IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2004, Seite 34 ff.



Änderung der TRGI

Manipulationsabwehr in der Gastechnik

Franz-Josef Heinrichs*

Mit Ausgabedatum Dezember 2003 wurden die beiden Arbeitsblätter G 600-B als Beiblatt zum DVGW-Arbeitsblatt G 600 Technische Regeln für Gas-Installationen (TRGI 86/96) und G 459-1-B als Beiblatt zum DVGW-Arbeitsblatt Gas-Hausanschlüsse veröffentlicht. In den beiden Beiblättern werden die technischen Maßnahmen gegen Unfälle durch Baggerangriffe an Hausanschlussleitungen und zum Schutz gegen Eingriffe Unbefugter (Manipulationsabwehr) festgelegt.

Grund für die Änderungen der Technischen Regelwerke waren die vorsätzliche Herbeiführung von Gasexplosionen mit der Absicht der Selbsttötung, Tötung Dritter oder der Sachbeschädigung sowie der Unfälle durch Baggerschäden bei Erdbauarbeiten im Hausanschlussbereich.

Verlauf der Unfallzahlen UK vor dem Hintergrund der gastechnischen Entwicklung.
(Quelle: DVGW-S+U-Statistik Gas, Ruhrgas)

Presse und Fernsehen griffen aufgrund einer Reihe solcher Unfallereignisse, beginnend in Düsseldorf und Berlin im Jahr 1998, diese Thematik auf. Außer diesen in der Presse veröffentlichten Vorgängen, die auf Manipulationen an Gasleitungen zurückzuführen waren, gab es auch Nachahmungstäter, wobei zum Glück Gasunfälle teilweise noch früh genug, etwa durch Feststellung von Gasgeruch, verhindert werden konnten.

Anzahl der Unfälle (UK) an Kundenanlagen im Spiegel der strukturellen Entwicklungen.

Aufgrund der vom DVGW seit Anfang der 1980er-Jahre geführten Unfallstatistiken an Kundenanlagen konnte jedoch der Nachweis der hohen technischen Sicherheit der Gasversorgung durch das technische Regelwerk des DVGW festgestellt werden.

Die Unfallstatistik zeigt beispielsweise in Bild 1, dass im Jahr 1991 bei 14,6 Millionen Kundenanlagen lediglich 2,1 Schäden pro 1 Mio. Anlagen registriert wurden. Bild 2 zeigt, dass im Jahr 2001 bei mittlerweile über 17 Mio. Kundenanlagen und steigendem Gasabsatz die Gasunfälle noch einmal deutlich reduziert wurden.

Schutzziele.

Aufgrund einer detaillierten Auswertung der vorliegenden DVGW-Statistiken zu den erfolgten Manipulationsvorgängen konnte der Rückschluss getroffen werden, dass bei mehr als 50% der Vorfälle Stopfen, Kappen und Verschraubungen gelöst wurden und es somit zu Gasaustritten kam. Mit der Energieaufsicht des Wirtschaftsministeriums und der Fachkommission Bauaufsicht konnte deshalb vereinbart werden, mit praktikablen technischen Maßnahmen die Manipulationseingriffe sowie deren Auswirkungen weiter zu minimieren.

In Abstimmung mit der Energie- und Bauaufsicht wurden die Ergänzungen der beiden technischen Regeln erstellt und zur Anwendung verabschiedet. Die Schutzziele wurden nach den Zuständigkeiten in die Verantwortung der Gasversorger für die Sicherung der Hausanschlussleitung und die SHK-Fachbetriebe für die Sicherung der Hausinstallation aufgeteilt.

Aktive Maßnahmen durch GVU

Entsprechend dem Beiblatt B zum Arbeitsblatt G 459-1 müssen Gasversorger in die Hausanschlussleitung (< da 63 bzw. DN 50) ein selbsttätig schließendes Bauteil (z.B. Gasströmungswächter) möglichst nahe am Abzweig vor der Versorgungsleitung einbauen. Hierdurch sollen größere unkontrollierte Gasausströmungen aus dem nachgeschalteten System, z.B. durch Baggerangriffe, verhindert werden. Bei Betriebsdrücken < 100 mbar kann der Einbauort für das selbsttätig schließende Bauteil in der Hausinstallation oder im gesamten Bereich des Gashausanschlusses bzw. der Gasdruckregelung sein.

