IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/2004, Seite 16 f.


BRANCHE AKTUELL


 

Heißes Eisen

Zur Frage: Kann der SHK-Betrieb aufgrund der Stahlpreisexplosion eine Preisanpassung vom Auftraggeber verlangen?

Die in jüngster Zeit eingetretenen extremen Steigerungen bei den Stahlpreisen führen im Regelfall weder bei dem SHK-Betrieb noch bei dem Baustahllieferanten zu einem Anspruch auf eine Preis- bzw. Vergütungsanpassung, es sei denn, diese ist ausdrücklich im Rahmen einer Stoffpreisgleitklausel vereinbart. Das ist das Resümee von RA F.-W. Stohlmann, Geschäftsführer Recht im Fachverband Sanitär Heizung Klima, Nordrhein-Westfalen.

Seit Jahresbeginn haben sich die Stahlpreise je nach Baustahlsorte um 60 - 90 Prozent erhöht. Diese Entwicklung ist im Mai zum (vorläufigen?) Stillstand gekommen. Sowohl Baustahlhändler als auch SHK-Unternehmen haben sich gegenüber ihren Vertragspartnern auf die Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB berufen und eine Preis- bzw. Vergütungsanpassung gefordert. Dem Fachverband liegen in dieser Hinsicht etliche Anfragen von Betrieben vor, die vor Erhöhung der Stahlpreise Verträge abgeschlossen hatten und nun zu den angebotenen Preisen entsprechende Materialien, die aus Stahl hergestellt sind, liefern müssten. Kann der SHK-Betrieb den erheblichen Preisanstieg gegenüber dem Auftraggeber weiterberechnen?

Rückblick: Die letzte markante Stahlpreiserhöhung ereignete sich gegen Ende der 60er-Jahre und hat sich - soweit erkennbar - nicht in der Rechtsprechung niedergeschlagen. Zur Klärung des Problems kann jedoch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08. 02. 1978, abgedruckt in der Juristischen Zeitung 1978 (Seite 235) zurückgegriffen werden. Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu befinden, ob sich ein Heizöllieferant, der sich einer deutschen Großstadt gegenüber zur Lieferung des gesamten Heizöljahresbedarfs für 1973 verpflichtet hatte, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen konnte, nachdem sich der Ölpreis nach Vertragsschluss um über 100% erhöht hatte ("Ölkrise"). Der BGH ging nach den damals aus § 242 BGB hergeleiteten richterlichen Grundsätzen davon aus, dass bei gegenseitigen Verträgen in der Regel die Vorstellung von Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung als stillschweigende Geschäftsgrundlage anzusehen sei. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt allerdings dann nicht, wenn der Vertrag ergebe, wie die Parteien die Veränderung bestimmter Umstände geregelt wissen wollten. Umstände, die nach dem Vertrag ersichtlich in den Risikobereich eines Vertragspartners fallen, seien unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage unbeachtlich. Als vertragliche Risikoübernahme sei insbesondere die Vereinbarung eines Festpreises anzusehen. Außerdem komme dem Grundsatz der Vertragstreue überragende Bedeutung zu, weshalb die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur in Extremfällen zulässig sei. Hiervon sei dann nicht auszugehen, wenn die betroffene Partei die Möglichkeit gehabt habe, die Nachteile der Preisentwicklung z.B. durch Lagerhaltung zu vermeiden. Der Öllieferant verlor seine Zahlungsklage über fast 700.000 DM.

Praxishinweis

Da der Baustahlanteil z.B. im Bereich des Hochbaus nur ca. 15% der Kosten für Rohbauarbeiten ausmacht, dürfte die Anwendung des § 313 BGB (siehe Kasten) im Bauvertragsverhältnis nahezu ausgeschlossen sein. Beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sind die Preiserhöhungen jedoch bei der Kalkulation von Nachträgen (vgl. § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B sowie in den Fällen des § 6 Nr. 6 VOB/B sowie des § 642 BGB) berücksichtigungsfähig.

