IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/17 2004, Seite 60 f.
REPORT
Rückstauschäden: Wer haftet wofür?
Kessel-Fachseminar "Neue Wege in der Entwässerung"
Kommunen sind von der Haftung für Wasserschäden nach einem Jahrhundertregen befreit. In einem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, Städte und Gemeinden müssten zwar grundsätzlich für solche Schäden einstehen - aber nicht in Fällen "höherer Gewalt". Da Starkregenfälle aufgrund der klimatischen Veränderungen zunehmen, informierte der Entwässerungsspezialist Kessel in einem Fachseminar über die Haftungsfragen bei Rückstauschäden.
Zu einem "schlüsselfertigen Bauwerk" gehört eine Rückstausicherung, hatte bereits 1992 das Oberlandesgericht Hamm geurteilt. In dem konkreten Fall hatte sich die Ausführungsfirma zur schlüsselfertigen Errichtung eines Gebäudes nach Maßgabe einer Baubeschreibung verpflichtet, in der kein ausdrücklicher Hinweis auf eine Rückstausicherung enthalten war; in der Gemeindesatzung war diese jedoch zwingend vorgeschrieben. Nach der Hausübergabe kam es zu einem Überschwemmungsschaden - die Ausführungsfirma musste Schadenersatz zahlen.
Das alte Schuldrecht gilt weiterhin
"Die Situation im Fristenbereich wird manchmal unterschätzt", sagt Dr. Frank Eisenmann. Denn auch wenn die normale Gewährleistungsfrist längst abgelaufen ist, kann trotzdem noch die 30-jährige Frist des alten Schuldrechts gelten. Es gibt zwar seit dem 1. Januar 2002 ein neues Schuldrecht mit kürzeren Fristen - doch die gelten nur für Verträge, die nach dem 1. Januar 2002 geschlossen worden sind. "Für alle anderen Verträge gilt weiterhin das alte Schuldrecht", betont der Rechtsanwalt. Dort beträgt die Gewährleistungsfrist bei Arglist dreißig Jahre. Arglist bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Auftragnehmer sich eines Mangels bewusst ist, es aber unterlässt, dies dem Bauherrn zu offenbaren. Die Beweislast für die Arglist des Unternehmers trägt der Bauherr; nur beim so genannten Organisationsverschulden muss sich der Unternehmer selbst entlasten.
Wird eine Fachfirma nur eingeschränkt beauftragt, weil der Bauherr "Eigenleistungen" erbringen will, spielt die Aufklärung des Bauherrn für die Haftung des Unternehmers eine entscheidende Rolle. Eisenmann empfiehlt, lieber zu viel und schriftlich belehren als später eventuell für die Fehler des Bauherrn haften zu müssen. Auch wenn das OLG Oldenburg entschieden hat, dass ein Fachbetrieb nur insofern eine entsprechende Aufklärungspflicht hat, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Erbringung nachfolgend fehlerhafter Leistungen vorliegen.
Rechtsanwalt Dr. Frank Eisenmann informierte beim Fachseminar "Neue Wege in der Entwässerung" über die verschiedenen Aspekte der Haftung. |
Ein Planer muss (fast) alles wissen
"Von einem Planer verlangt man viel, teilweise mehr als von einem Juristen", weiß Rechtsanwalt Eisenmann. Denn Architekt und Fachingenieur schulden ihrem Auftraggeber grundsätzlich eine technisch einwandfreie Planung. Eine auch auf die Vermeidung von Wasserschäden gerichtete Planung gilt beispielsweise als fehlerhaft, wenn sie nur unzureichende Abdichtungen gegen Bodenfeuchtigkeit oder drückendes Wasser vorsieht, eine unzureichende Drainage aufweist, die Grundwasserverhältnisse ungeklärt lässt oder keine Rückstauventile in Betracht zieht.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Unwissen schützt den Planer nicht. Der Bundesgerichtshof etwa hat in 2003 entschieden, dass ein Architekt die für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Fachkenntnisse aufweisen muss. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Architekt ein von einem Generalunternehmer erstelltes Leistungsverzeichnis geprüft, das keine Abdichtung gegen drückendes Wasser vorsah, obwohl ein Bodengutachten entsprechende Hinweise enthielt. Der Architekt ließ dies unbeanstandet. Als es später durch heftige Regenfälle zu Wassereinbrüchen kam, musste er Schadenersatz zahlen. Sein Einwand, ihm seien während des Studiums die notwendigen Kenntnisse in den Fächern Bodengeologie und Bodenkunde nicht vermittelt worden, beeindruckte den BGH nicht.
In welchen Fällen haftet die Kommune?
