IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 03/2005, Seite 32 ff. KLIMATECHNIK |
Abnahmeverfahren an raumlufttechnischen Anlagen
Teil 1: Rechtssituation, Bauteile RLT-Anlagen, Abnahmeverfahren aus Sicht der DIN EN 12599
Prof. Dr. Andreas Henne*
Die Abnahme einer raumlufttechnischen Anlage - so man sie denn sorgfältig durchführt - ist ein aufwendiges Verfahren. Dabei können sich durch Unwissenheit sowie falsche Handhabung der Geräte bzw. Interpretation der Messergebnisse Fehlerquellen einschleichen. Das Abnahmeverfahren soll hier in zwei Teilen beschrieben werden, wobei im zweiten Teil die wichtigsten Messverfahren vorgestellt werden.
Rechtssituation
Gemäß VOB muss nach Fertigstellung einer RLT-Anlage innerhalb von zwölf Werktagen eine Abnahmeprüfung durchgeführt werden. Auftraggeber und Auftragnehmer können auf ihre Kosten einen Sachverständigen hinzuziehen, durch den sichergestellt wird, dass die erstellte RLT-Anlage den Planungsvorgaben entspricht. Mit dem Tag der Abnahme geht gemäß § 644 BGB die Gefahr auf den Auftraggeber, also den Bauherrn über. Nach der gelungenen Abnahme wird der übliche 10%ige Sicherheitseinbehalt als Schlusszahlung angewiesen. Es beginnt für das ausführende Unternehmen die Gewährleistungsphase, für die der Auftraggeber in der Regel eine Gewährleistungsbürgschaft einbehält. Die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen zur Erstellung raumlufttechnischer Anlagen können in der DIN 18379 [1] nachgelesen werden.
Bild: GEA Happel Klimatechnik |
Bauteile RLT-Anlagen
Raumlufttechnische Anlagen weisen sich oft durch ihre Komplexität aus (Bild 1). Ungereimtheiten können bereits im Bereich der Luftansaugung entstehen, die gemäß DIN 1946-Teil 2 [2] in nördlicher Ausrichtung, 3 m über Erdgleiche gemäß den akustischen Anforderungen erfolgen sollte. Kurzschlüsse zwischen Fortluft- und Außenluftansaugung müssen vermieden werden.
Eine raumlufttechnische Anlage kann in Abhängigkeit der thermodynamischen Behandlungsfunktionen aus vielen Komponenten bestehen, beispielsweise aus Vorerwärmer, Kühler, Befeuchter, Tropfenabscheider, Nacherwärmer, Ventilator (ZU/AB), Filter ... (Bild 1). All diese Komponenten gilt es im Hinblick auf Funktionalität und Hygiene im Rahmen der Abnahme zu überprüfen.
Bild 1: Schema einer RLT-Anlage. |
In einer RLT-Anlage sind ohne besondere Anforderungen zwei Filterstufen Stand der Technik [3]. Vor einer eventuellen Wärmerückgewinnung (WRG) sitzt zum Schutze des Gerätes die erste Filterstufe, die ohne höhere Anforderungen im Regelfall mindestens der Filterklasse F5 entspricht. Die zweite Filterstufe sitzt, zum Schutze der Luftleitungen, hinter den Geräten und hat mindestens die Filterklasse F7. Bei WRG-Anlagen empfiehlt sich zudem ein Abluftfilter, damit eine Verschmutzung des Wärmetauschers weitgehend verhindert wird, da es ansonsten zu einer Verschlechterung des Übertragungswirkungsgrades kommen kann.
Für das Raumklima ist in erster Linie die Zuluft verantwortlich. Dessen Temperatur, Strömung (zugfrei unter Beachtung der geforderten Akustik) sowie eventuell die Feuchte müssen in engen Grenzen eingehalten werden. Um dabei die regelungstechnischen Anforderungen zu erfüllen, bedarf es einem mehr oder weniger aufwendigen MSR- und Elektroinstallationsaufwand, über deren korrekte Montage, im Rahmen der Abnahme ebenfalls zu befinden ist.
