IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 01/02/2005, Seite 28 ff. SANITÄRTECHNIK |
Gasströmungswächter - ein Jahr Praxiserfahrungen
Bestandsschutz - Praxisprobleme und Abhilfen - Änderung der Einbaurichtlinien
Dipl.-Ing. Jörg Schütz*
Im Dezember 2003 hat die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) das Arbeitsblatt G 600-B als Beiblatt zum DVGW-Arbeitsblatt G 600 - Technische Regeln für Gas-Installationen (TRGI 86/96) - herausgegeben. Wesentliche Neuerung war seinerzeit die Einführung aktiver Maßnahmen (Gasströmungswächter), um Manipulationen an Gasanlagen zu erschweren. In der Praxis sind im Zuge der Änderungen Fragen und Probleme aufgetaucht, auf die der Fachbeitrag unter anderem eingeht und dazu entsprechende Lösungen aufzeigt.
Rückblick: Bereits im August 2000 wurde die TRGI erstmalig durch die so genannten passiven Maßnahmen zur Erschwerung von Manipulationen an Gas-Installationen ergänzt. Untersuchungen von Gasunglücken hatten gezeigt, dass insbesondere leicht lösbare Verschlussstopfen und Verschraubungen in allgemein zugänglichen Bereichen Ziele von Manipulationen waren. Seit Herausgabe des Arbeitsblattes G 600-B haben aktive Maßnahmen wie der Gasströmungswächter - kurz GS - vor den passiven Vorrang und sind grundsätzlich bei jeder neuen Gasanlage in Gebäuden mit "häuslicher und vergleichbarer Nutzung" zu berücksichtigen.
Bild 1: Der Gasströmungswächter (GS) nach der Hauptabsperreinrichtung (HAE) als aktive Maßnahme zum Beispiel in einem Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus mit zentraler Gasanwendung. |
Bestandsschutz
Wie so oft bei wichtigen Änderungen technischer Regeln war bereits vorauszusehen, dass sich zum Thema Bestandsschutz viele Fragen ergeben würden. Schließlich können in der TRGI keine Regelungen zum Bestandsschutz getroffen werden, da dies ein Bestandteil des bürgerlichen Rechtsbereiches ist. Grundsätzlich sind bestehende Gasanlagen, die gemäß der TRGI erstellt wurden, sicher und genießen Bestandsschutz. In einem Rundschreiben hat sich der DVGW dahingehend geäußert, dass nur bei wesentlichen Änderungen an bestehenden Installationen oder Fall bezogen bei bekannten kritischen Nutzungsverhältnissen eine Anpassung an die neuen Bestimmungen notwendig ist. Von wesentlichen Änderungen ist beispielsweise nicht auszugehen bei Wartungsarbeiten an Gasgeräten oder Gebrauchsfähigkeitsprüfungen. Auch der turnusmäßige Wechsel eines Gaszählers oder der Austausch eines Gasgerätes im etagenversorgten Mehrfamilienhaus stellt noch keine wesentliche Änderung dar. Der Bestandsschutz erlischt aber grundsätzlich dann, wenn eine Installation demontiert und neu errichtet wird. Beispiel: Der Aus- und Wiedereinbau eines Heizgerätes am gleichen Platz ist zulässig, jedoch darf dieses Gerät nicht örtlich versetzt werden, da ansonsten der Bestandsschutz erlischt. Dies gilt sinngemäß auch für den Umbau einer Zähleranlage oder den Ersatz von Etagenheizungen durch eine Zentralheizungsanlage.
Bild 2: GS mit verschiedenen Schließfaktoren fSmax (waagerecht entweder fSmax = 1,45 oder fSmax = 1,8; senkrecht fSmax = 1,8) zum Beispiel in einem Mehrfamilienhaus mit Etagengasanwendung. Dazu befindet sich ein GS hinter der HAE sowie jeweils einer vor jedem Etagen-Gaszähler. |
Unabhängig davon, sollte der SHK-Fachbetrieb grundsätzlich die Betreiber technischer Anlagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das jeweils aktuellste technische Regelwerk hinweisen, damit die Anlagen sukzessive auf den neuesten Stand gebracht werden.
