IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/2004, Seite 18 ff.
VERBÄNDE AKTUELL |
Nordrhein-Westfalen
Obermeistertag 2004: wechselhafte Zeiten
Ende September trafen sich die Delegierten der 55 angeschlossenen Innungen zur turnusgemäßen Obermeistertagung des SHK-Fachverbandes NRW auf Schloss Raesfeld. Inhaltliche Schwerpunkte der Veranstaltung bildeten u.a. Fachreferate zur EU-Osterweiterung, zur Tarifpolitik und zur beabsichtigten Öffnung der Großhandelsausstellungen.
"Es sind schwierige Zeiten im Handwerk. Die Konjunktur dümpelt vor sich hin", beschrieb der bis Anfang Oktober 2004 amtierende Landesinnungsmeister Rudolf Peters in seiner Begrüßungsansprache die wirtschaftliche Lage. Nicht VOB-konforme Ausschreibungen, Großkonzerne, die den Handwerker zum Schrauber degradieren wollen und die Aktivitäten des Großhandels setzten dem Handwerk ebenfalls zu. Zudem beobachte man mit Sorge, dass die Zahl der Ausbildungsverhältnisse sinke. Vor diesem Hintergrund appellierte Peters an die Betriebe, sich verstärkt auf dem Bildungssektor zu engagieren: "Schließlich brauchen wir auch in 50 Jahren noch Wasser, Wärme und Luft."
"Es sind schwierige Zeiten im Handwerk. Die Konjunktur dümpelt vor sich hin." |
Herausforderung Europäische Union
Gleich vier Referate zu aktuellen Themen standen auf dem Programm der Obermeistertagung. Den Anfang bildete der Vortrag von Jürgen Koch (Bundesagentur für Arbeit) unter dem Titel "Arbeitskräftebewegung innerhalb der 25 EU-Länder - Gefahren für das SHK-Handwerk?".
Nachdem sich zum 1. Mai 2004 die Europäische Union um zehn neue Mitglieder erweitert hat, sind nicht nur grenznahe Handwerksbetriebe verunsichert, welche Ausmaße die Konkurrenz durch Billiglohnbetriebe aus den Beitrittsländern nehmen wird. Grundsätzlich dürfen Unternehmen aus den Beitrittsstaaten in Deutschland Dienstleistungen bzw. Werkleistungen erbringen. Zwar gibt es diesbezüglich voraussichtlich für die nächsten sieben Jahre gewisse Einschränkungen, ein Installateur aus Polen beispielsweise darf aber bereits heute schon als allein arbeitender Selbstständiger Leistungen in Deutschland erbringen. Er muss dafür nicht einmal in die Handwerksrolle eingetragen sein. Lediglich ein Nachweis der beruflichen Qualifikation ist zu erbringen. Eine Tatsache, die Ängste im Handwerk schürt. Unberechtigter Weise, meint Koch, und begründet: "Aufgrund der langen Übergangsfrist kommt die uneingeschränkte Dienstleistungsfreiheit erst dann zum tragen, wenn hierzulande aufgrund der demografischen Entwicklung ohnehin Fachkräfte fehlen." Derzeit betrage das Verhältnis gelernte/ungelernte Arbeitnehmer im SHK-Handwerk 4/1. Angesichts rückläufiger Ausbildungsverhältnisse im SHK-Bereich - minus drei Prozent allein im Ausbildungsjahr 2003 - könnte das Verhältnis kippen. "Die Diskussion wird dann womöglich in eine gänzlich andere Richtung laufen."
Zurück zur 40-Stunden-Woche?
Unter dem provokanten Titel "Tarifpolitik - sind 42 Stunden normal?" hat Dr. Hagen Lesch (Institut der Deutschen Wirtschaft) sein Referat gestellt. Hintergrund ist die regelmäßig aufflammende Arbeitszeitdiskussion. Je mehr Großfirmen wie Siemens, DaimlerChrysler oder auch VW Arbeitszeitverlängerungen durchsetzen, desto eher werden mittelständische Betriebe zur 40-Stunden-Woche zurückkehren wollen. Vor diesem Hintergrund erläuterte und verglich Lesch die tariflichen und effektiven Arbeitszeiten in der Bundesrepublik mit den anderen europäischen Staaten. Ergebnis: Während ein Vollzeitbeschäftigter beispielsweise in England im Jahresdurchschnitt tariflich 1685 Stunden arbeitet, kommt sein deutscher Kollege auf 1661 Stunden.
Dass die hohe Arbeitslosigkeit hier zu Lande nicht zuletzt auf zu hohen Löhnen resultiert, meinen laut Lesch Fachleute wie Prof. Hans-Werner Sinn (Chef des "ifo-Instituts"). Der fordert: "Lohn- und Arbeitskosten müssen runter, beispielsweise durch eine indirekte Lohnsenkung über eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Eine 42-Stunden-Woche würde den deutschen Lohnkostennachteil in etwa ausgleichen."
Die Ergänzungstarifverträge der Metall- und Elektro-Industrie gehen laut Lesch derzeit allerdings in eine andere Richtung. Nicht die Arbeitszeitverlängerung stehe im Vordergrund, sondern Kosteneinsparungen über die Senkung von Sonderzahlungen, das Aussetzen von Tariflohnsteigerungen und das Streichen von Überstundenzuschlägen.
