IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/2004, Seite 3


EDITORIAL


Lee(h)re Versprechungen

Geschafft. Die Ausbildungsplatzabgabe ist durch eine freiwillige Erklärung von vier Wirtschaftsverbänden auf der einen Seite und der Regierung auf der anderen Seite vom Tisch. Damit kann die deutsche arbeitgebende Wirtschaft aufatmen, weil sie nun nicht mehr mit finanziellen Sanktionen in Form einer Ausbildungs-Zwangsabgabe rechnen muss. Positiv auch, dass der Konflikt zwischen Arbeitgebern und der Regierung über den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland" beigelegt ist und nicht über ein Gesetz, was nur einen weiteren Einschnitt in die Handlungsfreiheit des Unternehmers bedeutet hätte*.

Fraglich ist hingegen, ob tatsächlich in den kommenden drei Jahren jeweils weitere 30.000 Jugendliche eine Lehrstelle erhalten. Denn in dem unterzeichneten Papier ist von nebulösen "neuen" statt von konkreten "zusätzlichen" Ausbildungsplätzen die Rede. Zudem verpflichten sich die Arbeitgeber ausschließlich "ausbildungswilligen" und "ausbildungsfähigen" Jugendlichen ein "Angebot auf Ausbildung zu unterbreiten". In der Praxis wird jedoch jeder nicht ausbildungswillige Betrieb sich darauf berufen können - weil ja nicht nachweisbar, nicht messbar -, keine geeigneten Bewerber gefunden zu haben. Und so gratulierten sich bei der Unterzeichnung der Bundeskanzler und die Chefs der Wirtschaftsverbände gegenseitig zu der völlig unverbindlichen Formulierung, lediglich das "Ziel" zu haben, mehr Ausbildungsplätze "einwerben" zu wollen. Wird das Ziel nicht erreicht, wird man weiter sehen, aber schließlich erst in drei Jahren. Schade um die betroffenen Jugendlichen, die bis dahin durchs Raster fallen. Sie sind die Arbeitslosen nicht erst von morgen, sondern bereits von heute.

Von Demographen ist zu hören, Deutschland brauche ausländische Zuwanderer, um die hoch qualifizierten Stellen in der Wirtschaft mit Fachleuten besetzen zu können. Da geht beispielsweise eine Studie davon aus, dass selbst eine Zuwanderung von 200.000 Personen jährlich immer noch nicht den tatsächlichen Fachkräftemangel ausgleichen könne - bei hierzulande offiziellen rund 4,5 Mio. Arbeitslosen. (Die Dunkelziffer liegt je nach herangezogener Quelle gut 1 Mio. höher.) Doch selbst wenn der Fachkräftemangel auf diese Art und Weise beseitigt werden könnte, schrumpfte der Berg der Arbeitslosen nicht um einen einzigen. Eine zentrale Frage, die sich aufdrängt, lautet daher: Will die Gesellschaft akzeptieren, kann sie es sich leisten, dass (mindestens) jeder 10. Arbeitswillige über die Steuern der Arbeitnehmer finanziert wird?

Wenn diese Frage mit "nein" beantwortet wird, muss dem Fachkräftemangel aus eigener Kraft begegnet werden. Das ist durchaus leichter gesagt als getan. Schließlich belegt das schlechte Abschneiden bei der weltweit durchgeführten Pisa-Studie, wie mangelhaft es um die deutsche Schulbildung bestellt ist. "Nicht Ausbildungsfähig" ist daher nach Einschätzung vieler SHK-Handwerksmeister ein Großteil der Ausbildungsbewerber. Ihnen werden große Lücken in der Allgemeinbildung testiert, insbesondere in Deutsch und Mathematik. Das stellt das SHK-Handwerk vor ein schier unlösbares Problem: Wie soll ein Mensch komplizierte technische Geräte bedienen und warten, wenn ihm dazu die Grundkenntnisse fehlen?

Ein Patentrezept als Ausweg aus der Misere gibt es leider nicht. Unterschiedlichste Lösungsansätze werden diskutiert. Ein nicht zu unterschätzendes Beispiel ist die vor rund einem Jahr vollzogene Zusammenlegung zweier verwandter Berufe zum Installateur und Heizungsbauer. Mit der damit verbundenen Attraktivitätssteigerung bei den Jugendlichen erhofft sich die Branche, aus einem größeren Pool geeignete Bewerber herausfiltern zu können. Denn den eigenen Nachwuchs kann sich das Handwerk nur selbst ausbilden. Es bedarf sehr viel mehr Zeit, kostet unsäglich mehr Mühe und Geld, ist um einiges aufwendiger und nervenaufreibender als eine Lehrstelle nicht zu besetzen. Aber nur der SHK-Handwerksbetrieb ist befugt und damit moralisch in der Pflicht, den Jugendlichen von heute eine Zukunft jenseits der Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe zu bieten.

Detlev Knecht
stv. Chefredakteur IKZ-HAUSTECHNIK

 


*) Den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland" finden Sie im Originaltext unter www.myshk.com/downloads


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