Praxisprobleme und Abhilfen
Viel diskutiert wurden die zwei GS-Typen "M" (Schließfaktor fSmax = 1,8) und "K" (fSmax = 1,45) wobei insbesondere für Verwirrung sorgte, dass der Typ "K" nur bei waagerechtem Einbau einen Schließfaktor von fSmax = 1,45 aufweist. Bei senkrechtem Einbau beträgt der Schließfaktor fSmax auch bei diesem Typ 1,8. Allgemein wird die waagerechte Einbaulage und damit der geringere Schließfaktor angestrebt, weil dadurch die nachträgliche Überprüfung der Leitungsdimensionierung entfallen kann. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Ermittlung der Rohrdurchmesser einer Gasinstallation nach TRGI, Abschnitt 3.9, muss nach wie vor in jedem Fall durchgeführt werden.
Während der Einführungsphase sind bei einigen Gasinstallationen, die mit einem GS ausgerüstet worden sind, Betriebsstörungen aufgetreten. Dabei löste der GS trotz korrekter Bemessung gemäß den Vorgaben des Regelwerks aus. Der Grund war im Wesentlichen ein Überschwingen in dem Leitungssystem beim Start der Heizgeräte. Einige Störungen hatten jedoch ihre Ursache darin, dass für die Ermittlung des Anschlusswertes VA nicht mit dem korrekten Betriebsheizwert HiB (der zwischen den Gasversorgern variiert) gerechnet wurde, sondern mit dem - in den meisten Musterrechnungen verwendeten - gerundeten Wert von 10 KWh/m³ (statt zum Beispiel 9,4 KWh/m³). Dies führte dann bei Verwendung der bisher gültigen Tabellen in Grenzfällen zu einem zu kleinen GS, welcher zwangsläufig zu früh ansprach. Daher ist darauf zu achten, dass zum einen mit dem jeweils zutreffenden Betriebsheizwert HiB (der beim Gasversorger zu erfragen ist) gerechnet wird und zum anderen für die Ermittlung des Anschlusswertes bzw. des Summenvolumenstroms die Nennbelastungen der Gasgeräte ohne Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit (bei Kombigeräten die Warmwasser- und nicht die Heizbelastung) zu berücksichtigen sind.
Bild 3: Tabelle 3 b aus dem DVGW-Rundschreiben G 07/04: Auswahl des GS K3 bzw. M3 hinter dem Gas-Druckregelgerät sowie Bemessungsvorgaben für die Leitungslängen. Grundsätzlich kann bei Gasgeräten zur Zentralbeheizung (Kessel, Thermen, Kombigeräte) auch ein GS der nächst größeren Leistungsstufe eingebaut werden. Für diesen Fall muss auch bei Einsatz des GS Typ K eine Bemessung/Abgleich der Leitungslängen (siehe die jeweils hell unterlegten Felder) vorgenommen werden. |
Änderung der Einbaurichtlinien
Aufgrund der zuvor beschriebenen Vorfälle hat der DVGW als regelsetzendes Organ in Abstimmung mit dem ZVSHK folgende Informationen herausgegeben:
- Es sind nur noch die neuen Auswahltabellen 3 b und 4 b, in die ein Sicherheitsabstand eingearbeitet wurde, für die Auslegung zu verwenden. Zusätzlich kann, wenn nur ein einzelnes Gasgerät (z.B. ein Kessel für die zentrale Beheizung) installiert ist, und damit keine Reserven durch andere Gasgeräte (Gasherd, Terrassenstrahler usw.) vorhanden sind, auch der jeweils nächst größere GS gewählt werden. Für diesen letzteren Fall muss auch bei Einsatz des GS-Typ "K" eine Überprüfung und eventuell ein Abgleich der Leitungslängen vorgenommen werden. Dazu sind die hell unterlegten Felder anzuwenden (Bilder 3 und 4).
- Bei der Inbetriebnahme des Gasgerätes sollten mehrere Starts sowie eine Betriebsweise unter Volllast durchgeführt werden.
