IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2004, Seite 50 ff.



Europäische Heizlast-Berechnung

Ablösung der DIN 4701 durch die DIN EN 12831

Ernst Rosendahl*

Spätestens seit dem Stichtag 1. April 2004 hat jeder TGA-Planer mit dem Thema zu tun: Die bisherige Norm zur Berechnung des Wärmebedarfs nach DIN 4701 verliert ihre Gültigkeit und muss durch die neue Norm-Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 ersetzt werden. Wer ein Projekt nach beiden Normen durchrechnet, wird zum Teil gravierende Änderungen feststellen; kein Wunder, denn die neue Norm-Heizlast rechnet anders als bisher; manches fällt weg, manches kommt neu hinzu; sogar die Raummaße können nicht mehr wie bisher verwendet werden. Wer sich in die neue Heizlast-Norm eingearbeitet hat, wird aber auch viel Positives entdecken und mit einem entsprechenden EDV-Programm sicher nicht länger arbeiten müssen als bisher.

Grundlegende Norm ist die "DIN EN 12831 Heizungsanlagen in Gebäuden - Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast". Sie umfasst gut 70 Seiten, ist seit August 2003 als Weißdruck gültig und begrenzt das Gültigkeitsdatum für die entgegenstehende nationale Norm "DIN 4701 Teile 1 bis 3" auf den 31. 3. 2004. Der Anhang D enthält Tabellen für Norm-Innentemperaturen, Korrekturfaktoren, Mindestluftwechselzahlen, etc., die zu verwenden sind, falls keine nationalen Werte als "Nationaler Anhang NA" bis zum 1. 4. 2004 veröffentlicht werden.

Nationaler Anhang NA

Als ergänzende Norm ist seit März 2004 für Deutschland die "DIN EN 12831 Beiblatt 1, Ausgabe 2004-04, Heizungssysteme in Gebäuden - Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast - Nationaler Anhang NA" als Weißdruck erschienen. Damit ist das Thema "Norm-Heizlast" in Deutschland abgeschlossen und ab sofort "Stand der Technik" für jeden Planer.

Übergangsfrist - Nein Danke!

Für Irritierung hat ein Zitat im Beiblatt 1 gesorgt, wonach die bisherige Wärmebedarfsberechnungs-Norm DIN 4701 noch ein halbes Jahr nach Erscheinen des Beiblattes 1 gültig sein soll. Da das Beiblatt 1 erst im März 2004 erschienen ist, hätte dies als späteste Gültigkeit für die DIN 4701 September 2004 bedeutet. Damit steht das Zitat im Widerspruch zur grundlegenden Norm DIN EN 12831, Ausgabe 2003-08, die als spätestes Gültigkeitsdatum der DIN 4701 Teil 1 bis 3 den 31. März 2004 vorschreibt. Zur Aufklärung des Widerspruchs hat Solar-Computer an den DIN-Ausschuss eine Anfrage gerichtet. In der Antwort hieß es u. a.: ". . . wird geraten, zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu vereinbaren, wonach gerechnet bzw. die Norm-Heizlast ermittelt werden soll." - Eine klare Antwort also zugunsten der DIN EN 12831; denn welcher Planer wird schon seinem Auftraggeber begründen wollen, warum er entgegen dem "Stand der Technik" mit einer veralteten Norm rechnen möchte.

Der übersichtliche und ergonomische Programmaufbau ermöglicht die Ergebniskontrolle auf einen Blick: die beliebig konfigurierbare Raumtabelle, der direkte Variantenvergleich und ein raumbezogenes Bilanzschaubild, mit dessen Hilfe die Berechnung Schritt für Schritt nachvollzogen werden kann, machen die Anwendung des Programms transparent.

Physikalisch ähnliche Normen

Wie in der DIN 4701 enthält auch die DIN EN 12831 ein Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Wärmemenge, die unter Norm-Auslegungsbedingungen benötigt wird, um die Norm-Innentemperatur zu erreichen. Der Berechnungsansatz ist wieder raumweise, um anschließend die Heizflächen ermitteln zu können, sowie bezogen auf das Gebäude, um den Wärmeerzeuger zu dimensionieren. Während die physikalische Basis in beiden Normen weitgehend gleich ist, unterscheiden sie sich jedoch gänzlich durch andere Gebrauchsformeln, vor allem auch methodisch bei der Ermittlung der Lüftungswärmeverluste. Hier beschreibt die DIN EN 12831 jetzt mehrere Verfahren: Das "vereinfachte Verfahren" ist zulässig für Wohngebäude mit nicht mehr als drei Wohneinheiten und Luftdichtigkeit von n50 < 3/h. Das "ausführliche Rechenverfahren" ist für alle Arten von Gebäuden mit Raumhöhen bis 5 m anwendbar. Hohe Räume, große Bauten und Gebäude mit signifikanter Abweichung von Luft- und mittlerer Strahlungstemperatur können als "Sonderfälle nach Anhang B der DIN EN 12831" berechnet werden.

