IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/2004, Seite 46 f.
REPORT
EU-Osterweiterung:
Fragen und Antworten
Zum 1. Mai 2004 hat sich die Europäische Union um zehn neue Mitglieder erweitert. Namentlich um Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Malta und Zypern. Viele Handwerksbetriebe sind noch unsicher, welche Neuerungen mit der Erweiterung auf sie zukommen. Auf einige ausgewählte Fragen gibt die Handwerkskammer Düsseldorf Antworten.
Werden die Grenzkontrollen zu den östlichen Nachbarstaaten Polen und Tschechien abgeschafft?
Nein. Die Personenkontrollen an den Grenzen bleiben bestehen. Für deutsche Staatsbürger reicht der Personalausweis für die Einreise in die neuen Mitglieder der Europäischen Union. Eine Visumpflicht besteht nicht. Ebenso benötigen Reisende aus den Beitrittsstaaten für die Einreise nach Deutschland kein Visum. Abgeschafft werden dagegen die Warenkontrollen an den Grenzübergangsstellen. Zölle gibt es nicht.
Dürfen Angehörige der Beitrittsstaaten sich in Deutschland selbstständig machen?
Ja. Die Niederlassungsfreiheit gilt für alle Angehörige der Europäischen Union auch aus den neuen Beitrittsstaaten. Die Niederlassungsfreiheit gilt prinzipiell uneingeschränkt, allerdings unter Beachtung des Handwerksrechtes. Dies bedeutet konkret: Handwerker aus den Beitrittsstaaten können sich in Deutschland niederlassen wenn sie die Bestimmungen der Handwerksordnung erfüllen und sich in die Handwerksrolle eintragen lassen. Soweit es sich um zulassungspflichtige Handwerke handelt ist statt des Meisterbriefes beispielsweise eine sechsjährige selbstständige Tätigkeit in dem gewünschten Bereich nachzuweisen. Für die nicht zulassungspflichtigen Handwerke und für die handwerksähnlichen Berufe sind für die Niederlassung keine Voraussetzungen zu erfüllen.
Dürfen Unternehmen aus den Beitrittsstaaten in Deutschland Dienstleistungen bzw. Werkleistungen erbringen?
Ja, grundsätzlich gilt mit dem EU-Beitritt auch die Dienstleistungsfreiheit für die Unternehmen aus den Beitrittsstaaten gegenüber allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Für wichtige Märkte des Handwerks gibt es aber Ausnahmen. Für das gesamte Baugewerbe, das Reinigungsgewerbe und für Innendekorateure gilt die Dienstleistungsfreiheit nicht. So dürfen beispielsweise Unternehmen mit Sitz in Polen in Deutschland mit eigenen Mitarbeitern keine Bauleistungen erbringen. Diese Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit gilt voraussichtlich für die nächsten sieben Jahre.
(Anmerkung der Redaktion: Für welche Tätigkeiten diese Ausnahme gilt, kann im Internet nachgelesen werden unter: www.hwkduesseldorf.de/published/binary/definition_bau.pdf)
Von dieser Einschränkung nicht betroffen sind allein arbeitende Selbstständige aus den Beitrittsstaaten. Ein Installateur aus Polen darf also als allein arbeitender Selbstständiger durchaus Leistungen in Deutschland erbringen. Er muss sich dafür in Deutschland nicht niederlassen und muss nicht in die Handwerksrolle eingetragen sein. Soweit es sich um ein zulassungspflichtiges Handwerk handelt, muss er allerdings die qualifikationsbezogenen Voraussetzungen nachweisen und dafür eine entsprechende Bescheinigung für EU-Ausländer beantragen (§ 9, II Handwerksordnung).
In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen können Handwerksbetriebe aus den Beitrittsländern in Deutschland tätig werden?
Nach dem EU-Beitritt können Handwerksunternehmen aus den Beitrittsstaaten unter den Bedingungen des EU-Rechtes und der deutschen Handwerksordnung in Deutschland tätig werden. Soweit es sich um ein zulassungspflichtiges Handwerk handelt, ist die Regelvoraussetzung für die selbstständige Handwerksausübung eine mindestens sechsjährige selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung als Betriebsleiter in dem jeweiligen Handwerk. Diese Zeit kann unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden. Als Voraussetzung gilt auch ein der deutschen Meisterprüfung als gleichwertig anerkannter Abschluss. Bei entsprechenden Voraussetzungen können Handwerker aus den Beitrittsländern Niederlassungen in Deutschland gründen und hier Dienstleistungen auch ohne Niederlassung erbringen.
Ausnahmen von der Dienstleistungsfreiheit gibt es u.a. für den Baubereich. Unternehmen aus den Beitrittsstaaten dürfen von Führungskräften (Schlüsselpersonal) abgesehen nicht mit eigenem Personal aus den Beitrittsstaaten in Deutschland tätig werden. Selbst arbeiten dürfen in Deutschland nur allein arbeitende Selbstständige, soweit sie die Voraussetzungen der Handwerksordnung erfüllen.
Dürfen deutsche Firmen Mitarbeiter aus den Beitrittsstaaten zu den billigen Löhnen ihrer Herkunftsländer beschäftigen?