- Falls es in Ausnahmefällen doch noch zu Betriebsstörungen kommen sollte, kann der GS wieder ausgebaut werden. In diesen Fällen ist die Gasinstallation passiv zu sichern. Außerdem ist möglichst umgehend ein Erfassungsbogen (Bild 5) ausgefüllt an das GWI Gaswärme-Institut e.V. Essen, Hafenstraße 101, 45356 Essen, zu senden (dies gilt bis zum 31. 01. 2005). Für den Ausbau und die Protokollierung der Störung ist eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 150,00 Euro inklusive MwSt. vorgesehen. Eine Kopie des Erfassungsbogens sollte an den jeweiligen SHK Landes-Fachverband gesendet werden.
- Beim DVGW ist eine Meldestelle für Fragen bei Betriebsstörungen mit GS oder zum Ausfüllen des Erfassungsbogens eingerichtet, Tel.: 0162/9754973.
- Es gibt eine Information vom ZVSHK für den Endkunden, die über mögliche Probleme mit dem GS aufklärt.
Bild 4: Tabelle 4 b aus dem DVGW-Rundschreiben G 07/04: Auswahl des Gas-Druckregelgerätes mit integriertem GS bzw. des GS M1 oder K1 vor dem Gasdruckregelgerät sowie Bemessungsvorgaben für die Leitungslängen. Grundsätzlich kann bei Gasgeräten zur Zentralbeheizung (Kessel, Thermen, Kombigeräte) auch ein GS der nächst größeren Leistungsstufe eingebaut werden. Für diesen Fall muss auch bei Einsatz des GS Typ K eine Bemessung/Abgleich der Leitungslängen (siehe die jeweils hell unterlegten Felder) vorgenommen werden. |
Auch zu einigen immer wieder gestellten Fragen (beispielsweise zum Geltungsbereich der Maßnahmen zur Manipulationserschwerung) hat sich der DVGW inzwischen geäußert.
Mit den im DVGW-Arbeitsblatt G 600 B genannten Gebäuden mit "häuslicher und vergleichbarer Nutzung" sind neben Wohngebäuden zum Beispiel auch Bürogebäude, Hotels, Schulen, Pflegeheime oder Kindergärten gemeint. Ebenso sind GS in gewerblichen Anlagen vorzusehen, wenn sich diese in einer Mischnutzung befinden, beispielsweise bei einer Bäckerei im Wohngebäude. Nur bei ausschließlich gewerblich und industriell genutzten Gasgeräten (wie auf Werksgeländen) sind keine GS erforderlich. Damit wurden in diesem Punkt dieselben Installationsgrundsätze wie für die thermisch auslösende Absperreinrichtung (TAE) übernommen. In diesem Zusammenhang muss noch erwähnt werden, dass der GS kein Ersatz für die TAE darstellt, das heißt, beide Bauteile haben unterschiedliche Schutzziele, die sie mit unterschiedlichen Absicherungselementen erreichen.
Bild 5: Für den Fall, dass es trotz der neuen Einbaurichtlinien doch noch zu Betriebsstörungen kommen sollte, kann der Handwerksbetrieb den GS ausbauen und durch passive Maßnahmen sichern. Dieser Ausnahmefall ist in einem Erfassungsbogen zu protokollieren, welcher möglichst umgehend an das Gaswärme-Institut e.V. nach Essen gesendet werden muss (dies gilt bis zum 31. 01. 2005). Für den Aufwand erhält der Betrieb eine Entschädigung in Höhe von 150,00 Euro inklusive MwSt. |
Hinsichtlich der Anforderung zum Einbau des GS "unmittelbar nach der HAE" hat sich der DVGW insofern geäußert, dass, wenn es die Situation vor Ort erfordert, Formstücke wie Rohrnippel, Doppelnippel, Reduzierstück oder ein Bogenfitting unmittelbar hinter der HAE bzw. nach dem Gas-Druckregelgerät (wenn dieses nach der HAE folgt) aber noch vor dem Gasströmungswächter eingebaut werden können. Anzustreben ist jedoch der Einbau des GS unmittelbar nach der HAE. Für Leistungen größer 16 m³/h oder für Leitungen über DN 50 ist der GS laut DVGW Arbeitsblatt G 600 B nicht gefordert. In diesem Fall empfiehlt es sich, im Bereich der Verteilungsleitung vorhandene lösbare Verbindungen, z. B. an der Zähleranlage, insbesondere im Mehrfamilienhaus, durch bauliche Maßnahmen (Einhausung, Gasanlage im nicht allgemein zugänglichen Raum angeordnet) oder durch konstruktive Schutzmaßnahmen (Kapselung oder Verkleben verdrehbarer Teile) passiv zu sichern.