Aktive Maßnahmen durch SHK-Fachbetriebe

Entsprechend dem Beiblatt B zum Arbeitsblatt G 600 TRGI müssen für alle Neueinrichtungen und Erweiterungen von Gasinstallationen in Neubauten oder bestehenden Gebäuden leistungsabgestimmte Gasströmungswächter oder Druckregler mit integriertem Gasströmungswächter eingesetzt werden. Der erste Strömungswächter ist unmittelbar nach der Hauptabsperreinrichtung (HAE) bzw. dem Gas-Druckregelgerät, wenn dieses direkt nach der HAE angeordnet ist, zu installieren. Die Ausnahme von dieser Regel ist das Mehrfamilienhaus mit Etagengasanwendung bei Niederdruck-Gasverteilung < 25 mbar.

Passive Maßnahmen sind nur eingeschränkt zu verwenden, z.B. bei Verschraubungen und Flanschen zwischen Hauptabsperreinrichtung und Gasströmungswächter. Grundsätzlich sollen Leitungsenden vermieden werden.

Beispielrechnung Mehrfamilienhaus bei H-Gas (10 kWh / m3)

Nennwärmebelastung aller Gasgeräte Wohnung 1

28,0 KW » 2,80 m3/h

GS Typ K 3 4,0 m3/h

Nennwärmebelastung aller Gasgeräte Wohnung 2

34,5 KW » 3,45 m3/h

GS Typ K 3 4,0 m3/h

Nennwärmebelastung aller Gasgeräte Wohnung 3

23,0 KW » 2,30 m3/h

GS Typ K 3 2,5 m3/h

Nennwärmebelastung aller Gasgeräte Wohnung 4

12,0 KW » 1,20 m3/h

GS Typ K 3 1,6 m3/h

Gesamtsummenvolumenstrom
Auslegung GS Typ K 3 hinter HAE

97,5 KW » 9,75 m3/h

GS Typ K 3 10,0 m3/h

Auswahl der Strömungswächter

Das DVGW-Regelwerk bietet eine große Vielfalt von unterschiedlichen leistungsbezogenen Gasströmungswächtern (GS) an, deren Auswahl teilweise sehr aufwendig ist. Bei den Gasströmungswächtern Typ M und bei Gasdruckregelgeräten mit integriertem Gasströmungswächter müssen die nachfolgenden Leitungen so dimensioniert sein, dass die vorgeschalteten Gasströmungswächter überhaupt auslösen können. Gasströmungswächter Typ K benötigen eine solche Überprüfung der Leitungen nicht und sind deshalb einfacher und noch leistungsbezogener auszuwählen.

Leistungsbereiche der Gasströmungswächter Typ K 3

1,6

m3/h » Nennwärmebelastung

16 KW

1,7 - 2,5

m3/h » Nennwärmebelastung

17 - 25 KW

2,6 - 4,0

m3/h » Nennwärmebelastung

26 - 40 KW

4,1 - 6,0

m3/h » Nennwärmebelastung

41 - 60 KW

6,1 - 10,0

m3/h » Nennwärmebelastung

61 - 100 KW

10,1 - 16,0

m3/h » Nennwärmebelastung

101 - 160 KW

Für Fachbetriebe, die eine einfache Auswahl der aktiven Maßnahmen anstreben, folgende Hinweise:

Aktive Maßnahme - Strömungswächter.

Auswahl des GS Typ K 3

Summe aller Anschlusswerte der Gasgeräte ohne Berücksichtigung der Gleichzeitigkeiten.

Beispiel:

S Summe Nennwärmebelastung (des oder der Gasgeräte) z.B.

35,5 KW

Umrechnung in Volumenstrom

bei H-Gas

10,0 kWh/m3

bei L-Gas

9,0 kWh/m3

(oder mit dem tatsächlichen Umrechnungsfaktor Betriebsheizwert Hu, B)

Summenvolumenstrom für Auslegung GS, z. B.