Veränderte Begriffe

Viele aus der DIN 4701 bekannte Begriffe gibt es nicht mehr: windstark, windschwach, Geschoss- und Schachttyp, Grundrisstyp, Korrekturen für Außenflächen, Sonne und Außentemperatur, Fugendurchlasskoeffizient, senkrechte und waagerechte Fugenlängen, Anströmung, Raumkennzahl, Hauskenngröße, Krischerwert. Andere Begriffe sind neu, haben aber ähnliche Bedeutung, z.B. "Wärmefluss" statt bisher "Wärmestrom". Gänzlich neu sind dagegen Begriffe wie Wärmeverlustkoeffizient, Transmissions- und Lüftungswärmeverlustkoeffizient, Wärmebrückenzuschlag, längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient, Abschirmklasse und -koeffizient, Luftdurchlässigkeitswert, Reduktions-Faktoren diverser Art, verschiedene Kenngrößen zur Berechnung des Wärmeverlustes gegen Erdreich sowie zur Ermittlung der Zusatz-Aufheizleistung.

Durch das intelligente Gebäudemodell sparen Sie 50% der Eingabezeit von Innenbauteilen, denn bei der Erfassung einer Innenwand oder einer Geschossdecke wird direkt auf den benachbarten Raum verwiesen. Den erforderlichen Eintrag in diesem Nachbarraum erzeugt dann das Programm vollautomatisch, ohne dass Sie einen weiteren Arbeitsschritt erledigen müssen.

Umgewöhnung

Es bleibt in diesen Wochen keinem Planer erspart, sich mit den veränderten Verhältnissen zu beschäftigen und mehr oder weniger tief einzuarbeiten. Die beiden Normen zur DIN EN 12831 lassen sich beim Beuth-Verlag per Internet (www.beuth.de) bestellen. Darüber hinaus gibt es erste Sekundär-Literatur und verschiedene Seminare, u. a. Halbtages-Intensiv-Seminare von Danfoss und Kermi mit Fach-Referenten. Letztere wurden seit Herbst 2003 schon von über 1800 Planern besucht; die nächsten Termine mit Anmeldemöglichkeit können unter www.solar-computer.de eingesehen werden. Im Folgenden wird auf auf einige wesentliche Merkmale der DIN EN 12831 eingegangen.

Bauherren-Vereinbarung

Für die Berechnung der Norm-Heizlast müssen die Werte der Norm-Innentemperatur (Berechnungstemperatur) mit dem Auftraggeber vereinbart werden. Anhaltswerte der Norm-Innentemperatur sind in Tabelle 2 der DIN EN 12831 aufgeführt. Hier schafft die neue Norm endlich Klarheit zu einem alten Thema, das oft Anlass für Rechtsfälle gab. Ein EDV-Programm sollte eine entsprechende Bauherren-Vereinbarung mit den dokumentierten Projektangaben für die Gegenzeichnung durch den Auftaggeber ausdrucken können.

Außen-Bemaßung

Während die europäische Basis-Norm EN 12831, Ausgabe 2002-07, für das vereinfachte Verfahren Außenbemaßung vorschreibt, für das ausführliche Verfahren jedoch noch "innere, äußere oder andere Bemaßungsarten" offen lässt, schreibt die DIN EN 12831, Ausgabe 2003-08, generell Außenbemaßung für alle Rechenverfahren vor. Bei den Abmessungen der Bauteile sind als Länge und Breite die äußeren Rohbaumaße bzw. inneren Rohbaumaße inkl. halber Innenwanddicken einzusetzen. Geschosshöhen, Maueröffnungen für Fenster und Türen müssen verarbeitet werden wie bisher in der DIN 4701, ebenso die lichten Innen-Baumaße zur Berechnung des Raumvolumens. Insgesamt haben sich damit gravierende Änderungen in der EDV-technischen Verwaltung gebäudegeometrischer Daten ergeben, da jetzt fast jedes Bauteil sowohl mit Innen- als auch mit Außenmaßen verwaltet werden muss. Bei den EDV-Programmen von Solar-Computern ist das Problem dadurch gelöst, dass jedes Bauteil für Breite und Länge mit Innenmaßen und ggf. notwendigen Außenmaß-Korrekturen verwaltet wird. Dadurch ist nicht nur eine normgerechte Maßverarbeitung nach DIN EN 12831 möglich, sondern auch ein durchgängiger Datenfluss zu Innenmaß unterstützenden Rechennormen, z.B. Kühllast nach VDI 2078 oder Projektdaten-Konvertierung aus vorhandenen Wärmebedarfsberechnungen.