Anwendungsbeispiel |
Von der Theorie zur Praxis. Die IKZ-HAUSTECHNIK hat nachgefragt: "Wie erfolgt die Anwendung der neuen Tabelle (3 b bzw. 4 b) aus dem DVGW-Rundschreiben G 07/04 und wie müssen Verteilungs- bzw. Steigleitungen berücksichtigt werden?" Dazu Dipl.-Ing. Jörg Schütz, Geschäftsführer Technik beim Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern:Zunächst zu den erwähnten Leitungsabschnitten. Diese müssen bei der Überprüfung der Bemessungsvorgaben berücksichtigt werden. Die TRGI 86/96 unterteilt die Leitungsabschnitte noch differenzierter gegenüber den Tabellen 3 b und 4 b aus dem DVGW-Rundschreiben, sodass es zu folgenden Zuordnungen kommt:
Zur Veranschaulichung nachfolgend ein Beispiel für die Anwendung der neuen Tabelle 3 b (Auswahl des GS "K3" bzw. "M3" hinter dem Gas-Druckregelgerät sowie Bemessungsvorgaben für die Leitungslängen). In einem Gebäude befindet sich eine Zentralheizungsanlage mit einem Gasheizkessel. Es sind keine weiteren Gasverbraucher installiert. Die Rohrnennweiten sind zunächst nach TRGI 3.9 zu ermitteln. Für die Auswahl des GS bzw. die Überprüfung der Bemessungsvorgaben für die Leitungslängen muss als erstes der Anschlusswert VA bzw. bei mehreren Gasverbrauchern der Summenvolumenstrom VA berechnet werden. Nennwärmebelastung Heizkessel QNB: 30 kW, Betriebsheizwert HiB (ist beim jeweiligen Gasversorger zu erfragen) zum Beispiel: 9,4 kWh/m3. Anschlusswert VA (in diesem Fall = VA) = 30 kW / 9,4 kWh/m3 = 3,19 m3/h. Folgende Gasströmungswächter und Leitungslängen sind bei der Einzelzuleitung möglich: 1) GS Leistungsstufe VGas 4,0 m3/h, für VA = 2,1 bis 3,2 m3/h (leistungsbezogene Auswahl):
oder: 2) GS Leistungsstufe VGas 6,0 m3/h ,für VA = 3,3 bis 4,8 m3/h (nächst größere Leistungsstufe für Reserven gegen Überschwingen im Leitungssystem bei Gerätestart):
Für alle Fälle mit Begrenzung der Leitungslängen gilt, dass bei Überschreiten der maximal zulässigen Rohrlängen größere Nennweiten entsprechend Tabelle 3 b (oder 4 b) ausgewählt werden müssen. Des Weiteren ist zu beachten, dass in einem Fließweg nur ein Dimensionssprung vorhanden sein darf, wobei der Fließweg im Ein- und Zweifamilienhaus sowie im Mehrfamilienhaus mit zentraler Gasanwendung vom GS bis zum jeweiligen Gerät geht und im Mehrfamilienhaus mit Etagengasanwendung vom GS (bei der HAE) bis zum jeweils nächsten GS (beim Etagengaszähler) und von dort aus jeweils bis zum Gerät. Wenn mehrere Gasgeräte installiert werden, ist der GS leistungsbezogen auszulegen. |
Fazit: Auch mit dem Einbau von aktiven und gegebenenfalls passiven Maßnahmen lässt sich keine vollkommene Manipulationssicherheit erreichen. Jedoch sind jetzt zur Manipulation an derart abgesicherten Gasinstallationen weitergehende Kenntnisse erforderlich. Damit wird das bestehende hohe Sicherheitsniveau von Gasanlagen nochmals angehoben.
* Dipl.-Ing. Jörg Schütz, Geschäftsführer Technik beim Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern.
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