Nein. Grundsätzlich dürfen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Angehörige der Beitrittsstaaten in Deutschland überhaupt nicht abhängig beschäftigt werden - weder von deutschen noch von ausländischen Arbeitgebern. Die Beitrittsvereinbarungen gestatten Deutschland, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die nächsten sieben Jahre gegenüber den Beitrittsstaaten auszusetzen. Von diesem Recht macht die Bundesrepublik Gebrauch.
Deutsche Firmen können somit beispielsweise keine polnischen Staatsangehörigen abhängig beschäftigen. Eine Beschäftigung von Arbeitskräften aus den Beitrittsländern ist nur im Wege einer Auftragsvergabe an Subunternehmer aus diesen Ländern möglich. Dafür muss der ausländische Auftragnehmer entweder allein arbeitender Selbstständiger sein oder einen Werkauftrag im Rahmen der Kontingentvereinbarungen mit einzelnen osteuropäischen Staaten ausführen. Die zugelassenen Arbeitnehmer aus den Beitrittsstaaten benötigen auch für die Beschäftigung im Rahmen von Werkverträgen in jedem Fall eine Arbeitserlaubnis.
Dürfen Arbeitnehmer aus den Beitrittsstaaten als Leiharbeiter beschäftigt werden?
Nein. Eine Arbeitserlaubnis darf nach dem deutschen Arbeitsgenehmigungsrecht generell nicht solchen Arbeitnehmern erteilt werden, die als Leiharbeitnehmer tätig werden wollen.
Unter welchen Voraussetzungen ist die Vergabe von Werkaufträgen an Firmen aus Osteuropa möglich?
Die bilateralen Werkvertragsvereinbarungen mit Lettland, Polen, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarn gelten auch nach dem Beitritt grundsätzlich weiter. Im Rahmen der nach und nach verringerten Kontingente können Werkvertragsunternehmen aus diesen Ländern insbesondere auch im Bausektor Arbeitnehmer entsenden und Werkleistungen für deutsche Auftraggeber erbringen. Für die Genehmigung von Werkverträgen ist die Arbeitsagentur zuständig.
Die Auftragnehmer müssen die handwerksrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Jeder Werkauftrag muss von der Arbeitsverwaltung genehmigt werden; die Beschäftigten benötigen eine Arbeitsgenehmigung, die insbesondere an die zu vereinbarenden Mindestlöhne geknüpft ist.
Dürfen Angehörige der Beitrittsstaaten nach Deutschland einwandern und Sozialleistungen in Anspruch nehmen?
Nach der EU-Osterweiterung können auch die Bürger der neuen Mitgliedsstaaten ihren Wohnsitz in den alten EU-Mitgliedsstaaten frei wählen, wenn sie die notwendigen Mittel für den eigenen Lebensunterhalt nachweisen können. Der Nachweis kann etwa durch Unterhaltsverpflichtung durch Angehörige oder durch eine selbstständige Tätigkeit nachgewiesen werden. Dagegen haben Staatsangehörige aus den Beitrittsstaaten in der Regel keinen Anspruch auf Sozialleistungen (Sozialhilfe, Krankenversicherung etc.), wenn sie nicht in das Sozialversicherungssystem einzahlen. Arbeitslose haben keinen Anspruch auf Leistungen aus dem deutschen Sozialsystem. Rentner müssen über einen ausreichenden eigenen Krankenversicherungsschutz verfügen. Im Übrigen setzt eine Aufenthaltsberechtigung eine Arbeitsgenehmigung voraus; diese aber ist in der Regel an die beschränkten Werkvertragskontingente gebunden.
Können deutsche Unternehmen bzw. deutsche Selbstständige sich in den Beitrittstaaten niederlassen oder ein Unternehmen gründen und dort mit eigenen Mitarbeitern tätig werden?
Deutsche Unternehmen und Selbstständige können sich in den Beitrittsländern niederlassen, wenn sie alle nach dortigem nationalen Recht geltenden Voraussetzungen einschließlich der Qualifikationsanforderungen erfüllen. Sie dürfen dort in der Regel auch deutsche Mitarbeiter beschäftigen. Grundsätzlich gilt mit dem Beitritt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Einschränkungen gibt es dazu nur auf Malta. Die Einzelheiten hängen von den jeweiligen nationalen Bestimmungen ab. Nähere Auskünfte dazu erteilen die Botschaften der Beitrittsländer (www.auswaertiges-amt.de).
Weiterführende Links zum Thema |
Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Erweiterung der Europäischen Union |
Website der Europäischen Union in Deutschland zur EU-Erweiterung |
Informationen über die Anwendung des EU-Beitrittsvertrages bei der Beschäftigung von Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten, Broschüre vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit |
Binnenmarktregeln für Staatsangehörige aus den Beitrittsländern |
Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer im Rahmen von Werkverträgen - EU-Dienstleistungsfreiheit ab Mai 2004; Broschüre der Bundesagentur für Arbeit |
Zollinformationen zur Osterweiterung |
Informationsseiten der europäischen Kommission zur EU-Osterweiterung |
Informationsportal mit den wichtigsten Informationen über Auslandsmärkte, Ausschreibungen, Kontaktvermittlungen etc. |
Bundesagentur für Außenhandelsinformationen |
Infos zum KfW-Programm zu Investitionsfinanzierungen im Ausland |
ZDH-Flyer: 25 Fragen und Antworten zur Erweiterung der Europäischen Union |
HWK-Düsseldorf: Fragen und Antworten zur EU-Osterweiterung |
[Zurück] [Übersicht] [www.ikz.de]