IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2004, Seite 32 ff.



Ergebnisse einer Evaluierung in Österreich

Praxiserfahrungen von 92 Wohnraumlüftungsanlagen

Teil 1: Gesamtergebnisse - Fehler - Verbesserungsmöglichkeiten

Andreas Greml*

Im Rahmen der Programmlinie "Haus der Zukunft" des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie wurden in Österreich 92 Wohnraumlüftungsanlagen, die überwiegend nach 1999 errichtet wurden, evaluiert. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sind weitgehend auch für Deutschland relevant, da sich die Anlagentechnologie bzw. der Wissensstand von Planern und Installateuren in Österreich und Deutschland nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Ausgangspunkt und Projektziel: Die Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung gehört derzeit noch nicht zur Standardausrüstung im Wohnungsbau. Dementsprechend bestehen teilweise noch große Unsicherheit und Skepsis bezüglich der technischen Qualität der Anlagen. Dies wirkt sich wiederum nachteilig auf die Verbreitung von Wohnraumlüftungen aus. Die objektive Darstellung der in Österreich eingebauten Qualität von Lüftungsanlagen stellt den Kernpunkt dieses Forschungsprojektes dar. Wichtigstes Ziel war es, Fehler und Mängel und deren mögliche positive Lösungen aufzuzeigen, um die Qualität zukünftiger Wohnraumlüftungsanlagen zu verbessern. Der für die Anlagenbeurteilung aufgestellte Kriterienkatalog mit 55 Qualitätsmerkmalen kann bei zukünftigen Anlagen als Leitfaden für die Anlagenauslegung, -ausschreibung bzw. -ausführung verwendet werden.

Vorgehensweise des Forschungsprojektes: Die Evaluierung wurde in drei Schritten vorgenommen. Parallel wurden eine Befragung der Nutzer, eine messtechnische Untersuchung von wesentlichen Anlagenparametern wie z.B. Luftmengen, Druckverlusten und Leistungsaufnahmen sowie ein Vergleich der Qualität einzelner Anlagenteile vorgenommen.

Positiv: Lüftungsgerät mit Gegenstromwärmetauscher und automatischem Sommerbypass (Fa. Rewa), doppelt ausgeführter Geräteschalldämpfer im Zuluftbereicht (Geräteschalldämpfer für Abluftstrang im Nebenraum).
Negativ: fehlende Rohrdämmung.

Nutzerzufriedenheit und Wohnform: Insgesamt zeigt die Evaluierung, dass besonders im Einfamilienhausbereich, bei dem sich die Nutzer selbst für die Anlage entschieden haben, eine sehr hohe Identifikation und Zufriedenheit mit den Wohnraumlüftungsanlagen vorherrscht. Sogar dann, wenn die Anlagen objektiv gesehen einige Mängel aufweisen. Anders sieht es im Wohnbau aus. Hier haben die Nutzer die Entscheidung über die Anlagenerrichtung nicht selbst getroffen und stehen ihr zumindest anfangs auch bei einer guten Anlagenqualität äußerst kritisch gegenüber. Dennoch fällt auch hier die subjektive Bewertung großteils positiv aus.

Beweggründe für den Bau einer Anlage: Aus der spezifischen Nutzerbefragung geht zudem hervor, dass die häufigsten Beweggründe zur Realisierung einer Anlage "Luftqualität und Energieeinsparung" sind. Die erwartete konstant gute Luftqualität im Gegensatz zu Wohnungen, die über Fenster belüfteten werden, ist demnach ein anerkanntes Argument für eine Lüftungsanlage. Daher verwundert es auch nicht, dass mehr als ein Drittel der untersuchten Anlagen nicht unbedingt in typischen Niedrigenergiehäusern vorzufinden waren.

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Befragung ist, dass meist Architekten den Anstoß für die Einplanung einer mechanischen Lüftungsanlage gaben, während Installateure eher selten als Initiatoren genannt wurden.

Positiv: Drosselklappe weit entfernt von den Auslässen sowie gleichmäßige Luftmengenverteilung für die drei Quellluftauslässe im Wohnzimmer.
Negativ: Rohrdämmung noch nicht ausgeführt.

Untersuchte Anlagentypen: Insgesamt wurden 80 Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung (WRG) in Einfamilienhäusern, 9 Zu- und Abluftanlagen (dezentral = wohnungsweise) mit WRG im mehrgeschossigen Wohnbau und 3 zentrale Abluftanlagen im Mehrgeschosswohnbau untersucht. Bei 29 Anlagen war eine Kleinstwärmepumpe in das Lüftungssystem eingebunden. 64 Anlagen waren mit einem Erdwärmetauscher zur Frischluftvorwärmung ausgestattet und 26 Anlagen hatten ein Nachheizregister (10 wassergeführt, 16 elektrisch beheizt).