Nicht zur RLT-Anlage gehören:
- Kälteanlagen und deren Regelung (beispielsweise Verdichter),
- Raumkühlflächen (hier gilt die VDI 6031),
- Wärme- und Kälteverteilung bis zu den Luftbehandlungseinheiten (Rohrführung),
- Druckluftversorgungsanlagen,
- Wasseraufbereitungsanlagen (beispielsweise Enthärtungsanlage für Befeuchter),
- Zentrale dampferzeugende Anlagen zur Luftbefeuchtung,
- Wärmeerzeugende Anlagen und deren Regelung (Kessel, Brenner ...),
- Elektrizitätsversorgungsanlagen.
Diese Systeme sind gesondert abzunehmen.
Abnahmeverfahren aus Sicht der DIN EN 12599
Die Grundlage der Abnahmeprüfung für RLT-Anlagen ist die im August 2000 eingeführte DIN EN 12599. Sonstige nationale Normen wie die VDI 2079 wurden zurückgezogen. Das Kontroll- und Prüfverfahren zur Abnahme ist demnach in sechs grobe Schritte unterteilt und in der vorgegebenen Reihenfolge durchzuführen:
1. Umfang und Klasseneinteilung
2. Vollständigkeitsprüfungen
3. Funktionsprüfungen
4. Funktionsmessungen
5. Bericht
6. eventuelle Sondermessungen (vertraglich zu vereinbaren und ggf. gesondert zu vergüten).
1. Umfang und Klasseneinteilung
Bei der Abnahme eines RLT-Systems kommen in der Regel immer Wiederholungen der gleichen Funktionsprüfungen und -messungen vor. Gerade in Gebäuden, die eine Anzahl ähnlicher Räume mit vergleichbarer Größe und Nutzung aufweisen - beispielsweise in Schulen - ist dies oft der Fall. Während die Vollständigkeitsprüfung an der gesamten Anlage durchgeführt werden muss, kann der Umfang der Funktionsprüfungen und -messungen im Hinblick auf eine Arbeitsreduzierung stichprobenartig erfolgen. Der Umfang wird durch vier Klassen (A, B, C, D) festgelegt, die sich durch die Anzahl der erforderlichen Messungen unterscheiden. Die Wahl der Klassen sollte vor der Abnahme vereinbart werden und im Installationsvertrag enthalten sein.
Als ähnliche Stellen sind dabei Teile eines Gebäudes (Räume, Bereiche) oder Bauteile des RLT-Systems (Ventilatoren, Drosselorgane usw.) zu verstehen, deren Funktion und Wirkungsweise gleich sind. Die Systeme oder Bauteile brauchen weder identische Abmessungen zu besitzen, noch müssen sie identische Werte (wie Volumenstrom) haben. Beispielsweise sind alle Luftverteiler gleicher Art, die Räume vergleichbarer Größe und Nutzung versorgen, als ähnliche Stellen im Hinblick auf die Luftvolumenstrommessungen zu betrachten.
Je nach Objektgröße kann die Anzahl ähnlicher Stellen noch weiter differenziert werden. Wird beispielsweise die Zulufttemperatur nur bereichsweise für mehrere Räume geregelt, reicht es, sie nur an einer Stelle eines jeden Bereichs zu messen. Deshalb sind Stellen im Hinblick auf ihre Ähnlichkeit getrennt für jeden zu messenden Parameter in Abhängigkeit der Regelung zu betrachten.
Die Anzahl der Prüfungen ist, wie zuvor beschrieben, abhängig von der im Vorfeld vereinbarten Klasse, die sich in Abhängigkeit der ähnlichen Stellen ergeben. Weiteres ist der DIN EN 12599 zu entnehmen.