Zahlreiche Assistenten, die die erforderlichen Eingaben auf ein Minimum reduzieren, stehen bei der Erfassung der Raum- und Gebäudedaten zur Verfügung. So nimmt Ihnen z.B. der "Baukörperassistent" die Eingabe der Raumbegrenzungsflächen von komplizierten Dachräumen oder Dachgauben ab.

Norm-Heizlast eines Raumes

Die Norm-Heizlast ergibt sich zunächst analog zur DIN 4701 als Summe aus Norm-Transmissions- und Lüftungswärmeverlust, jedoch zusätzlich der "Zusatz-Aufheizleistung" für Räume mit unterbrochenem Heizbetrieb. Die Aufheizleistung wird benötigt, um die geforderte Norm-Innentemperatur nach einer Absenkung innerhalb einer bestimmten Zeit erreichen zu können. Die Zusatz-Aufheizleistung ist in der Regel nicht notwendig, wenn die Anlagentechnik sicherstellt, dass die Absenkung in den kältesten Tagen nicht stattfindet. Die Zusatz-Aufheizleistung muss mit dem Auftraggeber vereinbart werden, ist jedoch kein Ersatz für den eingeschränkten Heizbetrieb. Für die Berechnung des Norm-Transmissionswärmeverlustes unterscheidet die DIN EN 12831 vier Fälle, je nachdem, ob ein Bauteil an Außenluft, an einen unbeheizten Raum, an einen beheizten Raum oder an Erdreich grenzt. Insgesamt betrachtet werden vom Planer, der sich mit der neuen Norm-Heizlast beschäftigt hat und der über ein geeignetes EDV-Programm verfügt, nicht mehr einsichtige projektbezogene Daten verlangt als bisher.

Netto-Heizlast

Die "Netto-Heizlast" eines Raumes ist die Norm-Heizlast nach DIN EN 12831 abzüglich der Zusatz-Aufheizleistung. Der Begriff ist nicht in der DIN EN 12831, sondern nur im Beiblatt 1 (= Nationaler Anhang NA für Deutschland) definiert. Die Netto-Heizlast entspricht am ehesten dem bisherigen Wärmebedarf nach DIN 4701. Inwieweit sich der Begriff in Deutschland durchsetzt, wird die Planungspraxis zeigen. Spezifisch deutsch ist auch das Thema "EnEV". Dank Außenbemaßung der DIN EN 12831 sind die Projektdaten jetzt kompatibel mit den Anforderungen eines EnEV-Nachweises mit ggf. anschließender EnEV-Anlagenbewertung nach DIN 4701/10, und manch TGA-Planer wird hier "auf Knopfdruck" ein leicht verdientes Zusatz-Honorar erzielen können, die entsprechende Software vorausgesetzt.

Vereinfachtes Rechenverfahren

Hier werden vor allem Anwender zufrieden sein, die mit der Planung von Ein- und Zweifamilienhäusern zu tun haben. Das vereinfachte Rechenverfahren liefert schnell und einfach die Norm-Heizlast für das Gebäude und damit die Grundlage für die Auslegung des Wärmeerzeugers, indem nur die Außenhülle erfasst werden muss und vereinfachte Annahmen getroffen werden dürfen, z.B. betreffend dem Wärmeverlust gegen Erdreich.

Auf einen Blick

Solar-Computer-Mitarbeiter haben in den letzten Monaten zahlreiche Projekte nach beiden Normen durchgerechnet und sind dabei zu folgenden pauschalen Aussagen gekommen:

Internetinformationen:
www.solar-computer.de


*) Ernst Rosendahl, Solar-Computer GmbH, 37023 Göttingen, erosendahl@solar-computer.de


B i l d e r :  Solar-Computer GmbH


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