Sammlung und Beseitigung von Abwässern gehören zu den hoheitlichen Aufgaben einer Gemeinde. Für Fehler bei Planung, Herstellung oder Betrieb von Anlagen hat die Gemeinde deshalb nach Amtshaftungsgrundsätzen einzutreten und Wohngrundstücke im Rahmen des Zumutbaren vor Überschwemmungen zu schützen. Der Rahmen des Zumutbaren orientiert sich nicht am einjährigen Berechnungsregen, sondern muss die tatsächlichen Verhältnisse in abwasserwirtschaftlicher, abwassertechnischer sowie topografischer Sicht berücksichtigen. "Aber ein Graben, der über Jahrzehnte ausreichend war, muss nicht für ein Jahrhundertereignis ausgerichtet sein", erklärt Eisenmann. Eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung trifft die Gemeinde nur bei schuldhaftem Handeln und bei fahrlässigem Verschulden immer nur subsidiär, also wenn sonst niemand haften kann.
Unabhängig vom Verschulden haftet die Gemeinde für die Gefahren, die von dem bloßen Vorhandensein städtischer Rohrleitungsanlagen ausgehen. Nach dem Haftpflichtgesetz kann eine Kommune als Inhaber einer Anlage zum Schadenersatz verpflichtet sein, wenn sich die Anlage zum Zeitpunkt der Schadensverursachung nicht in ordnungsgemäßem Zustand befunden hat - es ist unerheblich, wer Eigentümer der Anlage ist. Wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde, haftet die Gemeinde nicht. Ein derartiger Fall ist nach einem Urteil des BGH vom 26.04.01 anzunehmen, wenn es sich um einen ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen handelt, auf den eine Gemeinde ihre Kanalisation nicht in wirtschaftlich zumutbarer Weise auslegen konnte oder musste. Daraus dürfte indirekt geschlossen werden, dass es sich um ein ungewöhnliches und etwa alle zehn Jahre auftretendes Schadensereignis handelt.
Auch in ausreichend dimensionierten Entwässerungsanlagen kommt es aufgrund natürlicher Ablagerungen von Steinen, Ästen oder Pflanzen zu Verengungen und Verstopfungen. Die Gemeinde muss deshalb in bestimmten, von den Umständen des Einzelfalls abhängenden, Zeitabständen für die Reinigung Sorge tragen - sonst ist sie Schadenersatzpflichtig wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Kessel-Rückstauschacht, nachgerüstet mit der Rückstaupumpanlage Pumpfix-F: So beginnt der Schutz vor Rückstau bereits vor dem Gebäude. |
Sonderfall Rückstauschäden: Kommune haftet nicht
Die Gefährdungshaftung aus dem Haftpflichtgesetz erstreckt sich laut einem Urteil des BGH vom 30. Juli 1998 nicht auf Schäden, die an oder in einem an die gemeindliche Kanalisation angeschlossenem Haus infolge eines Rückstaus entstehen. Selbst bei einem unterdimensionierten Kanalnetz ist kein Amtshaftungsanspruch des geschädigten Hauseigentümers gegeben, wenn er sein Anwesen nur unzureichend vor Rückstauschäden gesichert hat. Denn in dem konkreten Fall hatte die Entwässerungssatzung der Gemeinde vorgesehen, dass jeder Grundstückseigentümer selbst verpflichtet ist, geeignete Vorkehrungen zu treffen. Eisenmann: "Um eine Kommune auf Schadenersatz zu verklagen, sind die Anforderungen generell sehr hoch."
Besser vorsorgen als haften
Einfacher, als sich mit diesen Haftungsfragen auseinanderzusetzen, ist der Einbau von entsprechenden Rückstausicherungsanlagen. Kessel stellte bei dem Fachseminar deshalb die aktuellen technischen Möglichkeiten zur Entwässerung vor. Etwa einen neuen Hausanschlussschacht. Darin kann das Rückstauwasser aus der Kanalisation bereits vor dem Gebäude abgefangen werden. Ein Vorteil: Pumpen und Fäkalienhebeanlagen, die bisher viel Raum im Keller beansprucht haben, können bequem im Schacht montiert werden und sind außerhalb des Gebäudes geräuscharm, funktionssicher und wartungsfreundlich untergebracht. Gerade bei der Gebäudesanierung versprechen die Rückstauprodukte im Hausanschlussschacht große Vorteile. Denn der nachträgliche Einbau von Rückstauverschlüssen ist meist nur mit einem immensen Kostenaufwand möglich, häufig ist der Verlauf der Grundleitung unklar oder es müssen erst Aufbrucharbeiten in der Bodenplatte vorgenommen werden. In vielen Fällen ist es deshalb kostengünstiger und einfacher, den bestehenden Hausanschlussschacht durch einen neuen Systemschacht zu ersetzen, so das Resümee.
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