2. Vollständigkeitsprüfung
Die Vollständigkeitsprüfung findet ausschließlich bei Stillstand der RLT-Anlage statt und ist eine Sichtkontrolle zwischen der Ausschreibung bzw. dem Vertrag und der Ausführung (Montage). Sie macht keine Aussage darüber, ob die in der Planung ermittelten und auf den Typenschildern zugesagten Leistungen der Bauteile wirklich eingehalten werden können. Diese Aufgabe fällt der anschließenden Funktionsprüfung und Funktionsmessung zu. Es sollten ferner nachfolgende Fragen Beantwortung finden:
- Liegen alle notwendigen Planungsdaten vor, um die Auslegung der RLT-Anlage bewerten zu können?
- Wurden alle Revisionsunterlagen der RLT-Anlage ausgehändigt?
- Sind alle Unterlagen für Betrieb, Wartung sowie Fehlersuche vorhanden und erfolgte eine Einweisung des Bedienpersonals?
- Befinden sich alle Anlagenteile in unbeschädigtem, sauberem, den Planungen entsprechendem Zustand und ist die Zugänglichkeit für Wartung und Reinigung gegeben?
- Stimmen alle Typenschilder, Zertifizierungszeichen und Zulassungsbescheinigungen mit den in der Ausschreibung festgelegten und den in der Planung ermittelten Werten überein (Filterklassen, Leistung der Wärmeübertrager usw.)?
- Wurden alle brandschutztechnischen Maßnahmen (Anordnung der Brandschutzklappen, feuerbeständige Ummantelungen usw.) entsprechend der Planung ausgeführt?
- Sind alle Fühler richtig positioniert sowie alle Regeleinrichtungen und Schaltschränke in einwandfreiem Zustand?
3. Funktionsprüfung
Die Funktionsprüfung stellt die Grundlage zur späteren Funktionsmessung dar. Der Sinn der Funktionsprüfung besteht in der Überprüfung der Betriebsfähigkeit der Anlage. Es soll festgestellt werden, ob die einzelnen Elemente der Anlage wie Filter, Ventilatoren, Lufterhitzer, Kühler, Befeuchter usw. ordnungsgemäß eingebaut und funktionsfähig sind.
Hierzu müssen gegebenenfalls Regelungs- und Steuerungsabläufe sowie Notfallsituationen simuliert werden (beispielsweise bei der Frostschutzfunktion mittels Kältespray), um das richtige Ansprechen einzelner Bauteile sowie mehrerer Bauteile in ihrer Kombination zu beobachten. Grundkenntnisse in der Steuerungs- und Regeltechnik sind unabdingbar, um im Zweifelsfall Fehler zu lokalisieren und wenn möglich zu beheben. Dabei genügt es aber nicht, Regelungssignalen oder anderen indirekten Anzeigen zu vertrauen. Der große Unterschied zu der später folgenden Funktionsmessung ist, dass keine Prüfungen hinsichtlich der geforderten Sollwerte erfolgen (Raumtemperatur, Volumenstrom usw.).
Zum besseren Verständnis der Funktionsprüfung zwei Beispiele:
a) Im simulierten Heizfall wird geprüft, ob das Stellglied (Ventil) für den Warmwasservolumenstrom zum Heizregister öffnet und nicht durch falsche Montage schließt. Dagegen wird erst in der Funktionsmessung festgestellt, ob das Heizregister aufgrund seiner Auslegung und Leistung überhaupt in der Lage ist, den vorhandenen Luftvolumenstrom zu erwärmen.
b) In einer simulierten Notsituation (zum Beispiel bei einer Brandschutzprüfung) genügt es nicht, Signallampen oder Not-Aus Anzeigen zu vertrauen. Es muss festgestellt werden, dass bestimmte Bauteile des RLT-Systems (wie der Ventilator) in Stillstand fahren oder ihren dafür vorgesehenen Zustand eingenommen haben, beispielsweise das Schließen der Brandschutzklappen. Dabei sollte die Brandschutzklappe auch auf den korrekten Einbau überprüft werden (Dichtsitz, Ummörtelung).
