Bei allem notwendigen Selbstbewusstsein und bei aller unverzichtbaren Duchsetzungsfähigkeit und Zielorientierung, auf Dauer sind die tendenziell eher behut- und einfühlsamer zu Werke Gehenden die letztlich Erfolgreicheren. Dinge in Schwung, voran- oder gegen die Widerstände der Zeit und der Umstände zu Stande zu bringen, das geht auch sozial kompetent. Und sogar viel besser und billiger. Weil es die Reibungsverluste und die Widerstandspotenziale spürbar verringert. Und damit natürlich auch den betrieblichen Kostenaufwand absenkt.
Für den Aggressionsfachmann Jens Weidner, Professor für Kriminologie und Erziehungswissenschaften an der Fachhochschule Hamburg, ist deshalb auch "ein fachlich noch so kompetenter Unternehmer oder Manager ohne menschliches und situatives Einfühlungsvermögen fehl an seinem Platz." Und mehr noch. Er ist für ihn "nicht nur eine beachtliche Störgröße, sondern ein potenzieller Gefahrenherd für sein Unternehmen." Und das nicht zuletzt deshalb, so Weidner, weil "ein Großteil betrieblicher Probleme auf der emotionalen Seite angesiedelt sind."
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