3,55 m3/h

Leistungsstufe GS Typ K 3

4,0 m3/h

Bei Mehrfamilienhäusern mit Etagengasanwendung ist der erste GS, ausgelegt auf den Gesamtvolumenstrom, unmittelbar hinter die Hauptabsperreinrichtung einzubauen. An den Absperreinrichtungen bzw. Gaszählern zu den einzelnen Wohnungen ist dann leistungsbezogen ein weiterer GS einzubauen. Ein Berechnungsbeispiel zeigt die Tabelle links auf dieser Seite.

Druckregler mit integriertem Strömungswächter.

Wichtig: Es ist auf die vom Hersteller vorgegebene Einbaulage der Gasströmungswächter zu achten. Zurzeit gibt es nur GS Typen K 3, die nur waagerecht K-Typen sind und bei senkrechtem Einbau M-Typen werden, sodass bei der Auslegung auch noch die Nennweiten der nachfolgenden Rohrleitungen betrachtet werden müssen.

Sind z.B. Verschraubungen oder Flanschen vor dem ersten GS vorhanden, so müssen diese passiv gesichert werden. Ausnahmen der passiven Sicherung sind bei Ein- und Zweifamilienhäusern und bei Niederdruck-Gasverteilungen bis 100 mbar, wenn ein Gasströmungswächter in der Hausanschlussleitung installiert ist. Weil dieses nicht immer den SHK-Fachbetrieben bekannt ist, sollte grundsätzlich eine passive Sicherung vorgenommen werden.

Empfehlungen zur Behandlung des Bestands

Entsprechend dem Grundsatz der Regelwerksfortschreibung und in Abstimmung mit der Bauaufsicht gilt diese Änderung/Ergänzung der TRGI für die Neuerrichtung und Erweiterung von Gasinstallationen in Neubauten oder in bestehenden Gebäuden. Aufgrund des hohen Sicherheitsniveaus der vorhandenen Gasanlagen, die auf der Grundlage des Technischen Regelwerks errichtet wurden, wird keine allgemeine Nachrüstpflicht seitens der öffentlich-rechtlichen Stellen gefordert. Die in Betrieb befindlichen Gasanlagen sind grundsätzlich in ihrem Bestand nicht betroffen (Bestandsschutz).

Gasströmungswächter Typ K1-K3 nach DVGW VP 305-1.

Bei wesentlichen Änderungen an bestehenden Gasinstallationen oder fallbezogenen bei bekannten kritischen Nutzungsverhältnissen und -situationen ist eine Anpassung an die allgemein anerkannten Regeln der Technik notwendig. Bei durchzuführenden Nachrüstungen kann auch der Einsatz von Passivmaßnahmen in "allgemein zugänglichen Räumen" die allein mögliche und damit ausreichende Maßnahme darstellen.

Eine allgemein gültige Definition für wesentliche Änderungen gibt es nicht. Die Beurteilung darüber liegt schlussendlich in der unmittelbaren fachmännischen Verantwortung des Ausführenden vor Ort.

Von einer wesentlichen Änderung ist im Regelfall nicht auszugehen, bei:

Wesentliche Änderungen an Hausinstallationen haben keinen bestandsrelevanten Einfluss auf die Hausanschlussleitung (Geltungsbereich DVGW-Arbeitsblatt G 459-1), wie auch wesentliche Änderungen an der Hausanschlussleitung keine Rückwirkung auf die Hausinstallation (Geltungsbereich DVGW-Arbeitsblatt G 600) haben.

Passive Maßnahmen an der Leitungsanlage.

Die Gasversorgungsunternehmen und die SHK-Fachbetriebe werden aufgefordert, regional, z.B. mit Gemeinschaftsaktionen über die Installateurausschüsse, den Gaskunden über die Möglichkeiten der Manipulationserschwerung an ihren bestehenden Gasinstallationen zu informieren. Ziel ist, dass mittelfristig erreicht werden soll, dass auch die 18 Mio. bestehenden Kundenanlagen gegen Manipulation bzw. Eingriffe Unbefugter mit aktiven oder passiven Maßnahmen gesichert werden. Die Aktion des SHK-Handwerks "Gas ganz sicher" bietet im Rahmen dieses Gaschecks die beste Gelegenheit, dem Gaskunden diese zusätzliche Sicherheit anzubieten.


*) Franz-Josef Heinrichs, stv. Geschäftsführer Technik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima, St. Augustin.


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