Alle Einstell- und Einbauarbeiten müssen bei der Prüfung abgeschlossen sein. Hierzu sind die Anhänge B und C der DIN EN 12599 zu beachten. Einige Prüfungen sind dabei von einfacher Natur und beschränken sich auf die bloße Kontrolle der Drehrichtung oder die Funktion von Schaltern. Für andere hingegen müssen bestimmte Störgrößen simuliert werden, um die einwandfreie Montage festzustellen.
Weitere wesentliche Inhalte der DIN EN 12599 sind:
- Festlegung des Umfanges der Prüfungen (Toleranzen, Messverfahren usw.),
- Einteilung der Zuständigkeiten bezüglich der Durchführung von Prüfungen und/oder möglicher Beaufsichtigung einschließlich Abfassung des Prüfberichts,
- Bedingungen für eine spätere Durchführung von Prüfungen, die aus besonderen Gründen (zum Beispiel Wetterverhältnisse) nicht abgeschlossen werden konnten (häufig der Kühlfall),
- Umfang und Verfahren möglicher Sondermessungen (Raumströmung),
- Erforderliche Maßnahmen im Falle ungeeigneter Prüfergebnisse (zum Beispiel die Wiederaufnahme der Prüfung nach Durchsicht des Systems).
Darüber hinaus wird neuerdings auch eine wiederkehrende Abnahmeprüfung über die Einhaltung der Hygieneanforderungen, gemäß VDI 6022 [3], durch geschultes Personal (Hygieneschulung A) gefordert. Hierbei werden insbesondere die Geräte und das Kanalnetz untersucht.
Ausblick
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, so auch bei der Abnahmedurchführung, wie das nachfolgende Szenario bei der Volumenstrommessung zeigen soll. Gemäss Bild 2 besteht die Möglichkeit der Messung vor oder hinter dem Heizregister. Infolge von Dichteunterschieden kommt es dabei zu gänzlich verschiedenen Volumenströmen. Wenn nun der Bauherr einen vertraglich vereinbarten Volumenstrom von beispielsweise 12.000 m3/h bei 22°C gefordert hat, so läge der hinter dem Erhitzer erfasste Volumenstrom in der üblicherweise 10 bis 15%igen Toleranz. Wenn nun aber vor dem Erhitzer (was auch erlaubt ist) gemessen würde, so könnte ohne weitere Reflektion fälschlicherweise der Eindruck einer Minderleistung mit allen Konsequenzen entstehen. Faktisch muss jedoch über das Dichteverhältnis (Massenstrom ist lediglich konstant) auf den wahren Volumenstrom zurückgerechnet werden (Gleichung 1).
Ein weiteres Beispiel zeigt das Bild 3. Ganz schwarze Schafe der Branche versehen Komponenten schon mal mit falschen Typenschildern. Dieser Eindruck krimineller Energie könnte irrtümlich auch bei dem Nacherhitzer entstehen, bei dem eine erhebliche Minderleistung festgestellt wurde.
Fakt ist aber, dass die falsche Einbausituation (hinter dem Krümmer) die geforderte Leistung niemals zulassen kann. Es kommt in Randbereichen des Kernstroms zu Strömungsschatten oder so genannten Todbereichen. In diesem Wärmetauscher werden somit sicherlich 40% der übertragenden Fläche unwirksam, was letztlich natürlich auch zu einer dementsprechenden Minderleistung führt.
Diese und weitere Fallbeispiele zur Funktionsmessung werden im Folgeartikel erörtert.
L i t e r a t u r :
[1] DIN 18379: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen; Raumlufttechnische Anlagen; Beuth Verlag 2002.
[2] DIN 1946-T2: Raumlufttechnik; Gesundheitstechnische Anforderungen; Beuth Verlag 1994.
[3] VDI 6022 Blatt 1: Hygienische Anforderungen an raumlufttechnische Anlagen, Büro- und Versammlungsräume; Beuth Verlag 1998.
[4] DIN EN 12599: Prüf- und Messverfahren für die Übergabe eingebauter raumlufttechnischer Anlagen; Beuth Verlag 2000.
* Prof. Dr. Andreas Henne, Institut der Fachhochschule Köln
[Zurück] [Übersicht] [www.ikz.de]