Um die Meinung der anwesenden Obermeister abzufragen, hat der Fachverband während des Obermeistertages eine Umfrage zur Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche durchgeführt. Mit 42 Ja- und nur 2 Nein-Stimmen fiel das Ergebnis klar zugunsten der 40-Stunden-Woche aus. "Der tarifpolitische Ausschuss wird dieses Ergebnis in die zurzeit laufenden Verhandlungen mit der IG-Metall aufnehmen", so Hauptgeschäftsführer Hans-Georg Geißdörfer.
Öffnung der Großhandelsausstellungen - die Antwort des Handwerks
Herbe Kritik an der unlängst verabschiedeten Präambel des Deutschen Großhandelsverbands Haustechnik (DGH) äußerte Ra Michael von Bock und Polach, Hauptgeschäftsführer des ZVSHK, in seinem Vortrag zur geplanten Öffnung der Großhandelsausstellungen*. In der Präambel heißt es: "Wir beraten und verkaufen nur im Auftrag des dreistufig arbeitenden SHK-Handwerkers. Grundsätzlich gibt es keine Rechnung an den Endverbraucher und keinen VGA. Gegenseitige, regionale Vereinbarungen sind die Basis des Einzelhandelsgeschäfts. Gemeinsam mit dem SHK-Handwerker wollen wir die Emotionen während der Ausstellungsberatung zum Abschluss nutzen."
"Nicht konsequent zu Ende gedacht und somit nicht prüffähig." |
Als "nicht konsequent zu Ende gedacht, lückenhaft und somit nicht prüffähig" kommentierte der ZVSHK-Hauptgeschäftsführer das DGH-Papier und mahnte ein klares, rechtlich in sich geschlossenes Konzept des Handels an. So fehlten die Regelungen etwaiger Leistungsstörungen wie Zahlungsrisiko, Irrtumsanfechtung und Gewährleistung im Rahmen der Vertragsabwicklung ebenso wie die Entscheidung über Produkte und Markenpräferenzen, die angeboten werden sollen. "Ohne eine weitere Konkretisierung des Großhandelskonzeptes ist eine fundierte Beurteilung nicht möglich", stellte von Bock und Polach klar.
Im Sinne des Handwerks unterbreitete er folgende Gegenvorschläge:
- Klare Positionierung der Einzelhandelstreibenden - Unterstützung durch ein neues Berliner Modell.
- Erhöhung der Verkaufsaktivitäten im Handwerk, damit der Großhandelsvorschlag entbehrlich wird.
- Verstärkte Wahrnehmung von Verkaufsschulungen, nicht nur von Einzelhandelsaktiven.
- Einsetzung von Unterstützungsmaßnahmen für die Einzelhandelstreibenden aus Bundes- und Landesmitteln, z.B. Badguide.
- Kooperationen von Innungen und/oder ausgewählten Handwerkern mit Großhändlern vor Ort zur "Bedienung" aller interessierten Kunden.
Schadenmanagement der Haftpflichtversicherer
Über das Schadenmanagement der Westfälischen Provinzial bei Gebäude-Leitungswasserschäden informierte Marianne Isermann. Ihren Ausführungen zufolge steige die Schadenentwicklung in der Wohngebäude-Leitungswasserversicherung seit 1996. Die Westfälische Provinzial habe im Geschäftsjahr 2003 allein 67.000 Wohngebäude-Leitungswasserschäden mit einem finanziellen Aufwand von 76 Mio. Euro reguliert. Ein effektives Zusammenspiel aller Beteiligten - Versicherungsnehmer, Versicherer, Handwerker - sei deshalb ein wesentliches Instrument, notwendige Versicherungsleistungen preiswert durchführen zu lassen.
"Wir haben festgestellt, dass die Kosten für die Schadenregulierung höher liegen, wenn Leckortung und -beseitigung von einer Firma ausgeführt werden." |
Beispielsweise sollten Fachhandwerker die Suche nach der Schadensursache - sofern nicht offensichtlich - nur nach Absprache mit dem Versicherungsgeber beginnen. Die Provinzial wolle nur qualifizierte Firmen zur Leckortung beauftragen, außerdem müsse es eine unternehmerische Trennung zwischen Leckortung und Schadenbeseitigung geben, betonte Isermann und begründete: "Wir haben festgestellt, dass die Kosten für die Schadenregulierung höher liegen, wenn Leckortung und -beseitigung von einer Firma ausgeführt werden."
Blick in den Tagungssaal. |
Die Referentin wies ergänzend darauf hin, dass die Provinzial pro Rohrbruch maximal vier Meter Rohrleitung ersetze und dass bei Fliesenschäden der Grundsatz "Teilaustausch vor Neuverfliesung" gelte. Die Demontage von Duschtrennwänden müsse überdies zerstörungsfrei erfolgen. In früheren Zeiten wären ältere Trennwände häufig entsorgt und auf Kosten der Versicherer neue eingebaut worden. Angesichts knapper Kassen werde dies heute nicht mehr akzeptiert.
Am zweiten Tag der Obermeistertagung wurden wichtige Themen der bevorstehenden Mitgliederversammlung diskutiert.
Internetinformationen: |
* Wir berichteten bereits in Ausgabe 15/2004, Leserbriefe zum Thema finden sich in den Ausgaben 17/2004 und 19/2004, ein Editorial in Heft 20/2004.
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