Bei nicht vorhersehbar erforderlichen Mehrmengen gilt dies auch für Fälle des § 2 Nr. 3 VOB/B. Soweit sich ein Baustahlhändler auf eine Festpreisvereinbarung eingelassen hat, wird auch dieser im Regelfall wegen der damit verbundenen vertraglichen Risikoübernahme nicht auf § 313 BGB zurückgreifen können.

Die SHK-Betriebe, die von diesen Stahlpreiserhöhungen betroffen sind, haben daher in der Regel keine Möglichkeit, die Einkaufsmehrpreise an den Auftraggeber durchzureichen, es sei denn, es ist von vornherein eine entsprechende Stoffpreisgleitklausel (Materialpreisgleitklausel) in dem Vertrag aus Vorsorge vereinbart worden und der Auftraggeber hat sich hiermit vertraglich einverstanden erklärt.

Die in der Rechtsabteilung des Fachverbandes vorliegenden Anfragen konnten daher in der Regel nur dahingehend beantwortet werden, dass der bereits im römischen Recht geltende Satz "Pacta sunt servanda" = "Verträge sind bindend" Anwendung findet.


§ 313 BGB: Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.


Drei Fragen an den Rechtsexperten

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie lässt sich die in dem Artikel zitierte Stoffpreisgleitklausel juristisch korrekt in ein Angebot einbinden?

RA F.-W. Stohlmann: Ich könnte mir folgende Stoffpreisgleitklausel, die zum Vertragsinhalt gemacht werden müsste, vorstellen: Werden für die Ausführung der Leistung Materialien aus Stahl in so erheblichem Umfang verwendet, dass die Kalkulation durch entsprechende Preisschwankungen dieser Stoffe wesentlich beeinflusst werden kann, so ist der Unternehmer bei einer Preiserhöhung zwischen Abgabe seines Angebotes und Ausführung in Höhe von mehr als 30% berechtigt, diese Preiserhöhungen an den Auftraggeber weiterzugeben, soweit zwischen Vertragsabschluss und Ausführungsbeginn mindestens drei Monate liegen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Nun werden sich potenzielle Auftragsgeber ungern auf diese Stoffpreisgleitklausel einlassen wollen, schließlich würden sie damit ein stückweit unternehmerisches Risiko übernehmen.

RA F.-W. Stohlmann: Es wird in der Tat wohl nur wenige Auftraggeber geben, die sich auf die oben vorgestellte Stoffpreisgleitklausel einlassen, sodass es letztendlich in der Regel wegen Nichtdurchsetzung der genannten Stoffpreisgleitklausel bei dem unternehmerischen Risiko der in dem Artikel genannten Preiserhöhung bleiben wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es eine elegante Möglichkeit für Handwerksbetriebe, die sich auf eine Festpreisvereinbarung eingelassen haben, noch vor Beginn der Arbeiten vom Werkvertrag zurückzutreten - sprich, das Angebot zurückzuziehen?

RA F.-W. Stohlmann: Soweit der Unternehmer beabsichtigt, von einem Werkvertrag aufgrund der eingetretenen Preiserhöhung zurückzutreten, so müsste auch dies vorher - nämlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - ausdrücklich geregelt werden. In diesem Fall könnte folgende Klausel helfen: Soweit nach Abschluss des Bauvertrages und dem Beginn der Ausführung der Leistung des Unternehmers eine Erhöhung der Materialpreise für Materialien aus Stahl von mehr als 30 % eintritt, so ist der Unternehmer berechtigt, von dem Vertrag aufgrund der Preiserhöhung des Lieferanten zurückzutreten. Im Falle des Rücktrittes des Unternehmers bei Preiserhöhungen von über 30 % in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Beginn der Arbeiten hat der Unternehmer dem Auftraggeber keinerlei Schadenersatz zu leisten. Er wird ausdrücklich von Schadenersatzansprüchen freigestellt.

Hierbei ist allerdings anzumerken, dass die Preiserhöhung allein nicht zu einer Anfechtung des Vertrages berechtigt. Nach den geltenden Bestimmungen zu § 119 BGB sind Kalkulationsirrtümer als so genannte Motivirrtümer nicht geeignet, eine Anfechtung eines Vertrages herbeizuführen.


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