Unbedingt zu unterscheiden ist zwischen reinen Lüftungsanlagen und Lüftungsanlagen mit Heizungsfunktion, die vorwiegend beim Passivhauskonzept eingesetzt werden. Im Forschungsprojekt lag der Schwerpunkt auf reinen Lüftungsanlagen zur Erzielung eines hygienischen Luftwechsels. Generell bestätigte sich bei der Evaluierung, dass alle Versuche, ausschließlich über die Zuluft zu heizen, in der Praxis scheitern, wenn das erweiterte Passivhauskriterium "maximale Heizlast von 10 W/m2 Wohnnutzfläche" nicht eingehalten wird. Das alleinige Unterschreiten des "Grenzwertes für den Heizwärmebedarf von 15 kWh/(m2 a) Wohnnutzfläche" ist nicht ausreichend.

Positiv: Gebogener Geräteschalldämpfer auf der Abluftseite.
Negativ: Rohre nur provisorisch verbunden, bzw. befestigt. Rohrdämmung noch nicht ausgeführt.

Um die Begrenztheit der Wärmeeinbringung mit der Zuluft zu verdeutlichen, ist folgende Beispielrechnung angeführt: Wohnung mit 150 m2 Nettofläche und einer Raumhöhe von 2,6 m (390 m2 Nettovolumen), spezifische Heizlast 10 W/m2 bzw. 1500 Watt Gesamtheizlast.

Bei einem hygienischen Lüftungsvolumen von 180 m2/h ergibt sich bei einer Raumtemperatur von 22°C die maximal eingebrachte Wärmemenge von

Daraus ist ersichtlich, dass die Zulufttemperatur auf über 50°C angehoben werden muss, um die erforderliche Wärmeleistung transportieren zu können. Was wiederum zur Folge hat, dass an den Heizflächen Temperaturen von über 55°C erforderlich sind, die die gesundheitsbeeinträchtigenden Folgen der Staubpyrolyse** verursachen. Um die Heizleistung der Anlage zu erhöhen, könnte auch die Luftmenge erhöht werden. Besonders in den Phasen mit dem höchsten Wärmebedarf ist aber die Außenluftfeuchte am niedrigsten, wodurch bei Erhöhung des Luftwechsels die Austrocknung der Raumluft beschleunigt würde. Die ausschließliche Beheizung über die Zuluft sollte daher - wenn überhaupt - erst bei Passivhäusern mit Heizlasten deutlich unter 10 W/m2 Wohnnutzfläche eingesetzt werden. Zudem sollte Luft nicht vorrangig als Energietransportmedium gesehen, sondern bei Luftführung und Aufbereitung wie ein Lebensmittel behandelt werden.

Um die einzelnen Anlagen objektiv beurteilen zu können, wurden 55 Qualitätskriterien für Wohnraumlüftungsanlagen erarbeitet. Grundsätzlich sollen durch die einzelnen Kriterien die folgenden übergeordneten Ziele bei einer Wohnraumlüftung erreicht werden:

1. Ausreichende (aber nicht zu hohe) Luftmengen
2. Hohe Luftqualität (Filterung, Lage der Ansaugung...)
3. Hoher thermischer Komfort (z.B. keine Zugerscheinungen)
4. Hoher Schallschutz (Schutz vor Außenlärm, keine innere Lärmübertragung)
5. Geringer Energiebedarf (hohe Wärmerückgewinnung, niedriger Strombedarf)
6. Einfache Bedienung
7. Dauerhafte Technik

Einzelne Qualitätskriterien und Ergebnisse: Voraussetzung für den effizienten Einsatz einer Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung ist eine luftdichte Gebäudehülle. Dennoch ist die Gebäude-Luftdichtheit noch immer ein vernachlässigtes Thema im Bauwesen. Den Nutzern sind die Notwendigkeit und die nachteiligen Auswirkungen einer nicht dichten Gebäudehülle auf die Lüftungsanlage meist nicht bewusst. Daraus resultiert auch der geringe Anteil von nur 30% der Objekte mit einer Dichtheitsprüfung.

Vielfach ergeben sich Probleme bzw. unnötige Kosten durch eine zu späte Entscheidung für eine Wohnraumlüftung. Es müssen dann z.B. Durchbrüche nachgebohrt, oder nachträglich Kondensatabflüsse installiert werden. Des Weiteren sind oftmals die Fußbodenaufbauhöhen zu gering bemessen, Überströmöffnungen in Türen nicht integriert und die Rohrleitungsführung aus Platzgründen nicht optimal gelöst. Prinzipiell ist der Kanalführung für die Lüftung immer Vorrang vor anderen Gewerken zu geben. Der Luftführung sollte auch entsprechend mehr Platz zugestanden werden, da sonst keine für den Nutzer befriedigenden Lösungen möglich sind. Die zeitgerechte Abstimmung der Gewerke ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine gute und dennoch kostengünstige Ausführung.

Die 7 Hauptfehler in der Gesamtkonzeption:

1. Häufigste Kritikpunkte bei den Anlagen sind Strömungsgeräusche aufgrund zu knapper Dimensionierung der Rohr-, Filter- bzw. Ventilquerschnitte, die außer der Schallbelastung auch noch zusätzliche Druckverluste und damit einen höheren Strombedarf für die Ventilatoren verursachen. Fehlende Geräte- bzw. Telefonieschalldämpfer verursachen eine Übertragung von Ventilationsgeräuschen oder Schall. Um diese Lärmprobleme zu reduzieren, werden häufig die Luftmengen reduziert und die Anlagen können ihren eigentlichen Zweck nicht mehr voll erfüllen. Ein unterschätztes Problem ist auch die vergessene Schallentkopplung von Rohren bei Wand- oder Deckendurchbrüchen.

2. Die Luftführung in den Wohnungen, d.h. die Raumdurchströmung, ist bei einigen Anlagen nur bedingt gegeben, wobei es hier immer einen akzeptablen Kompromiss zwischen Installationsaufwand und optimaler Raumdurchströmung geben muss. Oftmals wird die Wichtigkeit der Ventilwahl unterschätzt.

3. Die Einregulierung der Luftmengen wird sehr oft nicht entsprechend durchgeführt. Manche Ventile sind auch nicht gegen unabsichtliches Verstellen (z.B. bei der Reinigung) gesichert.

4. Luftmengen sind besonders in den Bereichen Schlafzimmer, Küche und Bad zu gering dimensioniert bzw. eingestellt.

5. Die mögliche Beeinflussung von Feuerstellen im Wohnraum durch Lüftungsanlagen wird nicht beachtet. Insbesondere eine mögliche Nachrüstung von Feuerstellen wird nicht Bedacht.

6. Integration der Dunstabzugshaube in die Lüftungsanlage oder Dunstabzug direkt nach außen, anstatt einer Umlufthaube mit Fett- und Aktivkohlefilter.

7. Überströmöffnungen werden stiefmütterlich behandelt. Teilweise sind diese überhaupt nicht vorhanden, zu gering dimensioniert oder an den falschen Stellen angebracht. Überströmöffnungen sollten bei Quellluftsystemen immer oben angebracht werden und nicht als Schleiftür ausgeführt werden.

Beispiel zu geringe Luftmengen: In Wohnzimmern wurde die geforderte Luftmenge im Durchschnitt um ca. 20% unterschritten, im Schlafzimmerbereich sogar um mehr als 50%. Die für Schlafräume von Eltern zumindest geforderten 50 m2/h wurden nur bei zwei Anlagen erreicht. Der Grund liegt nach Auskunft der Bewohner meist an der zu hohen Schallbelastung in der Nacht, die eine Drosselung der Luftmenge zur Folge hatte. Das Schlafzimmer war auch jener Bereich, den die Nutzer oft als nicht ausreichend frisch empfunden haben und häufiger zusätzlich über Fenster lüften mussten. Gerade die Schlafraumbelüftung ist aber eines der Hauptargumente für die Realisierung einer Zu- und Abluftanlage.

Der Trend im Einfamilienhaus zu größeren Wohnflächen mit vielen Räumen führt dazu, dass man auch Räume ständig voll belüftet, die nur sehr selten benutzt werden, während dichter belegte meist unterversorgt sind. Der Wunsch nach einer individuellen, raumweisen, manuellen oder halbmanuellen Anpassung der Luftmenge wurde daher bei den Nutzern dieser Gebäude mehrmals geäußert.

Die 10 häufigsten Fehler bei einzelnen Anlagenteilen

1. Mangelhafte Luftansaugung mit zu hohem Druckverlust
2. Kein Kondensatablauf beim Erdwärmetauscher bzw. Lüftungsgerät
3. Keine feuchteunempfindliche Dämmung der kalten Rohre (Frischluft und Fortluft) zur Kondensatvermeidung an der Oberfläche bzw. keine Dämmung der warmen Rohre (Zuluft und Abluft) in unbeheizten Bereichen
4. Zu geringe Filterqualität und schlechte Wartung der Filter (meist nur G3/G4)
5. Mangelhaft ausbalancierte Anlagen ohne Konstantvolumenstromregelung
6. Keine Filterwechsel-Anzeige im Wohnraum
7. Fehlende bzw. ungenügende Körperschallentkopplung bzw. Schalldämpfer
8. Ungenügende Rohrquerschnitte (zu hohe Luftgeschwindigkeiten)
9. Ungeeignetes Verrohrungsmaterial (flexible, gerillte Schläuche)
10. Falsche bzw. zu kleine Ventile (z.B. reine Abluftventile für die Zuluft)

Im abschließenden zweiten Teil des Fachaufsatzes werden weitere Fehlerdetails bzw. das Hauptproblem Schall erörtert und auf die richtige Geräteauswahl eingegangen.

Internetinformationen:
www.fh-kufstein.ac.at/wohnraumlueftung


* Dipl.-Ing. Andreas Greml, Fachhochschule Kufstein, Tirol - Studiengang Facility Management
** Pyrolyse = Zersetzung chemischer Verbindungen durch Hitze


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